Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine unrichtige Sachbehandlung bei Trennung im Fall der objektiven Antragshäufung
Leitsatz (NV)
Stellt der Kläger im Rahmen eines Verfahrens mehrere Sachanträge im Rahmen einer objektiven Antragshäufung und sind für die Begehren verschiedene Spruchkörper sachlich zuständig, ist die Trennung keine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Normenkette
GKG § 21 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I. Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) begehrt die Nichterhebung von Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte der Kostenschuldner Beschwerde gegen einen Beschluss des FG betreffend die Aussetzung der Vollziehung --AdV-- eingelegt. Die AdV wurde im Zusammenhang mit dem Hauptsacheverfahren beantragt, in dem sich der Kostenschuldner sowie B als Mitglieder einer ehemaligen Sozietät gegen den Feststellungsbescheid 1990 über Besteuerungsgrundlagen und Bescheid über Steuern der Personengesellschaften und Gemeinschaften in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2004 sowie gegen einen Abrechnungsbescheid zur Steuerrate 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung (ebenfalls) vom 29. April 2004 gewendet hatten. Das FG hatte die Vollziehung des Abrechnungsbescheids teilweise ausgesetzt, im Übrigen aber den Aussetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Gegen seinen Beschluss hatte das FG die Beschwerde nur hinsichtlich des Abrechnungsbescheids zugelassen. Die gegen den Beschluss vom Kostenschuldner erhobene Beschwerde betraf gleichwohl den gesamten Streitgegenstand des Aussetzungsverfahrens, mit Ausnahme eines Betrages von 24 650 DM für die Gewerbesteuer 1990.
Der beschließende Senat trennte das Verfahren betreffend den Abrechnungsbescheid ab und gab es an den zuständigen VII. Senat ab. In dem verbliebenen Verfahren betreffend den Steuerbescheid verwarf er die Beschwerde mangels Zulassung durch das FG als unzulässig.
Die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) erließ für dieses Verfahren am 5. Januar 2006 zunächst eine Kostenrechnung über 576 €. Dabei wurde ein Streitwert von 19 922 € zugrunde gelegt. Hiergegen erhob der Kostenschuldner am 24. Januar 2006 Erinnerung, mit der er zunächst den Ansatz eines Streitwerts von 1 992,20 € begehrte. Die Kostenstelle hielt die Erinnerung teilweise für begründet und erließ am 24. Mai 2006 eine geänderte Kostenrechnung über 242 €, die auf einem Streitwert von 4 990 € beruhte.
Der Kostenschuldner hält auch diese Kostenrechnung für rechtsirrig. Er begehrt nun allerdings über sein bisheriges Vorbringen hinaus, wegen unrichtiger Sachbehandlung des FG gemäß § 21 Abs. 1 GKG für beide Verfahren des BFH (auch das vom beschließenden Senat an den VII. Senat abgegebene) keine Kosten zu erheben.
Hierzu trägt er vor, die Beschwerde betreffend den Abrechnungsbescheid sei vom FG rechtsirrig zugelassen worden. Sachlich hätte über die AdV des Abrechnungsbescheids überhaupt nicht entschieden werden dürfen. Deshalb hätte die beschränkte Beschwerde auch nicht an den unzuständigen IV. Senat des BFH geleitet werden dürfen.
Die Streitwertberechnung der Kostenstelle sei außerdem fehlerhaft. Vor dem FG sei ein Betrag von 43 270,45 € streitig gewesen. Im Aussetzungsverfahren belaufe sich der Streitwert auf 10 v.H. dieses Betrags, also auf 4 327,05 €. Die Beschwerde habe sich nur auf einen Steuerbetrag von 20 320,78 € bezogen, so dass der Streitwert diesbezüglich lediglich 10 v.H. davon, also 2 032,08 € betragen habe.
Der Kostenschuldner beantragt, Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 Abs. 1 GKG nicht zu erheben.
Die Vertreterin der Staatskasse (Erinnerungsgegnerin) beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die berichtigte Kostenrechnung lasse keine Rechtsfehler erkennen.
Entscheidungsgründe
II. Die Erinnerung ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.
1. Gegenstand des Erinnerungsverfahrens ist jetzt die Kostenrechnung vom 24. Mai 2006. Eine im Lauf des Erinnerungsverfahrens geänderte Kostenrechnung wird automatisch zum Gegenstand des Verfahrens (Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 IV E 4/02, BFH/NV 2003, 1064).
2. Die Kostenstelle des BFH ist nicht von einem zu hohen Streitwert ausgegangen.
a) Der Streitwert ist nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG).
b) Mit der Beschwerde hatte sich der Kostenschuldner gegen den Beschluss des FG insoweit gewendet, "wie der Beschluss vom 04.05.2005 (ihn) beschwert/belastet". Angefochten wurde damit nicht nur die Entscheidung über den Abrechnungsbescheid, soweit dessen Aussetzung abgelehnt worden war, sondern auch die Entscheidung über den Steuerbescheid. Die Beschwerde war mithin entgegen der Darstellung des Kostenschuldners nicht auf den Abrechnungsbescheid beschränkt.
c) Soweit sich das Aussetzungsverfahren gegen den Steuerbescheid richtete, kann dahinstehen, ob Gegenstand des Verfahrens auch die Feststellung der Einkünfte 1990 war, wie der Antragsgegner und Beschwerdegegner des Aussetzungsverfahrens (das Finanzamt --FA--) meint. Das FG hat als Streitgegenstand lediglich die AdV der Festsetzung der Steuerrate 1990 betrachtet. Dem hat sich die Kostenstelle des BFH angeschlossen und den Streitwert schließlich mit 10 v.H. der durch die Einspruchsentscheidung auf 49 902,09 € herabgesetzten Steuerrate bemessen.
Der Ansatz eines Streitwerts in Höhe von 4 990 € ist nicht zu beanstanden. Im Hauptsacheverfahren war die Festsetzung der Steuerrate in voller Höhe angegriffen worden. Dementsprechend umfasste auch der Antrag auf AdV die volle Steuerrate. Der Streitwert im Verfahren wegen AdV beträgt 10 v.H. des Betrags, um den in der Hauptsache gestritten wird (ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluss vom 6. Februar 1967 VII B 29/66, BFHE 87, 410, BStBl III 1967, 121; vgl. auch BFH-Beschluss vom 26. April 2001 V S 24/00, BFHE 194, 358, BStBl II 2001, 498).
3. Die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung kommt nicht in Betracht.
a) Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, nicht erhoben. Die Entscheidung darüber trifft nach § 21 Abs. 2 Satz 1 GKG das Gericht.
b) Als unrichtige Sachbehandlung kommen nur erkennbare Versehen oder materielle Verstöße gegen eindeutige Rechtsnormen des materiellen oder formellen Rechts in Betracht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. November 1987 II E 1/87, BFH/NV 1988, 324). Derartige Fehler des BFH sind im Streitfall nicht ersichtlich. Die Befassung zweier Senate ist eine Folge der objektiven Antragshäufung durch den Kostenschuldner, der Anträge auf Aussetzung zweier Verwaltungsakte gestellt und die einheitliche Entscheidung darüber mit einer Beschwerde angefochten hat. Für die Entscheidung über die zwei Streitgegenstände waren nach der Geschäftsverteilung des BFH verschiedene Senate zuständig.
Es kann dahinstehen, ob auch ein Fehler des FG zur Nichterhebung von Kosten durch den BFH führen kann. Denn jedenfalls in Bezug auf die hier zu beurteilende Festsetzung der Steuerrate fällt dem FG auch nach der eigenen Darstellung des Kostenschuldners keine unrichtige Sachbehandlung i.S. des § 21 GKG zur Last. Auf einen vom Kostenschuldner geltend gemachten Fehler im Zusammenhang mit dem Abrechnungsbescheid kann es im hiesigen Verfahren nicht ankommen.
c) Auf die Erhebung von Kosten kann auch nicht nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG verzichtet werden. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die unzulässige Erhebung der Beschwerde hinsichtlich der Steuerrate auf unverschuldeter Unkenntnis der rechtlichen Verhältnisse beruhen könnte.
Fundstellen