Entscheidungsstichwort (Thema)
Besuchsfahrten zur betagten Mutter als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
Wenn der Kläger mitteilt, das vom FG angeforderte ärztliche Attest über die therapeutische Notwendigkeit seiner Besuche bei der betagten Mutter könne nicht vorgelegt werden, braucht das FG diesen Sachverhalt nicht weiter aufzuklären.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1; FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 08.02.2007; Aktenzeichen 5 K 39/04) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machte ohne Erfolg den Abzug seiner Aufwendungen für 15 bzw. 18 Besuchsfahrten zu seiner betagten Mutter als außergewöhnliche Belastung (§ 33 des Einkommensteuergesetzes) geltend.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, derartige Aufwendungen könnten nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. März 1984 VI R 158/80 (BFHE 140, 556, BStBl II 1984, 484) und vom 24. Mai 1991 III R 28/89 (BFH/NV 1992, 96) als Krankheitskosten zu beurteilen sein, wenn sie zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit unternommen würden, was durch ein ärztliches Attest nachzuweisen sei. Das vorgelegte Attest reiche insoweit jedoch nicht aus, weil es nicht mitteile, ob der ausstellende Arzt die Mutter im streitigen Zeitraum selbst behandelt habe. Die Besuchsfahrten seien zudem nicht ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit durchgeführt worden, sondern auch zur Hilfeleistung bei anstehenden Erledigungen, zum Beispiel dem Umzug der Mutter, der Haushaltsauflösung und dem Hausverkauf. Aus dem Attest gehe auch nicht hervor, dass die Besuche entscheidend zur Linderung ihres depressiven Leidens beigetragen hätten oder welche Art von Therapie der Kläger durchgeführt habe; Besuche zur Abwehr drohender Vereinsamung alter Menschen erfüllten nach dem Senatsurteil in BFH/NV 1992, 96 nicht das Merkmal der Außergewöhnlichkeit.
Mit seiner gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde trägt der Kläger vor, das ärztliche Ergänzungsattest vom 2. April 2007 genüge den Anforderungen der Aufklärungsanordnungen des FG vom 23. Oktober und 13. Dezember 2006 und belege, dass die Besuche in den Streitjahren therapeutisch notwendig gewesen seien. Indem das FG keine Fristverlängerung gewährt und damit die Möglichkeit abgeschnitten habe, dieses Attest beizubringen, beruhe sein Urteil auf dem Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht nicht verletzt.
Auf die Einhaltung des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 76 FGO) kann ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Ist für ihn erkennbar, dass das FG einen Beweis nicht erheben will und unterlässt er es, dies zu rügen, so hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des BFH vom 25. Februar 2005 V B 225/03, BFH/NV 2005, 1330, und vom 28. Juni 2006 III B 119/05, BFH/NV 2006, 1844, jeweils m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 101 und § 116 Rz. 49). Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich nicht, dass der Klägervertreter oder der Kläger die Einholung eines weiteren Attestes oder die Gewährung einer Frist zu dessen Beibringung beantragt haben.
Das FG hat allerdings zur Erfüllung seiner Sachaufklärungspflicht den entscheidungserheblichen Sachverhalt so vollständig wie möglich und bis zur Grenze des Zumutbaren, d.h. unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel, aufzuklären (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 X R 151/97, BFH/NV 2000, 1097; BFH-Beschlüsse vom 22. Juli 1999 VII B 19/99, BFH/NV 1999, 1635, und vom 17. Oktober 2003 II B 109/02, BFH/NV 2004, 156) und im Zweifel auch unabhängig von den Beweisanträgen der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO) von sich aus Beweise zu erheben (BFH-Urteile vom 22. April 1988 III R 59/83, BFH/NV 1989, 38, und vom 12. April 1994 IX R 101/90, BFHE 174, 301, BStBl II 1994, 660). Lässt das FG Tatsachen oder Beweismittel außer Acht, deren Ermittlungen sich ihm hätten aufdrängen müssen, so verletzt es seine Sachaufklärungspflicht (BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498).
Im Streitfall hat das FG den Kläger mit --nicht zugegangener-- Aufklärungsanordnung vom 23. Oktober 2006 sowie der am 16. Dezember 2006 zugestellten Anordnung vom 13. Dezember 2006 aufgefordert, ein ärztliches Attest vorzulegen, das für die Streitjahre 2000 und 2001 nachweist, dass die vom Kläger unternommenen Besuche therapeutisch notwendig gewesen seien und entscheidend zur Förderung des Heilungsprozesses oder Linderung der Krankheit beigetragen hätten. Nachdem der Kläger am 18. Januar 2007, drei Wochen vor der mündlichen Verhandlung, mitteilte, das angeforderte Attest könne nicht vorgelegt werden, da der behandelnde Arzt verstorben sei, bestand für das FG kein Anlass, den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären.
Fundstellen