Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederholende Verfügung des FA nach Gerichtsurteil
Leitsatz (NV)
1. Es ist nicht verfahrensfehlerhaft, wenn das Finanzgericht die Klage gegen einen Steuerbescheid als unzulässig abweist, in dem das FA die zuvor durch das Gericht bereits im Urteilstenor selbst festgesetzte Steuer erneut festsetzt. Denn sollte es sich nicht nur um eine wiederholende Verfügung ohne Regelungscharakter handeln, fehlt jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis. Dieses besteht lediglich dann, wenn das FA eine höhere als die vom Gericht bestimmte Steuer festgesetzt hat.
2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht deshalb vor, weil sich aus dem Sitzungsprotokoll nicht ergibt, wie lange ein Gericht auf den Kläger gewartet hat, wenn dieser zur Verhandlung überhaupt nicht erschienen ist.
Normenkette
FGO § 91 Abs. 2, § 100 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 27.04.2006; Aktenzeichen 15 K 4304/05) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt.
Da der Kläger die Umsatzsteuererklärungen für 1998 und 1999 (Streitjahre) nicht fristgerecht beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) abgegeben hatte, erließ dieses am 5. März 2001 Schätzungsbescheide, gegen die der Kläger Einspruch einlegte.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens folgte das FA den nachgereichten Erklärungen im Wesentlichen, setzte aber einen geschätzten Anteil privater PKW-Nutzung als Eigenverbrauch an.
In dem hiergegen gerichteten Klageverfahren entschied das Finanzgericht (FG) durch rechtskräftige Urteile vom 18. Februar 2004, dass der Eigenverbrauch niedriger zu bemessen sei. Die Höhe der Umsatzsteuer 1998 und 1999 setzte es im Tenor der Urteile selbst betragsmäßig fest.
Daraufhin erließ das FA am 18. März 2004 zwei auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützte "Änderungsbescheide" mit Rechtsmittelbelehrung, in denen es die Umsatzsteuer in derselben Höhe festsetzte. In den Erläuterungen vermerkte es jeweils: "Die Änderung erfolgt aufgrund des Urteils des FG Köln vom …"
Hiergegen wandte sich der Kläger erneut mit Einsprüchen und führte zur Begründung aus, den Bescheiden sei nicht zu entnehmen, welches Zahlenmaterial der Änderung zugrunde liege. Soweit sich das FA auf das Urteil des FG beziehe, sei dies unsinnig, weil die Berechnungen des FG falsch seien.
Nachdem das FA den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen hatte, weil vor dem Hintergrund der bereits durch das FG rechtskräftig festgesetzten Umsatzsteuer dem Einspruch das Rechtsschutzbedürfnis fehle, wies das FG die Klage als unzulässig ab. Zur Begründung führte es aus, das FA habe in seinen Bescheiden keine Regelung getroffen. Es handele sich lediglich im Anschluss an die bereits vom Gericht getroffene Festsetzung um eine wiederholende Verfügung, um eine "in die Form von Bescheiden gekleidete nochmalige Betragsfestsetzung". Selbst wenn man der Auffassung sei, das FA habe durch den Bescheid den Anschein eines Verwaltungsaktes gesetzt, der aufgrund der ergangenen Einspruchsentscheidung im Klageverfahren überprüft werden könne, sei die Klage jedenfalls mangels Beschwer als unzulässig zu verwerfen. Denn die Aufhebung der Bescheide würde nicht zu einer Besserstellung des Klägers führen, weil dann die in den FG-Urteilen getroffenen Steuerfestsetzungen fortgelten würden. Wegen der Rechtskraft der Urteile sei auch eine nochmalige inhaltliche Überprüfung der Urteile nicht möglich. Ob der Kläger zu Recht die fehlende Zuständigkeit des FA (wegen eines zwischenzeitlichen Umzugs) gerügt habe, sei nach § 127 AO unerheblich.
Entscheidungsgründe
II. Die auf Verfahrensfehler gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision u.a. dann zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler tatsächlich nicht vorliegen.
1. Das FG hat nicht das rechtliche Gehör verletzt, weil es die Ordnungsmäßigkeit der Ladung nicht in den Urteilsgründen, sondern nur im Sitzungsprotokoll festgestellt hat. Gemäß § 105 Abs. 2 FGO gehören zum Inhalt eines Urteils das Rubrum, die Urteilsformel, der Tatbestand und die Rechtsmittelbelehrung. Eine Feststellung über die Ordnungsmäßigkeit der Ladung eines ausgebliebenen Klägers gehört nicht dazu. Diese kann im Sitzungsprotokoll erfolgen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Dezember 2003 VII B 358/02, BFH/NV 2004, 531). Entgegen der Behauptung des Klägers ist diese Feststellung auch im Sitzungsprotokoll tatsächlich erfolgt (Bl. 61, 63 FG-Akte).
2. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist der Hinweis des FG im Sitzungsprotokoll für die Ordnungsmäßigkeit der Ladung auf die "PZU vom 25.3.2006 Blatt 48 der Akte" (laut Sitzungsprotokoll: Blatt 54) nicht unbestimmt, sondern eindeutig.
3. Eine Ladung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil in ihr entgegen § 91 Abs. 2 FGO der Hinweis fehlte, dass beim Ausbleiben des Klägers auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne. Denn in der Umladung ist auf die ursprüngliche Ladung verwiesen worden, die diesen Hinweis enthält, was ausreichend ist (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 531, und vom 19. Januar 2007 VII B 137/06, BFH/NV 2007, 1143). Im Übrigen kann dahinstehen, ob ein Kläger, der von Beruf Rechtsanwalt ist, sein Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung und damit die Verletzung des rechtlichen Gehörs mit der Unkenntnis über die Entscheidungsmöglichkeit des Gerichts auch bei unentschuldigtem Ausbleiben begründen könnte.
4. Es ist auch nicht verfahrensfehlerhaft, wenn sich aus dem Sitzungsprotokoll nicht ergibt, wie lange das FG auf das Erscheinen des Klägers gewartet hat und um welche Uhrzeit das FG sein Nichterscheinen festgestellt hat. Denn eine eventuelle Verletzung der Wartepflicht kann nicht kausal gewesen sein für die Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn der Kläger überhaupt nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 7. Februar 2007 V B 108, 109, 110/06, BFH/NV 2007, 870).
5. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist auch darin kein Verfahrensfehler zu finden, dass das FG die Klage entweder bereits mangels Verwaltungsaktsqualität der "Bescheide" oder jedenfalls mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig abgewiesen hat und das FA keine substantiierte Stellungnahme zu den zahlreichen Rügen des Klägers abgegeben hat. Über die Zulässigkeit einer Klage entscheidet das Gericht als Sachurteilsvoraussetzung von Amts wegen.
6. Das FG hat auch nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil es die Klage durch Prozessurteil abgewiesen hat. Hierbei kann dahinstehen, ob es sich bei den Verfügungen des FA vom 18. März 2004 wegen ihrer Bezeichnung als Bescheide und den Rechtsmittelbelehrungen um Verwaltungsakte gehandelt hat oder ob sich aus dem Zusatz "Die Änderung erfolgt aufgrund des Urteils des FG Köln vom …" ersichtlich nur um wiederholende Verfügungen ohne Regelungscharakter gehandelt hat (vgl. Gräber/ von Groll, FGO, § 100 Rz 38 f.), denn die Unzulässigkeit der Klagen ergibt sich jedenfalls aus dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis. Denn durch "Steuerbescheide", die eine bereits vom Gericht durchgeführte Steuerfestsetzung nach § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO wiederholen, geht jedenfalls keinerlei selbständige Rechtsbeeinträchtigung aus. Ein Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich lediglich dann, wenn die Verwaltung eine höhere, als die vom Gericht bestimmte Steuer festgesetzt hat. Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen.
Fundstellen
Haufe-Index 1859496 |
BFH/NV 2008, 388 |