Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfehlerhaft übergangener Beweisantrag
Leitsatz (NV)
1. Wird einem in der (letzten) mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nicht entsprochen, ist der Antragsteller nicht gehalten, dies noch in der Verhandlung zu rügen.
2. Ein Beweisantrag zu einer entscheidungserheblichen Tatfrage ist nicht schon deshalb unbeachtlich, weil andere bereits ermittelte Umstände gegen die Richtigkeit der Beweisbehauptung sprechen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 6
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 28.03.2007; Aktenzeichen 8 K 3406/05) |
Gründe
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Im Streit ist, ob dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Streitjahr (1992) Kapitaleinnahmen zugeflossen sind, indem er einen zur Zahlung an ihn fälligen Geldbetrag zu einem Teilbetrag erneut seinem betrügerisch nach dem Schneeballsystem handelnden Schuldner --im Wege der Darlehensprolongation oder Novation-- zur Verfügung gestellt hat. Der Kläger bestreitet den Zufluss von Kapitaleinnahmen, da der Schuldner weder zahlungsfähig noch ‐willig gewesen sei. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die zulässige Beschwerde ist begründet, da das angefochtene Urteil unter dem gerügten Verfahrensfehler des Übergehens eines Beweisantrags leidet (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger Beweisanträge gestellt und die Vertagung der Sache angeregt. Aus den zutreffenden Gründen des vorinstanzlichen Urteils sind die Anträge zu 1. und 3. nicht entscheidungserheblich. Hingegen durfte die Beweisaufnahme zum Antrag zu 2. nicht abgelehnt werden. Da der Beweisantrag in der (letzten) mündlichen Verhandlung gestellt worden ist, bedurfte es keiner ausdrücklichen Rüge des Verfahrensfehlers noch in der Verhandlung (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 103). Im Streitfall kommt es darauf an, ob der Schuldner des Klägers im maßgeblichen Zeitraum Anfang Juni 1992 noch zahlungsfähig war oder aber bereits zahlungsunfähig. Wie das Finanzgericht (FG) zutreffend ausgeführt hat, ist als Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen (s. Senatsbeschluss vom 24. Mai 2005 VIII B 165/03, BFH/NV 2005, 1786, m.w.N.). Der Beweisantrag des Klägers hat diese Frage nach der Zahlungsunfähigkeit zum Gegenstand. Die vom FG angeführten Umstände sprechen zwar für eine zunächst noch bestehende Zahlungsfähigkeit des Schuldners des Klägers. Es kann nach Aktenlage aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine dem Antrag entsprechende Beweisaufnahme durch Vernehmung des in Sachen des Schuldners tätig gewordenen Mitarbeiters des Insolvenzverwalters zu einer anderen Beurteilung führt. Deshalb liegt in der Ablehnung der Beweisaufnahme zugleich eine verfahrensfehlerhafte Vorwegnahme der Beweiswürdigung (s. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 80, m.w.N.; ausf. Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 26 und 29, m.w.N.).
Der Beweisantrag des Klägers ist auch hinreichend substantiiert, um den "Gegenstand der Vernehmung" zu bestimmen (vgl. hierzu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Februar 2007 VI B 118/04, BFHE 216, 409, BStBl II 2007, 538, m.w.N.). Da das FG die Ablehnung des Antrags nicht auf fehlende Substantiierung gestützt hat, bedarf es hierzu keiner weiteren Ausführungen.
Aus diesen Gründen war das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO). Darauf, dass die vom Kläger erhobene Divergenzrüge zumindest unbegründet ist, kommt es in diesem Zusammenhang ebenso wenig an wie auf die Einwände gegen die materielle Richtigkeit des Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können.
Bei Durchführung der Beweisaufnahme wird das FG nach dem Maßstab der oben wiedergegebenen Definition der Zahlungsunfähigkeit insbesondere auch klären müssen, ob und aus welchen Gründen der benannte Zeuge Einsicht in die finanziellen Verhältnisse des Schuldners des Klägers zum Zeitpunkt der vom FG alternativ angenommenen Darlehensprolongation oder Novation hatte.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab. Die Begründungserleichterung bei Stattgabe der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO) gilt auch für Zurückverweisungen nach § 116 Abs. 6 FGO (BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 2007 VIII B 154/06, BFH/NV 2007, 1910; vom 26. Januar 2001 VI B 156/00, BFH/NV 2001, 808).
Fundstellen