Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegung der Zulassungsgründe, Übergehen eines Beweisantrags, Verletzung der Sachaufklärungspflicht
Leitsatz (NV)
1. Wird Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG durch Übergehen eines Beweisantrags geltend gemacht, gehört zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war.
2. Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter verzichten kann, hat die unterlassene Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge.
3. Das Übergehen von Beweisanträgen kann nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat. Der Rügeberechtigte muss die Rüge sowie die übergangenen Beweisanträge zu Protokoll erklären.
4. Wird geltend gemacht, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag von Amts wegen eine Beweisaufnahme durchführen müssen, so sind für eine schlüssige Verfahrensrüge Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 295
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 04.10.2005; Aktenzeichen 10 K 5225/04 Kg) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt Kindergeld für ihren am 24. Februar 1985 geborenen Sohn T, der sich bis zum 30. Juli 2003 in einer Schulausbildung befand. Danach verließ er das Gymnasium, um laut einem Vermerk in seinem Abgangszeugnis eine Berufsausbildung zu beginnen. Tatsächlich absolvierte T ab dem 1. Januar 2004 seinen neun Monate dauernden Grundwehrdienst.
Auf Anfrage der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) nach den Bemühungen von T um einen Ausbildungsplatz übermittelte die Klägerin u.a. ein an das Kreiswehrersatzamt adressiertes Schreiben ihres Sohnes vom 23. Juli 2003, in dem dieser mitteilte, er wolle seine schulische Ausbildung zur Ableistung des Grundwehrdienstes abbrechen. Er bat darin um eine schnellstmögliche Musterung, um im nächsten Jahr mit einer betrieblichen Ausbildung beginnen zu können.
Mit Bescheid vom 2. April 2004 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für die Zeit ab August 2003 nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf und forderte für die Zeit von August 2003 bis Januar 2004 den entsprechend bezahlten Kindergeldbetrag in Höhe von insgesamt 924 € nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zurück.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin als Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Finanzgericht (FG) nach § 76 FGO geltend.
Das FG habe es trotz Beweisantritts der Klägerin unterlassen, ihren Sohn als Zeugen zu der Frage seines Ausbildungswillens im streitbefangenen Zeitraum zu vernehmen. T habe tatsächlich neben seinen Bemühungen um einen Ausbildungsplatz zusätzlich mit dem Kreiswehrersatzamt Kontakt aufgenommen. Dies habe das FG verkannt und dadurch den entscheidungserheblichen Sachverhalt entgegen seiner ihm von Amts wegen obliegenden Aufklärungspflicht nicht vollständig festgestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Die Klägerin hat den gerügten Verfahrensmangel nicht ausreichend dargelegt (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Wird Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG durch Übergehen eines Beweisantrags geltend gemacht, gehört zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, z.B. Beschluss vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz nach § 76 Abs. 1 FGO einschließlich des Prinzips der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--), hat die unterlassene Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge.
Das Übergehen von Beweisanträgen kann nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seiner Beweisanträge erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat. Der Rügeberechtigte muss die Rüge sowie die übergangenen Beweisanträge zu Protokoll erklären (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat weder substantiiert dargelegt, noch ist aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG Beweisanträge zu Protokoll erklärt und die unterlassene Beweisaufnahme gerügt habe. Ausweislich des Sitzungsprotokolls sind außer den Sachanträgen keine weiteren Anträge --also auch keine Beweisanträge-- gestellt worden.
2. Soweit die Klägerin mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend macht, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) eine Beweisaufnahme durchführen müssen, so wären für eine schlüssige Verfahrensrüge Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978, und vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, jeweils m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift gleichfalls nicht.
Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, weshalb sich trotz der Würdigung sämtlicher von T eingereichten schriftlichen Unterlagen durch das FG aus seiner materiell-rechtlichen Sicht eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufgedrängt hätte.
Aus dem schriftlichen Material ging nach den nicht mit Rügen angegriffenen Feststellungen des FG hervor, dass T sich ausschließlich für die Zeit nach Ableistung des Grundwehrdienstes um Ausbildungsplätze mit einem Ausbildungsbeginn ab 1. August 2004 bzw. 1. September 2004 bemüht hatte. Dies steht im Einklang mit dem Inhalt des Schreibens vom 23. Juli 2003, das T an das Kreiswehrersatzamt gerichtet hatte, wonach er tatsächlich vor seiner Ausbildung zunächst den Grundwehrdienst ableisten wollte. Aus der materiell-rechtlichen Sicht des FG war der Sachverhalt daher insoweit hinreichend aufgeklärt, als für den streitbefangenen Zeitraum August bis Dezember 2003 keine Bemühungen um einen Ausbildungsplatz erkennbar waren. Es ist nicht dargetan oder ersichtlich, weshalb aus Sicht des FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte erforderlich sein sollen.
Fundstellen
Haufe-Index 1552091 |
BFH/NV 2006, 1683 |