Entscheidungsstichwort (Thema)
"Grundsätzliche Bedeutung" einer Rechtssache; ordnungsmäßige Bezeichnung von Verfahrensmängeln
Leitsatz (NV)
1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt voraus, daß zumindest die konkrete Möglichkeit besteht, daß die als grundsätzlich angesehene Frage im Revisionsverfahren geklärt werden kann.
2. Wird mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch das FG gerügt, so ist zur Bezeichnung des Verfahrensmangels erforderlich, daß die ermittlungsbedürftigen Punkte angegeben, das Ergebnis zutreffender Sachverhaltsermittlung dargelegt und insbesondere erläutert wird, inwiefern das FG-Urteil im einzelnen auf der unterbliebenen Sachverhaltsermittlung beruht oder beruhen könnte.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Sätze 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat mit Urteil vom 24. Juni 1986 die Klagen gegen die einheitliche Gewinnfeststellung für das Jahr 1980, die Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge für die Jahre 1980, 1982 und 1983 und die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für die Jahre 1982 und 1983 als unbegründet abgewiesen. Diesen Bescheiden des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) liegt die Auffassung zugrunde, daß die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks im Jahre 1975, der nachfolgenden Errichtung eines Wohnhauses mit sechs Eigentumswohnungen in den Jahren 1979/80 sowie der Veräußerung dieser im Jahre 1980 bezugsfertig gewordenen Eigentumswohnungen in den Jahren 1979, 1982 und 1983 nicht private Vermögensverwaltung, sondern gewerblichen Grundstückshandel betrieben haben.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet.
Die Kläger stützen ihr Begehren auf Zulassung der Revision gegen das klagabweisende Urteil des FG auf unterschiedliche Zulassungsgründe, nämlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Zur Verletzung rechtlichen Gehörs wird von den Klägern lediglich angeführt, durch die falsche Sachverhaltsdarstellung sei vom FG kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden. Die Kläger haben damit jedoch nicht dargelegt, daß sie sich im Verfahren vor dem FG nicht hinreichend äußern konnten. Aus dem von ihnen angeführten Umstand der behaupteten falschen Sachverhaltsdarstellung durch das FG ergibt sich nicht ohne weiteres, daß ihnen damit die Gelegenheit zur Äußerung - auch zum Tätigwerden des FA im Wege veranlagender Betriebsprüfung - abgeschnitten war. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist damit nicht in ordnungsgemäßer Form erhoben worden und damit unzulässig.
Gleiches gilt auch für die Rüge mangelnder Sachaufklärung. Es kann hier dahinstehen, ob die Kläger in Anbetracht der sehr knappen und nicht unbedingt eindeutigen Formulierungen in ihrer Beschwerdeschrift diese Verfahrensrüge überhaupt erheben wollten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Dezember 1978 VII R 44/76, BFHE 126, 508, BStBl II 1979, 263); denn auch hier mangelt es an dem prozessualen Erfordernis ordnungsgemäßer Erhebung der Verfahrensrüge. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung erfordert die Angabe der ermittlungsbedürftigen Punkte, die Darlegung des Ergebnisses zutreffender Sachverhaltsermittlung und insbesondere die Erläuterung, inwiefern das FG-Urteil im einzelnen auf der unterbliebenen Sachverhaltsermittlung beruht oder beruhen könnte (vgl. BFH-Beschluß vom 24. Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 1978 6 B 81/78, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 115, Rechtsspruch 202). Diesem Darlegungserfordernis sind die Kläger ersichtlich nicht nachgekommen.
2. Der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht gegeben, so daß die Beschwerde insoweit unbegründet ist. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, daß zumindest die konkrete Möglichkeit besteht, daß die als grundsätzlich angesehene Frage im Revisionsverfahren geklärt werden kann (vgl. BFH-Beschluß vom 23. Juni 1967 VI B 16/67, BFHE 89, 117, BStBl III 1967, 531). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Geht man mit den Klägern davon aus, daß die Betriebsprüfungsstelle des FA gemäß Tz. 1.4 und 1.7 der Grundsätze zur Neuorganisation der Finanzämter und zur Neuordnung des Besteuerungsverfahrens (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 4. März 1981, BStBl I 1981, 270) als ,,veranlagende Betriebsprüfung" tätig geworden sei, dann folgt hieraus nicht die von den Klägern als grundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage, ob nämlich ,,eine Würdigung des Sachverhalts durch den zuständigen Beamten im Betriebsprüfungsbericht, der der Veranlagung ohne Abstriche zugrunde gelegt wurde, einer verbindlichen Zusage im Sinne des § 204 AO 1977 gleichsteht".
Nach übereinstimmender Auffassung des Schrifttums ist die Erteilung einer Zusage gemäß § 204 der Abgabenordnung (AO 1977) an Formalien gebunden, die im Streitfall nicht gegeben sind, deren Vorliegen aber Voraussetzung dafür ist, daß die als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage einer rechtlichen Erörterung und Klärung zugeführt werden könnte. Bei der Zusage i.S. des § 204 AO 1977 handelt es sich um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt. Der Steuerpflichtige macht mit seinem Antrag deutlich, daß er in demjenigen Umfang, wie der Antrag beschreibt, eine Selbstbindung der Verwaltung erstrebt. Diese soll sich mithin in einem Umfang, der von dem Antrag des Steuerpflichtigen festgelegt wird, zu einem bestimmten künftigen Verhalten verpflichten, also in Kenntnis dieses Antragsbegehrens einen entsprechenden Bindungswillen erklären (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., AO 1977 Vor § 204 Rdnr. 6, 15, § 204 Rdnr. 4; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., AO 1977 Vor § 204 Rdnr. 19, 52, 139; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 204 AO 1977 Anm. 2; Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 3. Aufl., § 204 Rdnr. 10; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 204 Anm. 4). Einen solchen Antrag haben die Kläger im Streitfall nicht gestellt. Sie stützen sich lediglich auf die Ausführungen in Tz. 15 des Betriebsprüfungsberichts vom 12. September 1979, der ihnen nach Abschluß der Außenprüfung von Rechts wegen und nicht erst auf Antrag auszuhändigen war (vgl. § 202 AO 1977). Die in ihm enthaltene Sachverhaltsdarstellung und deren rechtliche Würdigung beruht nicht auf einem Antrag der Kläger, sondern auf der Anordnung der Außenprüfung. Damit ist festzustellen, daß es an einem Antrag, wie ihn § 204 AO 1977 zur rechtlichen Voraussetzung einer Zusage nach Maßgabe dieser Vorschrift macht, fehlt.
Die Frage, ob die steuerliche Beurteilung der Jahre 1976 und 1977 derjenigen der Jahre 1979 bis 1980 i.S. des § 174 AO 1977 widerstreitet, war in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 415408 |
BFH/NV 1988, 647 |