Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch; Verfahrensfehler
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsfrage, welche Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, ist hinreichend geklärt.
2. Bei der Prüfung eines Verfahrensmangels ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen.
Normenkette
EStG 1990 § 8 Abs. 2 S. 1; FGO § 76 Abs. 1, §§ 94, 96 Abs. 2, § 108 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 160 Abs. 4, § 164
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 27.01.2006; Aktenzeichen 8 K 477/04) |
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind die Voraussetzungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, im Wesentlichen geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, und vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625). Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss hiernach zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes müssen im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden (BFH-Urteil in BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408). Dabei ist jede einzelne berufliche Verwendung grundsätzlich für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Es genügt dann die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Kfz-Gesamtkilometerstands, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind. Wird andererseits der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen, so stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstands zu dokumentieren ist (BFH-Urteil in BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625). Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen außerdem eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Sie müssen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Weisen die Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen (BFH-Urteil in BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625).
Weitergehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die im Streitfall klärungsbedürftig und klärungsfähig sind, hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt.
2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, Alternative 2 FGO).
a) Das angefochtene Urteil weicht nicht von dem BFH-Beschluss vom 24. Februar 2000 IV B 83/99 (BFHE 191, 304, BStBl II 2000, 298) ab. Der BFH hat in diesem Beschluss, der im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung ergangen ist, betont, dass dieses Verfahren nicht geeignet sei, endgültig die Rechtsfrage zu klären, was unter dem Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs zu verstehen ist; insbesondere, ob die Eintragungen in das Fahrtenbuch zeitnah zu erfolgen haben oder nachträglich vorgenommen werden können. Die Entscheidung dieser Rechtsfragen müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Der BFH hat in dem Beschluss in BFHE 191, 304, BStBl II 2000, 298 also gerade nicht über die Frage entschieden, ob ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zeitnahe Eintragungen voraussetzt.
b) Die gerügte Divergenz zu dem Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 5. April 2001 15 K 4247/00 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 350) liegt ebenfalls nicht vor. Das FG München hat diesem Urteil, das mit Zurückweisung der Revision durch das BFH-Urteil vom 16. März 2006 VI R 86/04 (nicht veröffentlicht) rechtskräftig geworden ist, schon nicht den von der Klägerin herausgestellten Rechtssatz zugrunde gelegt. Soweit das FG München in dem Urteil in EFG 2005, 350 ausgeführt hat, Angaben zu den Entfernungen zwischen den verschiedenen Orten seien nur bei größerer Differenz zwischen direkter Entfernung und tatsächlich gefahrenen Kilometern erforderlich, wurde lediglich die in dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. Mai 1997 IV B 2 -S 2177- 29/97 (BStBl I 1997, 562) vertretene Auffassung wiedergegeben. Tragend für die Entscheidung des FG München in EFG 2005, 350 war indessen, dass in den Fahrtenbüchern bei den beruflich bedingten Fahrten Angaben zum aufgesuchten Geschäftspartner fehlten. Demgegenüber beruht das hier angefochtene Urteil auf dem --mit der Rechtsprechung des BFH übereinstimmenden-- Rechtssatz, dass ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zeitnah erstellt werden muss.
3. Eine Zulassung der Revision kommt auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Betracht. Verfahrensmängel hat die Klägerin entweder nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise begründet oder sie liegen nicht vor.
a) Die Rüge, das FG habe die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, weil es seine Entscheidung darauf gestützt habe, dass "das streitgegenständliche Fahrzeug für Fahrten zwischen Familienwohnung und Betrieb genutzt worden" sei, obwohl solche Fahrten gar nicht stattgefunden hätten, ist nicht begründet. Bei der Prüfung eines Verfahrensmangels ist von der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz auszugehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. April 2003 V B 145/02, BFH/NV 2003, 1096, und vom 30. April 2002 VI B 298/01, BFH/NV 2002, 1166, sowie Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 96, m.w.N.). Im Streitfall hat das FG seine Entscheidung --in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 6. November 2001 VI R 62/96, BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370)-- darauf gestützt, dass die unentgeltliche Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber (Klägerin) an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu Arbeitslohn führe und die Bewertung eines privaten Kfz-Nutzungsvorteils nach der sog. 1 v.H.-Methode erfolgen könne (vgl. Abschn. 31 Abs. 7 Nr. 4 der Lohnsteuer-Richtlinien in den vor 1996 geltenden Fassungen). Das FG hat weiterhin angenommen, dass aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Dienstwagens spreche. Der Anscheinsbeweis könne dadurch entkräftet werden, dass ein Sachverhalt dargelegt werde, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergebe. Bei dieser Rechtsauffassung, die mit der Rechtsprechung des BFH in Einklang steht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330; vom 4. Juni 2004 VI B 256/01, BFH/NV 2004, 1416; vom 13. April 2005 VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300, und vom 27. Oktober 2005 VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292), kann nicht davon ausgegangen werden, dass das FG, wenn es keine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angenommen hätte, die Privatnutzung der betreffenden Fahrzeuge als ausgeschlossen oder den Anscheinsbeweis als entkräftet beurteilt hätte. Jedenfalls hat die Klägerin dies nicht hinreichend dargelegt. So hat das FG Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb auch nur beispielhaft für eine zum Lohnzufluss führende Kfz-Nutzung herangezogen, wie die Formulierung "u.a." auf Blatt 7 des angefochtenen Urteils zeigt.
b) Das FG hat § 76 Abs. 1 FGO ferner nicht dadurch verletzt, dass es die Abweichungen bei den Entfernungsangaben im Fahrtenbuch nicht weiter aufgeklärt hat. Denn nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz kam es auf diese Abweichungen nicht an. Das FG hat seine Entscheidung, das Fahrtenbuch der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, in erster Linie darauf gestützt, dass das Fahrtenbuch nicht zeitgerecht erstellt wurde. Damit erübrigte sich die weitere Prüfung der im Fahrtenbuch enthaltenen Entfernungsangaben.
c) Die von der Klägerin sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe ihr Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, weil es in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erläuterungen zu den Kilometerangaben "völlig unberücksichtigt gelassen" habe, "obwohl es während der mündlichen Verhandlung die Erläuterungen akzeptiert" und somit die Klägerin "in dem Glauben gelassen habe, dass durch die Erklärungen eine für das FG hinreichende Begründung für die Entfernungsabweichungen gegeben" worden sei, ist ebenfalls nicht durchgreifend. Sie entspricht weder den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO noch ist dem FG in der Handhabung des Verfahrensrechts ein Fehler unterlaufen.
Der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel lässt sich weder dem Sitzungsprotokoll noch dem angefochtenen Urteil entnehmen. Die von der Klägerin geltend gemachten Erläuterungen zu den Kilometerangaben sind in das Sitzungsprotokoll nicht aufgenommen worden. Einen Protokollierungsantrag gemäß § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat die --sachkundig vertretene-- Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht gestellt. In dem angefochtenen Urteil ist der betreffende Vortrag der Klägerin ebenfalls nicht enthalten. Die Klägerin hat beim FG aber weder einen Antrag auf Berichtigung des Protokolls (§ 94 FGO i.V.m. § 164 ZPO) noch des Tatbestands des Urteils (§ 108 FGO) gestellt. Sie hat im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht dargetan, warum sie hiervon abgesehen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 23. September 1998 I B 53/98, BFH/NV 1999, 458).
Unabhängig davon ist das Recht der Klägerin auf Gehör nicht verletzt. Zwar gebieten Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO die Berücksichtigung wesentlichen Vorbringens der Beteiligten. Das Gericht braucht sich indessen nicht mit jedem Vorbringen in der Urteilsbegründung ausdrücklich zu befassen. Vielmehr darf das Gericht Beteiligtenvorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lassen; es muss sich nur mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinander setzen (z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 1992 2 BvR 430/91, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2217; BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1999 XI B 88, 89/98, BFH/NV 2000, 730; Gräber/Ruban, a.a.O., § 96 Rz. 30, m.w.N.). Im Streitfall kam es mangels eines zeitnah erstellten Fahrtenbuchs auf die Abweichungen bei den Kilometerangaben nicht an. Folglich war das FG auch nicht verpflichtet, auf einen diesbezüglichen Vortrag der Klägerin weiter einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1684071 |
BFH/NV 2007, 439 |