Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Statthaftigkeit einer PKH-Beschwerde
Leitsatz (NV)
Eine PKH-Beschwerde ist jedenfalls dann statthaft, wenn das FG über den Antrag auf PKH mit Abschluß der Instanz entschieden hat, so daß dem Antragsteller die Einlegung der Beschwerde vorher nicht möglich war (Anschluß an BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838).
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114, 127
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erhob in Sachen Einkommensteuer 1984 am 7. März 1990 Klage. Sein Prozeßbevollmächtigter stellte am 1. Juni 1993 einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren. Am 9. Juni 1993 reichte er eine nicht datierte, vom Antragsteller nicht unterschriebene Erklärung über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse ein. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 1993 sagte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) zu, den angefochtenen Bescheid zu ändern. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das Finanzgericht (FG) traf die Kostenentscheidung. Es erlegte dem Antragsteller und dem FA die Kosten je zur Hälfte auf.
Den Antrag auf PKH hat das FG mit Beschluß vom 15. Juni 1993 abgelehnt, weil es mangels Unterschrift auf der abgegebenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht überprüfen könne, ob dieser die Kosten des Rechtsstreits aufbringen könne.
Mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, hat der Antragsteller die von ihm mit Datum 15. Juni 1993 versehene und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig.
Zwar ist gemäß § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 127 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH durch das FG nicht statthaft, wenn das zugehörige Hauptverfahren nicht (mehr) an den Bundesfinanzhof (BFH) gelangen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Mai 1982 VIII B 1/82, BFHE 136, 53, BStBl II 1982, 600; vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838; vom 18. Januar 1991 VI B 134/89, BFH/NV 1991, 475, und - zur Rechtslage nach Neufassung des § 127 Abs. 2 ZPO durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990, BGBl I 1990, 2847 - vom 24. Juli 1992 VI B 6/92, BFH/NV 1992, 835); dies ist vorliegend der Fall, weil die Hauptsache erledigt und die Kostenentscheidung durch das FG unanfechtbar ist (§ 128 Abs. 4 FGO n.F.; Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs; BFH-Beschlüsse vom 15. Juli 1986 I B 26/86, BFH/NV 1987, 449, und in BFH/NV 1991, 475). Der Senat läßt offen, ob die vorstehenden Grundsätze auch gelten, wenn die Gewährung der PKH nicht mangels Erfolgsaussicht, sondern wegen fehlender Hilfsbedürftigkeit abgelehnt wird (vgl. Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 1991, 3 WF 114/91, Monatschrift für Deutsches Recht 1991, 895). Die Beschwerde ist vorliegend aber jedenfalls deshalb statthaft, weil das FG über den Antrag auf PKH mit Abschluß der Instanz entschieden hat, so daß dem Antragsteller die Einlegung der Beschwerde vorher nicht möglich war (BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838; vgl. auch Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 51. Aufl., § 127 Anm. 65).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH. Einem solchen Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 24. November 1980 (BGBl I 1980, 2163) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO).
Der Senat kann offenlassen, ob er sich der vom Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluß vom 10. Juli 1985 IVb ZB 47/85 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1986, 62) vertretenen Auffassung anschließen könnte, daß das Fehlen der Unterschrift auf der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnise unschädlich ist, wenn feststeht, daß die Erklärung von der Partei stammt. Denn die beim FG eingereichte Erklärung des Antragstellers weist weitere Mängel auf, die die Entscheidung des FG als rechtmäßig erscheinen lassen. Da die Erklärung kein Datum enthielt, war nicht erkennbar, ob es sich um zeitnahe Angaben handelte. Darüber hinaus fehlten Angaben zum Vermögen des Antragstellers. Die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten im Antrag vom 1. Juni 1993, daß der Antragsteller über kein Vermögen verfüge, ist angesichts der genauen Fragen zu den einzelnen Vermögenswerten im Erklärungsvordruck nicht ausreichend.
Für das FG bestand kein Anlaß, den durch einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater vertretenen Antragsteller auf die fehlenden Angaben hinzuweisen. Die Verpflichtung des Gerichts, einen Antragsteller auf die Ergänzungsbedürftigkeit seiner Angaben hinzuweisen, besteht allenfalls dann, wenn er erkennbar und in einer ihm zumutbaren Weise seine Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. April 1988 X B 180/87, BFH/NV 1989, 122 und vom 9. Januar 1992 III B 96/91, BFH/NV 1992, 834, jeweils m.w.N.). Dies ist jedenfalls nicht der Fall, wenn im Vordruck der Abschnitt mit den Fragen über das Vermögen gar nicht ausgefüllt wird. Im übrigen kann auch nicht außer Betracht bleiben, daß der Antragsteller den Antrag auf PKH erst ca. einen Monat nach Erhalt der Ladung und 14 Tage vor der mündlichen Verhandlung gestellt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst auf Anforderung des Gerichts sechs Tage vor der mündlichen Verhandlung eingereicht hat. Bei diesem Verhalten konnte der Antragsteller nicht erwarten, daß ihm für den Rechtszug PKH gewährt werden würde. Die Bewilligung von PKH wirkt grundsätzlich nur für die Zukunft. PKH kann ausnahmsweise rückwirkend bis zu dem Zeitpunkt gewährt werden, in dem der Antragsteller mit seinem Antrag alles für ihre Bewilligung Erforderliche getan hat (vgl. BGH-Beschluß vom 6. Dezember 1984 VII ZR 223/83, NJW 1985, 921, und BFH-Beschluß in BFH/NV 1992, 834).
Daß der Kläger im Beschwerdeverfahren Datum und Unterschrift nachgeholt und weitere Angaben zu den Verbindlichkeiten gemacht hat, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Rückwirkend kann PKH für die Vorinstanz nur dann gewährt werden, wenn der Antrag in der Vorinstanz ordnungsgemäß gestellt worden war und darüber vor Beendigung der Instanz positiv hätte entschieden werden können. Diese Voraussetzungen liegen - wie dargelegt - nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 419556 |
BFH/NV 1994, 655 |