Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbehelfe gegen die Nichterteilung einer Zusage
Leitsatz (NV)
Begehrt ein Stpfl. die Erteilung einer verbindlichen Zusage und lehnt das FA diesen Antrag ab, so ist gegen die Ablehnung gemäß § 348 Abs. 1 Nr. 6 AO 1977 der Einspruch gegeben. Eine ohne Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobene Klage ist nur unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO zulässig.
Normenkette
AO 1977 §§ 204, 348 Abs. 1 Nr. 6; FGO § 46 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt in Sozietät. Im Anschluß an eine Außenprüfung, die im Jahre 1985 stattfand und den Prüfungszeitraum 1980 bis 1982 betraf, begehrte der Kläger mit Antrag vom 3. Oktober 1985 eine verbindliche Zusage.
Gegenstand dieser Zusage sollte der Aufteilungsmaßstab bezüglich der betrieblichen bzw. privaten Nutzung seiner Häuser in X und auf Sylt sein. Die teilweise betriebliche Nutzung hat der Kläger erstmals während der Außenprüfung geltend gemacht. Der Betriebsprüfungsbericht enthält zwar eine genaue Aufschlüsselung zur Aufteilung der Gesamtkosten. Zur Art und dem Umfang der beruflichen Nutzung, zu den rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Betriebsausgaben und zu dem vom Betriebsprüfer gefundenen Aufteilungsmaßstab (betriebliche Nutzung in X 25,8 v. H. und auf Sylt 15,6 v. H.) enthält der Betriebsprüfungsbericht keine Angaben. Die vom Betriebsprüfer vorgeschlagene Behandlung ist in die nach Betriebsprüfung ergangenen geänderten Bescheide vom 11. November 1985 übernommen worden, welche bestandskräftig sind.
Mit dem Antrag vom 3. Oktober 1985 wird vom Kläger beantragt, ihm verbindlich zuzusagen, daß der im Prüfungsbericht bezüglich der Grundstücke in X und auf Sylt ,,dargestellte Sachverhalt in Zukunft so behandelt wird, wie nach dem Ergebnis der durchgeführten Außenprüfung". Die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung sei für die geschäftlichen Maßnahmen i. S. § 204 der Abgabenordnung (AO 1977) von Bedeutung.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) lehnte mit Schreiben vom 18. Februar 1986 diesen Antrag ab. Die von der Außenprüfung für die Jahre 1980 bis 1982 festgestellten Verhältnisse seien nicht ohne weiteres auf zukünftige Veranlagungszeiträume übertragbar. Zukünftige Veränderungen könnten nicht ausgeschlossen werden.
Dem trat der Kläger mit Schreiben vom 24. März 1986 entgegen. Er erstrebe eine Zusage für einen unveränderten Sachverhalt, wie er im Prüfungsbericht dargestellt sei. Sollte der Sachverhalt sich in Zukunft ändern, habe die Zusage keine Bedeutung. Das bleibe aber abzuwarten. Er erbitte einen rechtsmittelfähigen Bescheid; hilfsweise sei die Eingabe bereits als Einspruch i. S. des § 348 Abs. 1 Nr. 6 AO 1977 zu betrachten.
Am 21. Mai 1986 erhob der Kläger Klage zum Finanzgericht (FG) mit einem inhaltlich unveränderten Antrag. Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Gegen Verwaltungsakte, die verbindliche Zusagen i. S. des § 204 AO 1977 beträfen, sei das Rechtsmittel des Einspruchs gegeben (§ 348 Abs. 1 Nr. 6 AO 1977). Eine Klage gegen einen solchen Verwaltungsakt setze die Durchführung des Einspruchsverfahrens voraus (§ 44 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Streitfall fehle es an diesem Vorverfahren. Entweder nehme man an, daß das ablehnende FA-Schreiben vom 18. Februar 1986 eine formlose Information des Klägers gewesen sei; dann fehle es schon an einem den Kläger belastenden Verwaltungsakt. Oder man gehe davon aus, daß das Schreiben vom 18. Februar 1986 ein Ablehnungsbescheid sei, dann habe das FA über den (hilfsweise) eingelegten Einspruch des Klägers noch nicht entschieden; somit fehle es an einer Einspruchsentscheidung.
Ohne Vorverfahren sei eine Klage gemäß § 46 FGO nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs zulässig. Diese Frist werde erst am 24. September 1986 (d. h. erst einen Monat nach der vorliegenden Entscheidung des FG vom 26. August 1986) ablaufen.
Wegen dieser Abweisung der Klage vor Ablauf der Sechsmonatsfrist hat das FG zusätzlich geprüft, ob eine Aussetzung des Verfahrens nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO zu erwägen war. Es läßt sich dabei von der Überlegung leiten, daß die erhobene Klage durch Zeitablauf in die Zulässigkeit hineinwachsen könne. Das FG sieht jedoch keine Gründe, die eine solche Aussetzung rechtfertigen könnten. Denn die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Die verbindliche Zusage könne sich erstens nur auf einen im Betriebsprüfungsbericht dargestellten Sachverhalt beziehen. An dieser Darstellung fehle es jedoch. Zweitens läge kein Sachverhalt vor, der einer Zusage zugänglich sei. Für eine Zusage eigneten sich nur bereits verwirklichte Tatbestände mit Dauerwirkung. Das für die Jahre 1980 bis 1982 festgestellte Nutzungsverhältnis sei jedoch kein solcher Sachverhalt mit Dauerwirkung. Es könne sich jederzeit ändern. Würde eine Zusage der erstrebten Art erteilt, dann würde dem FA eine Nachweispflicht dafür auferlegt, daß sich die Verhältnisse geändert hätten und die Zusage deshalb nicht mehr greife. Damit wäre das FA aber überfordert, da es um einen Sachverhalt gehe, der sich weitestgehend in dem von ihm nicht einsehbaren Privatbereich des Klägers abspiele. Abschließend äußert das FG Zweifel daran, ob die vom Betriebsprüfer für die Jahre 1980 bis 1982 vorgeschlagene Entscheidung überhaupt Rechtens sei.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Das FA habe durch sein Verhalten vor dem FG zum Ausdruck gebracht, daß es weder einen das geäußerte Begehren betreffenden Verwaltungsakt erlassen noch ein Einspruchsverfahren eröffnen wolle. In einem solchen Falle sei das angerufene Gericht nicht gehalten, den Ablauf der Sechsmonatsfrist abzuwarten. In der endgültigen Verweigerung der Entscheidung durch das FA seien die besonderen Umstände des § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO zu sehen, bei deren Vorliegen die Klage bereits vor Ablauf der Sechsmonatsfrist erhoben werden könne.
Des weiteren sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob im Streitfall überhaupt § 44 FGO Anwendung finde. Dazu müsse es sich um eine Abgabenangelegenheit i. S. des § 347 Abs. 1 AO 1977 handeln. Um eine solche gehe es bei der erstrebten Zusage nach § 204 AO 1977 nicht.
Die angemessene Frist i. S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO, innerhalb derer das FA hätte entscheiden müssen, habe mit dem Eingang seines Schreibens vom 3. Oktober 1985 beim FA begonnen.
Das FG habe seine Entscheidung nicht darauf stützen dürfen, daß der Betriebsprüfungsbericht keine Sachverhaltsdarstellung enthalte. Das FG hätte den Sachverhalt von Amts wegen erforschen müssen. Auch die Erwägungen des FG zum Anwendungsbereich des § 204 AO 1977 seien rechtsfehlerhaft. Es sei entgegen dem FG gerade der Sinn dieser Vorschrift, das FA nachweispflichtig zu machen. Überdies sei es unzutreffend, daß ein Sachverhalt wie der des Streitfalls vom FA nicht nachprüfbar sei.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Voranzustellen ist, daß das FG zutreffend von § 46 FGO ausgegangen ist. Es kann dahinstehen, ob das FG vom Vorliegen einer Anfechtungsklage oder von einer Verpflichtungsklage ausgegangen ist, denn in beiden Fällen ist ein außergerichtliches Vorverfahren Sachurteilsvoraussetzung. Der Kläger hat den Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts begehrt, und das FA hatte dies abgelehnt. Dieser Bescheid (vom 18. Februar 1986) war mit Gründen versehen. Daß die Rechtsmittelbelehrung fehlte, hat nur für den Lauf der Rechtsmittelfrist Bedeutung. Der Kläger hat gegen den ablehnenden Bescheid Einwendungen erhoben und erklärt, er wolle dieses Schreiben (vom 24. März 1986) als Einspruchsschreiben gewertet wissen, falls das FA nicht noch einen rechtsmittelfähigen Bescheid nachschiebe. Bereits zwei Monate später erhob der Kläger, ohne eine Antwort des FA abzuwarten, die Klage zum FG. Sein Klagantrag ist auf die Erteilung der von ihm erstrebten Zusage i. S. des § 204 AO 1977 gerichtet. Hierin ist die Erhebung einer Verpflichtungsklage zu sehen, die wegen Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsakts erhoben worden ist. Obwohl die vom FA erfolgte Ablehnung des Erlasses eines begünstigenden Verwaltungsakts selbst Verwaltungsakt ist, ist es überflüssig, die Verpflichtungsklage mit einer Anfechtungsklage zu verbinden (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rdnr. 4). Die Frage einer isolierten Anfechtungsklage stellt sich angesichts des Klageantrags nicht.
Die erhobene Verpflichtungsklage setzt ein Vorverfahren voraus und ist fristgebunden (§ 47 Abs. 1 Satz 2, § 44 Abs. 1 FGO). Die Fristgebundenheit scheidet vorliegend wegen fehlender Rechtsmittelbelehrung aus. Die Notwendigkeit eines Vorverfahrens ergibt sich aus § 348 Abs. 1 Nr. 6 AO 1977. Dies ist im Streitfall unterblieben. Von der Möglichkeit einer Untätigkeitsbeschwerde nach § 349 Abs. 2 AO 1977 mit anschließender Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 2 FGO hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Unter diesen Umständen konnte der Kläger aber gleichwohl Klage erheben, falls die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO gegeben waren.
2. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht dargetan. Für die Prüfung ist maßgeblich, daß das anzufechtende Urteil auf dieser Grundsatzfrage beruht, diese also nicht hinweggedacht werden könnte, ohne daß das Urteil entfiele.
a) Das FG hält die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO für nicht gegeben. Das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, daß die der Verwaltung eingeräumte angemessene Frist grundsätzlich sechs Monate beträgt. Eine Fristabkürzung betreffend Klageerhebung kommt nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht.
Hierauf bezieht sich das erste Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde. Eine grundsätzliche Bedeutung, die im Streitfall die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, ist jedoch nicht erkennbar. Dazu müßte ihr eine über den Streitfall hinausweisende Bedeutung zukommen. Eine solche Aussage wäre jedoch von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht zu erwarten, weil die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der besonderen Umstände i. S. des § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO von der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls abhängt. Der Kläger hat hierzu nur vorgetragen, die besonderen Umstände lägen in der endgültigen Verweigerung einer Entscheidung durch das FA. Zu dieser Beurteilung ist er allerdings bereits nach einem nur zweimonatigen Zuwarten auf die Verbescheidung durch das FA gekommen. Bei einer derartigen krassen Unterschreitung der Sechsmonatsfrist und zusätzlich bei dem gegebenen Mangel an Angaben, daß eine so zeitige Entscheidung des FA aus der Sicht des Klägers als dringlich angesehen werden mußte, könnte von einer Revisionsentscheidung des BFH keine Klärung einer allgemein bedeutsamen Grundsatzfrage erwartet werden.
b) Mit dem Vorbringen, der Streit um die Erteilung einer Zusage nach § 204 AO 1977 sei kein Streit in einer Abgabenangelegenheit, trägt der Kläger keine im Revisionsverfahren grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage vor. Die Rechtslage ist eindeutig. Sie ergibt sich aus der ausdrücklichen Benennung des Rechtsstreits um eine Zusage in § 348 Abs. 1 Nr. 6 AO 1977.
c) Inwieweit der Hinweis des Klägers, die angemessene Frist i. S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO habe am 3. Oktober 1985 zu laufen begonnen, zu einer klärungsbedürftigen Grundsatzfrage hinführen soll, ist offengeblieben. Diese Rüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben.
d) Das restliche Vorbringen bezieht sich auf § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO, demzufolge dem FG die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens zu Gebote steht. Eine solche Entscheidung des FG betrifft die Handhabung des Verfahrens, ist also in erster Linie mit einer Verfahrensrüge anzugreifen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Der Kläger wendet sich vielmehr einer Rechtsfrage zu, die möglicherweise im Falle einer zulässigen Klage zu prüfen wäre. Die Erwägungen des FG stehen jedoch allein unter dem Obersatz, daß eine Aussetzung des Verfahrens nicht geboten gewesen sei. Hierzu ist vom Kläger nicht dargetan, welche grundsätzliche Rechtsfrage mit der prozessualen Entscheidung des FG, das Verfahren nicht auszusetzen, verbunden sein sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 423931 |
BFH/NV 1989, 558 |