Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung
Leitsatz (NV)
1. Die materielle Beurteilung des Rechtsstreits ist für eine nach § 60 Abs. 3 FGO notwendige Beiladung grundsätzlich unerheblich.
2. Besteht Streit über die Frage, ob einem Dritten anteilig Vermietungseinkünfte zuzurechnen sind, ist dieser zu dem Verfahren notwendig beizuladen.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war neben X Miteigentümerin eines Zweifamilienhauses. X starb im Oktober 1983. Seine Erben waren Y, die Beigeladene zu 1 und die Klägerin. Y wurde nach ihrem Tod im Oktober 1992 von der Beigeladenen zu 1 und der Klägerin beerbt. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) stellte für die Streitjahre (1980 bis 1988) die das Zweifamilienhaus betreffenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesondert und einheitlich fest und rechnete sie den jeweiligen Miteigentümern entsprechend deren Eigentumsanteil zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin im Hauptverfahren. Sie macht geltend, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien in allen Streitjahren durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) -- bis zum 14. Oktober 1983 bestehend aus den Eheleuten X und Y sowie aus der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2; nach dem Tode des X bestehend aus den verbliebenen drei Gesellschaftern -- bezogen worden. Auch der Beigeladene zu 2 sei damit Feststellungsbeteiligter. Das FA habe die Feststellungsbescheide nur an die als Mit eigentümer im Grundbuch eingetragenen Personen ohne Hinweis auf das Gesellschaftsverhältnis gerichtet und darüber hinaus den Beigeladenen zu 2 nicht als Feststellungsbeteiligter genannt. Die in den Streitjahren ergangenen Feststellungsbescheide seien deshalb insgesamt unwirksam.
Das Finanzgericht (FG) hat im Klageverfahren die Beigeladenen zu 1 und 2 gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren beigeladen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, der das FG im Ergebnis teilweise abgeholfen und die unwirksame Beiladung der -- zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen -- Y wieder aufgehoben hat. Die Klägerin macht u. a. geltend, nach der Rechtsprechung der Steuergerichte sei eine Beiladung unzulässig, wenn -- wie im Streitfall -- die streitbefangenen Steuerverwaltungsakte nichtig seien (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. Juni 1966 III 47/63, BFHE 86, 394, BStBl III 1966, 520). Das Bestehen einer GbR habe das FA durch einen am 4. September 1992 erlassenen Ergänzungsbescheid anerkannt.
Der Beigeladene zu 2 trägt u. a. vor, seiner Beiladung stehe entgegen, daß die streitbefangenen Feststellungsbescheide keine ihn betreffende -- negative -- Feststellung enthielten und er damit nicht klagebefugt sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beschluß des FG vom 29. Oktober 1993 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die beiden Beigeladenen zu Recht am Verfahren beteiligt.
1. Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derartig beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Klagebefugnis und notwendige Beiladung hängen in dem Sinne zusammen, daß die Klagebefugten, die nicht selbst Klage erhoben haben, notwendig beizuladen sind. Hat das FA gegenüber mehreren Mitberechtigten einen einheitlichen Feststellungsbescheid zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erlassen, so sind nach § 48 Abs. 2 FGO alle Betroffenen klagebefugt -- wenn sie nicht Klage erhoben haben -- und nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen (z. B. Beschluß des Senats vom 2. September 1993 IX B 34/93, BFH/NV 1994, 114).
2. Im Streitfall bedarf es keiner Prüfung, ob -- wie die Klägerin geltend macht -- die für die Streitjahre erlassenen Feststellungsbescheide nichtig sind. Die materiell-rechtliche Beurteilung des Rechtsstreits ist für die Beiladung des Senats grundsätzlich unerheblich (z. B. Beschluß vom 5. Februar 1985 IX B 55/84, BFH/NV 1985, 40; BFH- Urteil vom 27. November 1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692, m. w. N.). Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung (z. B. Urteil in BFHE 86, 394, BStBl III 1966, 520) steht dem nicht entgegen; aus ihr ergibt sich nur, daß die fehlende Zustellung eines Bescheides an alle Betroffenen nicht durch deren Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO geheilt werden kann.
3. Die notwendige Beiladung kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn entweder die Klage offensichtlich unzulässig oder der nicht klagende Mitberechtigte unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich betroffen ist (z. B. BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 692, m. w. N.). Beide Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob das FA mit den für die Streitjahre ergangenen Feststellungsbescheiden gegenüber dem Beigeladenen zu 2 eine negative Feststellung über seine Beteiligung an den Vermietungseinkünften getroffen hat. Unerheblich ist auch, ob und mit welchem Inhalt das FA für die Streitjahre Ergänzungs bescheide i. S. von § 179 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) erlassen hat. Der Beigeladene zu 2 ist vom vorliegenden Klageverfahren schon deshalb rechtlich betroffen, weil ihm nach dem Vorbringen der Klägerin als Gesellschafter einer GbR Vermietungseinkünfte zuzurechnen sind. Steht eine solche Frage im Streit, kann auch die Beiladung eines ggf. nicht klagebefugten Dritten notwendig werden (vgl. BFH-Urteil vom 29. September 1981 VIII R 90/79, BFHE 134, 505, BStBl II 1982, 216).
Fundstellen
Haufe-Index 420816 |
BFH/NV 1995, 1084 |