Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Bestellung als Steuerbevollmächtigte; grundsätzliche Bedeutung; Divergenz; Verletzung des Rechts auf Gehör
Leitsatz (NV)
- Nach § 2 Abs. 2 Buchst. a StSHStdBhAnO wird für die Zulassung zu einem steuerberatenden Beruf eine mindestens 10-jährige steuerrechtliche Berufserfahrung im Anschluss an die Lehrzeit verlangt.
- Zum Vorliegen von Divergenzen gegenüber Senatsentscheidungen, die sich mit der Rücknahme der Bestellung zu einem steuerberatenden Beruf in den neuen Bundesländern befassen.
- Zur ausreichenden Bezeichnung des Verfahrensfehlers der Verletzung des Rechts auf Gehör ist es erforderlich, auszuführen, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3; StBerG § 46 Abs. 1 S. 2; StBerV § 19 Abs. 2; StSHStdBhAnO § 2 Abs. 2 Buchst. a
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt ihre Ausbildung in den alten Bundesländern. Am 20. Januar 1981 bestand sie ihre Abschlussprüfung als Steuerfachgehilfin. Seitdem war sie bis Mitte 1990 bei verschiedenen Steuerberatern in den alten Bundesländern tätig. Daneben war sie in der Zeit von Februar 1984 bis Dezember 1987 "zeitweise an den Wochenenden und nach Dienstschluss unentgeltlich zur Vertiefung ihrer Kenntnisse im Verfahrensrecht" bei Steuerbevollmächtigten tätig.
Im Jahre 1990 versuchte die Klägerin auf verschiedenen Wegen Zugang zu einem steuerberatenden Beruf in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zu erlangen. So wandte sie sich u.a. an die Bezirksverwaltungsbehörde … und erhielt von dieser, nach einem Gespräch mit dem zuständigen Bediensteten, das angeblich Prüfungscharakter gehabt habe, und nachdem sie nachgewiesen habe, dass sie Staatsbürgerin der DDR geworden sei, am 7. September 1990 die Urkunde über ihre Bestellung als Steuerbevollmächtigte. Nach dieser vom 29. August 1990 datierenden Urkunde ist die Klägerin "gemäß der Steuerberatungsordnung vom 27.6.1990 als Steuerbevollmächtigte zum 1.10.1990 bestellt" worden. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Oberfinanzdirektion ―OFD―) nahm diese Bestellung mit Bescheid vom 12. Dezember 1991 zurück. Der dagegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1996).
Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt die Rücknahme der vorläufigen Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) für rechtmäßig.
Nach den Feststellungen des FG ist die Klägerin zwar bereits mit der ihr am 12. Juni 1990 von Mitarbeitern der Stadtverwaltung … ausgehändigten Urkunde als Helferin in Steuersachen zugelassen worden. Das habe zur Folge gehabt, dass sie gemäß § 19 Abs. 2 der Verordnung über die Hilfeleistung in Steuersachen (StBerO) vom 27. Juni 1990 (Gesetzblatt der DDR ―GBl DDR― Sonderdruck Nr. 1455) kraft Gesetzes Steuerbevollmächtigte geworden sei und die spätere Bestellung als Steuerbevollmächtigte nur noch deklaratorischen Charakter gehabt habe. Die Rechtswidrigkeit ihrer Zulassung als Helferin in Steuersachen, die sich u.a. daraus ergebe, dass sie im Zeitpunkt ihrer Zulassung nicht über die nach § 2 der Anordnung über die Zulassung zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit als Helfer in Steuersachen und die Registrierung von Stundenbuchhaltern (MdF-AnO) vom 7. Februar 1990 (GBl DDR I Nr. 12, S. 92) erforderliche langjährige (mindestens 10 Jahre) Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts verfügt habe, erfasse auch die kraft Gesetzes erfolgte Bestellung als Steuerbevollmächtigte. Die Klägerin habe zumindest die sich aus diesem Umstand ergebende Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung erkennen müssen, weil sich die von ihr nicht erfüllte Voraussetzung der 10-jährigen Berufserfahrung eindeutig aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO ergebe.
Gleiches gelte im Wesentlichen, wenn die Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte ohne Rücksicht auf ihre vorherige Zulassung als Helferin in Steuersachen überprüft werde.
Auch dann fehle es jedenfalls an der hinreichend langen praktischen Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts, die ferner auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR hätte erworben sein müssen. Außerdem sei die Klägerin weder geprüft noch von der Prüfung befreit worden, was eine weitere Voraussetzung für die Bestellung als Steuerbevollmächtigte gewesen wäre. Die Klägerin habe auch insoweit die Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung kennen müssen, weil sich zumindest hinsichtlich der erforderlichen mindestens 10-jährigen praktischen Erfahrung die Rechtslage eindeutig aus der auch insoweit anwendbaren Regelung in § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO ergeben habe.
Ein über die gesetzliche Regelung in § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG hinausgehender Vertrauensschutz sei nicht gegeben, verfassungsrechtliche Bedenken griffen nicht durch.
Mit ihrer Beschwerde, die sie auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) stützt, begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin die grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage
"Ist die Rücknahme der Bestellung einer Helferin in Steuersachen zur Steuerbevollmächtigten rechtswidrig und aufzuheben, wenn zum Zeitpunkt der Bestellung zur Steuerbevollmächtigten der Zeitraum einer mindestens zehnjährigen steuerrechtlichen berufspraktischen Erfahrung ohne Einschluss der Lehrzeit bis auf wenige Wochen erfüllt war und sich die Steuerbevollmächtigte neben ihrer nahezu zehnjährigen berufspraktischen Erfahrung ständig weiter- und fortgebildet hatte und darüber hinaus die 'ex post' Betrachtung nach einer mehr als achtjährigen beanstandungsfreien Tätigkeit als selbständige Steuerbevollmächtigte erweist, dass die seinerzeitige geringfügige Unterschreitung des Zehnjahreszeitraums zu keinem Zeitpunkt eine abstrakte oder konkrete Gefahr für die Steuerrechtspflege begründete?"
hinreichend i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat. Denn die Frage hat jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Frage nach der Auslegung der maßgebenden Vorschrift in § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht klärungsbedürftig, weil sie offensichtlich so zu entscheiden ist, wie es das FG getan hat (s. zu diesem Kriterium Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. Juli 1994 VII B 102/94, BFH/NV 1995, 229, m.w.N.). Aus § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO ergibt sich eindeutig, dass im Anschluss an die Lehrzeit eine mindestens 10-jährige steuerrechtliche Berufserfahrung erforderlich ist (BFH-Urteil vom 3. März 1998 VII R 97/97, BFH/NV 1998, 883). Diese Vorschrift lässt sich nicht dahin auslegen, dass die geforderte Voraussetzung erfüllt sein kann, wenn die Zeit von 10 Jahren mehr oder weniger geringfügig unterschritten ist. Sie lässt sich auch nicht dahin verstehen, dass sich die Zeit verkürzt, wenn der Bewerber sich intensiver als üblich um den Erwerb praktischer Erfahrung bemüht hat.
Ob die Klägerin subjektiv die sich aus der Nichtbeachtung dieser Vorschrift ergebende Rechtswidrigkeit ihrer Zulassung als Helferin in Steuersachen oder die Rechtswidrigkeit einer unabhängig davon erfolgten Bestellung als Steuerbevollmächtigte hätte kennen müssen, ist unter Berücksichtigung der umfangreichen zur Frage des Kennenmüssens bereits ergangenen Rechtsprechung des Senats hier nur noch eine Frage des konkreten Einzelfalls und daher ohne grundsätzliche Bedeutung.
2. Die von der Klägerin behaupteten Divergenzen liegen unabhängig davon, ob sie noch als ausreichend bezeichnet erachtet werden können, entweder nicht vor oder sind jedenfalls nicht entscheidungserheblich.
a) Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob die behauptete Abweichung des angefochtenen Urteils gegenüber der Senatsentscheidung vom 25. Februar 1997 VII R 94/96 (BFH/NV 1997, 532) vorliegt. Sie ist jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil sie sich auf die Voraussetzung "Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR" bezieht, während das FG seine Entscheidung tragend damit begründet hat, dass der Klägerin die von § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO geforderte Zeit (mindestens 10 Jahre) praktischer steuerrechtlicher Erfahrung gefehlt habe.
b) Hinsichtlich der Senatsentscheidung vom 26. September 1995 VII R 19/94 (BFH/NV 1996, 369) ist die behauptete Abweichung zwischen den einander gegenübergestellten Rechtssätzen nicht ersichtlich. In beiden Rechtssätzen kommt im Ergebnis das Gleiche zum Ausdruck, nämlich, dass die Regelung in § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht gegen das grundgesetzlich gesicherte Rückwirkungsverbot verstößt.
c) Schließlich besteht auch die behauptete Divergenz zu den Senatsentscheidungen vom 19. Januar 1999 VII R 49/98 (BFH/NV 1999, 976) und vom 19. Januar 1999 VII R 50/98 (BFH/NV 1999, 976) nicht. Der von der Klägerin daraus zitierte Rechtssatz bezieht sich, wie der Zusammenhang, in dem er steht, eindeutig ergibt, lediglich darauf, dass die MdF-AnO nur für Staatsbürger der DDR galt (§ 1 Buchst. a) und nach § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR verlangt wurden, nicht aber auf die eindeutige Regelung des § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO, nach der auch die Voraussetzung einer 10-jährigen Berufserfahrung zu erfüllen war.
3. a) Der behauptete Verfahrensfehler ―Verletzung des Rechts auf Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) durch eine Überraschungsentscheidung― ist nicht ausreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Denn die Klägerin hat nicht ausgeführt, was sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs zu dem Gesichtspunkt Erforderlichkeit einer 10-jährigen Berufserfahrung zusätzlich vorgetragen hätte (s. zu diesem Kriterium u.a. BFH, Beschluss vom 25. April 1995 II B 7/95, BFH/NV 1995, 914).
b) Soweit die Klägerin einen Verfahrensfehler wegen eines Verstoßes gegen den Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 FGO) darin sieht, dass in den Entscheidungsgründen nicht hinreichend ersichtlich werde, ob das FG davon ausging, dass die Klägerin nach dem Gespräch in der Bezirksverwaltungsbehörde … habe davon ausgehen können, sie sei ordnungsgemäß von der Prüfung befreit worden, ist dieser Verfahrensfehler, selbst wenn er vorläge, unbeachtlich. Denn ein solcher Verfahrensfehler wäre nicht entscheidungserheblich, weil das FG sein Urteil tragend auch auf einen anderen Grund, nämlich das Fehlen der 10-jährigen berufspraktischen Erfahrung, gestützt hat.
4. Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 425733 |
BFH/NV 2000, 1251 |