Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge mangelnder Sachaufklärung
Leitsatz (NV)
Zur Rüge mangelnder Sachaufklärung gehört auch der Vortrag, welcher Sachverhalt nach Auffassung des Beschwerdeführers der zutreffende Sachverhalt gewesen wäre, welche (weiteren) Maßnahmen zur Aufklärung dieses Sachverhalts das FG hätte vornehmen sollen und inwiefern das Urteil des FG ohne den gerügten Verfahrensmangel anders hätte ausfallen können.
Normenkette
FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Der behauptete Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung (§115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. §76 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) ist nicht den formellen Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend gerügt.
Wird als Verfahrensmangel die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§76 FGO) geltend gemacht, so ist darzulegen, welche Tatsachen unaufgeklärt geblieben sind, obwohl sie aufklärungsbedürftig waren, und anzugeben, aus welchen Umständen sich dem Gericht auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 23. April 1992 II B 174/91, BFH/NV 1993, 243, m. w. N.). Da es sich bei dem Verfahrensmangel der Verletzung der Amtsermittlungspflicht um einen verzichtbaren Mangel handelt, hätte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auch vortragen müssen, daß sie die ihrer Ansicht nach unzureichende Sachaufklärung vor dem Finanzgericht (FG) gerügt hat oder daß ihr eine derartige Rüge nicht möglich gewesen war (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397, und vom 28. Oktober 1993 V B 123/92, BFH/NV 1995, 308). Darlegungen dieser Art sind für die Rüge mangelnder Sachaufklärung erforderlich, weil gemäß §155 FGO i. V. m. §295 der Zivilprozeßordnung die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden kann, wenn der Beteiligte den Mangel vor dem FG nicht gerügt hat, obwohl er dazu Gelegenheit gehabt hätte und ihm der Mangel bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom 4. Oktober 1974 III R 127/73, BFHE 113, 470, BStBl II 1975, 302, und Beschluß vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562). Eine entsprechende Rüge ist jedenfalls dann erforderlich, wenn der Beteiligte im finanzgerichtlichen Verfahren durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten war (BFH-Urteil vom 13. März 1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757). Ferner hätte die Klägerin darlegen müssen, welche Maßnahmen zur weiteren Sachaufklärung aus ihrer Sicht notwendig gewesen wären und inwiefern die als unterlassen gerügte Sachaufklärung zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694, und vom 9. März 1993 III B 32/91, BFH/NV 1993, 675).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht. Die Klägerin hat nicht schlüssig vorgetragen, daß sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 26. Juli 1995, auf die das Urteil ergangen ist, den behaupteten Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung selbst oder durch ihren Prozeßbevollmächtigten gerügt hat. Sie behauptet zwar, sie habe auf die Problematik der möglichen Tatbestandswirkung der Bemessungsgrundlagen im Hinblick auf den Steuerfahndungsbericht und ein Steuerstrafverfahren in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Sie bezieht sich aber offensichtlich auf eine Erklärung ihres getrennt veranlagten Ehemannes in dessen Verfahren vor dem FG, der geltend gemacht habe, daß "er zutreffende Bemessungsgrundlagen u. a. im Hinblick auf die Klärung der Rechtsverhältnisse mit seiner Krankenkasse und anderer Stellen benötige". Aus dem Sitzungsprotokoll des FG vom 26. Juli 1995 ergibt sich indessen weder ein Hinweis auf einen solchen Sachvortrag der Klägerin noch darauf, daß eine Rüge mangelnder Sachaufklärung in der mündlichen Verhandlung erhoben wurde. Daß das Sitzungsprotokoll unzutreffend sei, hat die Klägerin weder behauptet noch hat sie eine Protokollberichtigung beantragt.
Die Klägerin hat auch nicht dargetan, inwiefern das Urteil des FG ohne den gerügten Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, welcher Sachverhalt nach ihrer Auffassung der zutreffende Sachverhalt gewesen wäre und welche weiteren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung das FG hätte vornehmen müssen. Die unsubstantiierte Behauptung, das FG hätte wegen "möglicher Tatbestandswirkung" des Berichts der Steuerfahndung auf ein Steuerstrafverfahren wegen Steuerhinterziehung die richtigen Besteuerungsgrundlagen ermitteln müssen, geht schon deshalb fehl, weil das Strafverfahren im Zeitpunkt des Ergehens des FG- Urteils rechtskräftig abgeschlossen war.
Mit dem Vortrag, das FG habe für die Streitjahre 1984 und 1985 zu Unrecht eine Beschwer verneint und dem Hinweis auf das zu einem anderen Sachverhalt ergangene BFH-Urteil vom 20. Dezember 1994 IX R 124/92 (BFHE 176, 409, BStBl II 1995, 628), wendet sie sich gegen die vermeintliche Fehlerhaftigkeit des Urteils. Soweit damit gerügt werden soll, das FG habe für die Streitjahre 1984 und 1985 zu Unrecht durch Prozeßurteil entschieden (vgl. BFH-Entscheidung vom 13. Oktober 1994 I B 109/94, BFH/NV 1995, 788, 789), fehlt es an einem schlüssigen Vortrag. Die Klägerin hat nicht dargetan, für welchen sie betreffenden steuerlichen oder außersteuerlichen Sachverhalt der Ansatz der nicht bindend festgestellten (vgl. §157 Abs. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --), möglicherweise unzutreffenden Besteuerungsgrundlagen "Tatbestandswirkung" haben könnte. Da es hieran im Streitfall fehlt, konnte die Verfahrensrüge mangelhafter Sachaufklärung keinen Erfolg haben (vgl. dazu auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §120 Rz. 40).
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 66839 |
BFH/NV 1998, 472 |