Entscheidungsstichwort (Thema)
Lange Verfahrensdauer führt nicht zur Befreiung von den Verfahrenskosten
Leitsatz (NV)
1. Die lange Dauer eines Verfahrens vor den Finanzgerichten rechtfertigt es nicht, von der Erhebung der Gerichtskosten abzusehen, weil diese nicht infolge der langen Verfahrensdauer entstanden sind.
2. Die Verzögerung des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof führt weder nach § 137 FGO zur Auferlegung der Kosten auf das Finanzamt noch gemäß Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskommission zur Auferlegung der Kosten auf die Bundesrepublik Deutschland. Ein evtl. Schaden infolge einer verspäteten Entscheidung müßte in dem dafür vorgesehenen Verfahren oder gegenüber dem Finanzamt im gesonderten Billigkeitsverfahren geltend gemacht werden.
Normenkette
FGO § 137; GKG § 8 Abs. 1; EMRK Art. 6
Verfahrensgang
Tatbestand
Der BFH hat das Revisionsverfahren eingestellt, nachdem der Kläger seine Revision zurückgenommen hatte. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der BFH nach § 136 Abs. 2 FGO dem Kläger auferlegt. Zum Antrag des Klägers, ihn von den Verfahrenskosten zu befreien, hat der BFH ausgeführt:
Entscheidungsgründe
Dem Antrag des Klägers, die Kosten des Verfahrens der Bundesrepublik Deutschland aufzuerlegen, konnte nicht stattgegeben werden. Nach § 137 der Finanzgerichtsordnung hätten dem Finanzamt (FA) die Kosten auferlegt werden können, wenn es die Verzögerung des Verfahrens verursacht hätte; das ist jedoch eindeutig nicht der Fall.
Auch eine Nichterhebung der Gerichtskosten nach § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) kommt nicht in Betracht. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift werden Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Das gleiche gilt nach Satz 2 für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlaßte Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Bei Zurücknahme eines Antrags kann von einer Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht (§ 8 Abs. 1 Satz 3 GKG). Die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Kosten nach dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Die Sache wurde nicht unrichtig behandelt. Termine wurden nicht verlegt oder vertagt. Vor allem sind die Kosten des Verfahrens nicht durch die lange Verfahrensdauer entstanden. Sie wären in gleicher Weise und Höhe angefallen, wenn der Senat bereits vor Jahren in gleicher Weise entschieden hätte.
Entgegen der Auffassung des Klägers könnte auch ein Verstoß gegen Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht zu einer Auferlegung der Kosten auf die Bundesrepublik Deutschland führen. Es trifft zwar zu, daß finanzgerichtliche Verfahren häufig lange dauern. Insbesondere ist das vorliegende Revisionsverfahren lange Zeit nicht entschieden worden. Ein eventueller, hier aber nicht ersichtlicher Schaden durch eine infolge langer Verfahrensdauer verspätete Entscheidung müßte jedoch in dem dafür vorgesehenen Verfahren oder gegenüber dem FA im gesonderten Billigkeitsverfahren geltend gemacht werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. Mai 1987 V R 56/79, BFHE 150, 85, BStBl II 1987, 582 unter 2. c).
Fundstellen
Haufe-Index 424443 |
BFH/NV 1988, 659 |