Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenzrüge; Zulassung wegen Verfahrensfehlern
Leitsatz (NV)
1. Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen. Die (mögliche) Unrichtigkeit eines Urteils im Einzelfall rechtfertigt noch nicht eine Zulassung der Revision, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen.
2. Zur ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) bedarf es der Darlegung, welche Fragen tatsächlicher Art aufklärungsbedürftig waren, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG ungenutzt ließ, warum der Beschwerdeführer nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum sich die Notwendigkeit der Beweiserhebung jedoch dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
3. Die Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung bezeichnet keinen Verfahrensmangel; die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen der Verfahrensrevision entzogen.
Normenkette
FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 160
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 25.09.2003; Aktenzeichen 15 K 2233/00) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vermittelt Versicherungen. Streitig ist der Abzug von Provisionszahlungen und Darlehenszinsen an eine in der Schweiz ansässige … AG, mit der der Kläger ein Baufinanzierungsmodell ("… Modell") entwickelt hatte. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Zahlungen nicht. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Abzug scheitere schon daran, dass der Kläger den Empfänger der Zahlungen nicht ausreichend benannt habe. Auch M, an den die AG die Zahlungen weitergeleitet haben soll, könne nicht als Empfänger der fraglichen Zahlungen angesehen werden.
Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision.
1. Das FG habe die Art dieses Finanzierungsmodells und den Einsatz der AG, die in erheblichem Umfang werbend tätig geworden sei, verkannt. Die AG sei keine Domizilgesellschaft gewesen. Das FG-Urteil beruhe auf der gegenteiligen Rechtsauffassung und weiche deshalb von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. August 1999 XI R 51/98 (BFH/NV 2000, 299) ab. Das FA habe den Kläger nicht zur Benennung der hinter dem Zahlungsempfänger stehenden Person auffordern dürfen; insoweit weiche das FG-Urteil von der BFH-Entscheidung vom 17. Oktober 2001 I R 19/01 (BFH/NV 2002, 609) ab. Darüber hinaus verstoße das FG-Urteil gegen das BFH-Urteil vom 10. November 1998 I R 108/97 (BFHE 187, 211, BStBl II 1999, 121), da der Kläger den durch den BFH festgelegten Anforderungen Folge geleistet und den Empfänger benannt habe.
2. Im Übrigen habe der Kläger seine Verpflichtung gemäß § 160 der Abgabenordnung (AO 1977) erfüllt. Hinsichtlich der Weiterleitung der Zahlungen habe das FG fehlerhafte Feststellungen getroffen; hätte es die Darstellungen des Klägers berücksichtigt, wäre es zu der Entscheidung gekommen, dass eine direkte Weiterleitung stattgefunden habe. Somit beruhe das FG-Urteil auch auf dem Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung.
3. Das FG habe den Zahlungsfluss falsch dargestellt; alle Zahlungen stimmten mit den Barabhebungen des Klägers und den Quittungen der AG überein. Das FG habe die vorgelegten Beweise nicht ausreichend gewürdigt und damit seiner Aufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht entsprochen. Das FG habe es unterlassen, ordnungsgemäß aufzuklären, wie das … Modell funktioniert habe. Fehlerhaft habe das FG den Sachverhalt dahin interpretiert, dass der Kläger in Deutschland nur in eigenem Namen aufgetreten sei; auch insoweit hätte das FG weitere Nachforschungen anstellen müssen.
4. Die verfahrensrechtlichen Mängel hätten sich auf die Beweisführung und Entscheidungsfindung ausgewirkt. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger vorgetragen, dass hinsichtlich der Domizilgesellschaft nicht genügend Beweismittel berücksichtigt worden seien. Der angebotenen Inaugenscheinnahme der Räumlichkeiten der AG sei nicht nachgegangen worden. Bei dieser Inaugenscheinnahme hätte sich herausgestellt, dass eigene Büroräume vorhanden gewesen seien und eine eigene wirtschaftliche Betätigung stattfinde. Auch sei in der mündlichen Verhandlung ein Internetformular vorgelegt worden, aus dem die Tätigkeit der AG vor Ort ersichtlich gewesen sei.
Das FA hält die Beschwerde für unzulässig. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung habe der Kläger keine entsprechenden Beweisanträge gestellt. Die Einwendungen stellten keine verfahrensrechtlichen Einwendungen dar, sondern materiell-rechtliche Mängel bei der Beweiswürdigung und der Entscheidungsfindung. Das angegriffene Urteil beruhe nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung des BFH.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet und damit insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
Gemäß § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
1. Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Divergenzrüge) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt worden. Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. BFH-Beschluss vom 4. März 2004 XI B 48/02, noch nicht veröffentlicht, zitiert nach juris). Der Kläger macht indes nur geltend, dass das FG-Urteil von den BFH-Urteilen in BFH/NV 2000, 299, in BFH/NV 2002, 609 und in BFHE 187, 211, BStBl II 1999, 121 abweiche. In all diesen Entscheidungen wird im Übrigen verlangt, dass bei Zwischenschaltung einer Domizilgesellschaft der hinter ihr stehende Dritte als Empfänger benannt werden muss. Das FG ist von dieser Rechtsprechung ausgegangen und hat die Klage deshalb abgewiesen, weil die AG eine Domizilgesellschaft im Sinne des BFH-Urteils in BFH/NV 2000, 299 sei und der wirkliche Empfänger der Zahlungen letztlich nicht ausreichend benannt worden sei. Die (mögliche) Unrichtigkeit eines Urteils im Einzelfall rechtfertigt noch nicht eine Zulassung der Revision, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 54 f., m.w.N.).
2. Zur ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) bedarf es der Darlegung, welche Fragen tatsächlicher Art aufklärungsbedürftig waren, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG ungenutzt ließ, warum der Beschwerdeführer nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum sich die Notwendigkeit der Beweiserhebung jedoch dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH-Beschluss vom 11. Juli 2003 XI B 68/01, BFH/NV 2003, 1567).
a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist das FG nicht verpflichtet, dessen Darstellungen zu übernehmen. Auch führt die nach Ansicht des Klägers unzureichende Beweiswürdigung der Barabhebungen nicht zu einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht. Die Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung bezeichnet keinen Verfahrensmangel; die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen der Verfahrensrevision entzogen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82, m.w.N.). Ebenso begründet die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Aufklärung, wie das … Modell funktioniert habe, nicht den Mangel notwendiger Beweiserhebung, die sich dem FG hätte aufdrängen müssen, sondern könnte (gegebenenfalls) Gegenstand einer fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts sein. Schließlich ist nicht ersichtlich, weshalb sich aus dem Umstand, dass auf dem Briefkopf des Klägers als auch auf seiner Visitenkarte ein Hinweis auf die AG angebracht war, eine andere Entscheidung ergeben hätte.
b) Soweit der Kläger in dem Schriftsatz vom 26. Februar 2004 erstmals rügt, dass der angebotenen Inaugenscheinnahme der Räumlichkeiten der AG nicht nachgegangen worden sei, ist dieser Vortrag schon deswegen unbeachtlich, weil die Gründe für die Zulassung der Revision innerhalb der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist in der gebotenen Form hätten dargelegt werden müssen (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 22, m.w.N.).
Fundstellen