Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungszahlung als Entgelt für eine steuerfreie Grundstückslieferung?
Leitsatz (NV)
Die Frage, ob ein entgeltlicher Verzicht gem. Art. 233 § 4 EGBGB nach § 4 Nr. 9a UStG steuerfrei ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung, wenn nach den Feststellungen des FG eine Abfindungszahlung für die Aufgabe einer unsicheren Rechtsposition bei ungeklärter Eigentumslage gezahlt wurde und nicht für die - nach § 4 Nr. 9a UStG steuerfreie - Grundstücksübertragung.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 9a; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 18.10.2006; Aktenzeichen 2 K 1608/03) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine eingetragene Genossenschaft und Rechtsnachfolgerin eines Betriebes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR), der X. Für die von der X errichteten Gebäude war kein nach dem damaligen Zivilgesetzbuch der DDR vorgesehenes gesondertes Gebäude-Grundbuch angelegt worden. Die Klägerin hatte einen Antrag auf Feststellung selbständigen Gebäudeeigentums bei der Oberfinanzdirektion sowie auf Bodenneuordnung gestellt. Das Betriebsgrundstück selbst stand im Eigentum der Erbengemeinschaft L.
Nachdem die Erbengemeinschaft L das Betriebsgrundstück einschließlich aufstehender Gebäude für 1,8 Mio. DM veräußert hatte, vereinbarte die Klägerin mit der Erbengemeinschaft in einem notariellen Vertrag die Zahlung eines "Abfindungsbetrages" von 575 000 DM "für den Verzicht auf eventuelle Nutzungs- und Eigentumsrechte".
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) sah die Abfindungszahlung als Entgelt für eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung der Klägerin an die Erbengemeinschaft L an.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit der Begründung ab, dass es sich bei dem Verzicht auf eventuell bestehende Nutzungs- und Eigentumsrechte und auf die Durchführung eines Bodenneuordnungsverfahrens um eine steuerbare sonstige Leistung an die L handele. Diese Leistung sei nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerbefreit, da die Klägerin kein Grundstückseigentum übertragen habe, sondern nur auf die Geltendmachung eventuell bestehender Grundstücksrechte verzichtet habe. Die Abfindung werde auch für den Fall gezahlt, dass tatsächlich keine Grundstücksrechte bestanden hätten. In dem notariellen Vertrag sei ausdrücklich vereinbart worden, dass der Abfindungsbetrag "nicht der Kaufpreis für die Gebäude und die baulichen Anlagen" sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wonach in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden müssen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärungsfähig und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH und gegebenenfalls den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 2007 V B 66/06, BFH/NV 2007, 2067; vom 14. September 2007 VIII B 20/07, BFH/NV 2008, 25; vom 6. November 2007 I B 88/07, BFH/NV 2008, 577, und vom 30. Januar 2008 V B 57/07, BFH/NV 2008, 611). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, inwieweit und weshalb die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom 22. Januar 2008 X B 185/07, BFH/NV 2008, 603, und vom 24. Januar 2008 X B 87/07, BFH/NV 2008, 605). Weiterhin muss dargelegt werden, weshalb die Klärung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfragen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschluss vom 7. August 2002 I B 151/01, BFH/NV 2003, 60). Die Bedeutung der Sache darf sich nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen, sondern muss eine Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen (BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2002 V B 158/01, BFH/NV 2002, 1350; vom 24. August 2006 V B 36/05, BFH/NV 2007, 69).
2. Derartige Ausführungen fehlen im Streitfall. Die Klägerin hat sich nicht mit der Rechtsprechung des BFH zur Steuerbarkeit von Abfindungszahlungen wegen Verzichts auf eine wirkliche oder vermeintliche Rechtsposition auseinandergesetzt (vgl. BFH-Urteile vom 10. Dezember 1998 V R 58/97, BFH/NV 1999, 987, zum Verzicht zwecks Bereinigung einer Rechtsunsicherheit; vom 7. Juli 2005 V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66, zum Verzicht auf die Fortsetzung eines Beratervertrages; vom 24. August 2006 V R 19/05, BFHE 215, 321, BStBl II 2007, 187, zum Verzicht auf Rechte aus einem Planfeststellungsbeschluss). Die als rechtsgrundsätzlich zu klärende Frage, ob eine Verzichtserklärung eines Gebäudeeigentümers gemäß Art. 233 § 4 Abs. 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerbefreit ist, wäre im Revisionsverfahren zudem nicht klärbar. Denn nach den Feststellungen des FG wurde die Abfindung nach dem ausdrücklichen Wortlaut der notariellen Vereinbarung gerade nicht für die --nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie-- Übertragung des Eigentums an den Gebäuden, sondern für den Verzicht auf "eventuelle" Nutzungsrechte gezahlt. Die Zahlung erfolgte somit als Abfindung für die Beseitigung einer Rechtsunsicherheit auch für den Fall, dass tatsächlich keinerlei Eigentums- oder Nutzungsrechte an dem veräußerten Grundstück bestanden haben. Es ist auch nicht erkennbar oder substantiiert vorgetragen worden, dass die Frage der Steuerbarkeit und Steuerpflicht einer Abfindung wegen eines nur möglicherweise bestehenden Grundstücksrechts im allgemeinen Interesse liegt.
3. Dem FG ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, weil es keinen rechtlichen Hinweis erteilt hat, der die Klägerin zu weiterem Vortrag für ein bestehendes Eigentum an den Gebäuden veranlasst hätte. Hierzu bestand für das FG keine Veranlassung, denn nach dem für die Beurteilung als Verfahrensfehler zugrunde zu legenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 13. April 1976 VI B 12/76, BFHE 118, 546, BStBl II 1976, 503) hatte es nach seiner Auslegung des notariellen Vertrages die Steuerbarkeit einer Abfindungszahlung zur Beseitigung der Rechtsunsicherheit über das Bestehen oder Nichtbestehen von Eigentumsrechten an Gebäuden zu beurteilen und nicht --wovon die Klägerin ausgeht-- über einen Verzicht für die Aufgabe bestehender Eigentumsrechte.
Fundstellen