Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge unzutreffender Rechtsanwendung eröffnet nicht die zulassungsfreie Revision gemäß § 116 Abs. 1 FGO
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6, § 105 Abs. 2 Nr. 5
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 15. November 1999 4 K 922/96 in einem Finanzrechtsstreit wegen Erbschaftsteuer Revision eingelegt und geltend gemacht, das Urteil sei i.S. von § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mit Gründen versehen, soweit das FG nicht begründet habe, warum er während krankheitsbedingter Abwesenheit verpflichtet gewesen sei, einen Vertreter zu bestellen. Mangels einer solchen Verpflichtung dürfe ihm die tatsächlich erfolgte Bestellung seiner Ehefrau zu seinem Vertreter nicht zum Nachteil gereichen. Seine Ehefrau sei auch nicht zu umfassenden Maßnahmen in seinen Angelegenheiten befugt gewesen. Das Einlegen eines Rechtsbehelfs sei seine Sache geblieben und habe erst nach Beendigung seines Klinikaufenthalts erfolgen können. Die Vorentscheidung sei ferner insoweit nicht mit Gründen versehen, als das FG sein Begehren nicht unter dem Gesichtspunkt von § 10 Abs. 5 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) geprüft und den Abzug der geltend gemachten Kosten der Wohnungsauflösung abgelehnt habe.
Der Kläger beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig. Sie ist durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
a) Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision abweichend von § 115 Abs. 1 FGO nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Dies ist im Streitfall nicht geschehen.
b) Eine zulassungsfreie Verfahrensrevision nach § 116 FGO ist nur statthaft, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ein Mangel i.S. von § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird. Ein Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen ―ihre Richtigkeit unterstellt― einen Mangel i.S. von § 116 Abs. 1 FGO ergeben. Dieser Anforderung entsprechen die Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift nicht.
Gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO müssen Urteile begründet werden. Der Sinn des Begründungszwangs liegt darin, den Prozessbeteiligten die Kenntnis darüber zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht (BFH-Beschluss vom 28. April 1993 II R 123/91, BFH/NV 1994, 46, m.w.N.). Ein Fehlen von Entscheidungsgründen liegt demnach nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur dann der Fall, wenn das FG seine Entscheidung überhaupt nicht begründet oder einen eigenständigen Klagegrund oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat, mithin das Urteil bezüglich eines wesentlichen Streitpunktes nicht mit Gründen versehen ist (BFH-Beschluss vom 4. Juni 1996 IV R 20/95, BFH/NV 1996, 914).
Der Kläger rügt nicht das vollständige Fehlen von Urteilsgründen, sondern nur eine unzureichende Begründung der vom FG angenommenen Pflicht zur Bestellung eines Vertreters bei längerer Abwesenheit. Daraus ergibt sich kein Verfahrensmangel i.S. der §§ 116 Abs. 1 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO. Die weiteren Ausführungen des Klägers, im Streitfall habe keine Pflicht zur Bestellung eines Vertreters bestanden und auch seiner Ehefrau sei kein ihm ―dem Kläger― zuzurechnendes Verschulden vorzuwerfen, zeigen, dass er lediglich mit den Ausführungen des FG zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht einverstanden ist. Er rügt damit im Ergebnis eine unzutreffende Rechtsanwendung, auf die eine zulassungsfreie Revision i.S. des § 116 Abs. 1 FGO nicht gestützt werden kann (BFH-Beschlüsse vom 22. April 1986 III R 176/85, BFH/NV 1987, 95, und vom 4. Juni 1987 IV R 79/96, BFH/NV 1998, 2).
Der Kläger hat den geltend gemachten Verfahrensmangel auch insoweit, als er eine fehlende Auseinandersetzung des FG mit seinem Vorbringen zu den Kosten der Wohnungsauflösung und der Anwendung von § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG rügt, nicht schlüssig dargelegt. Das Vorliegen eines Verfahrensmangels ist auf der Grundlage der Rechtsauffassung des FG zu beurteilen. Das FG musste sich nach seiner Auffassung mit der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung nicht auseinander setzen, weil diese Festsetzung aus seiner Sicht wegen schuldhafter Versäumung der Einspruchsfrist bestandskräftig, die Klage bereits aus diesem Grunde unbegründet war.
Fundstellen