Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Prozeßvollmacht
Leitsatz (NV)
Eine Vollmachtsurkunde, die sich nicht auf eine bestimmte Steuerart und einen bestimmten Veranlagungszeitraum bezieht, kann in der Regel nicht als Dauerprozeßvollmacht für alle möglichen Veranlagungszeiträume, Verfahrensabschnitte und Steuerarten verstanden werden (Fortführung des BFH-Urteils in BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726).
Der Prozeßbevollmächtigte kann eine Innenvollmacht, die ihm bei Übergabe einer derartigen als Außenvollmacht nicht ausreichenden Vollmachtsurkunde erteilt worden ist, in eine wirksame Prozeßvollmacht nur insoweit verwandeln, wie die Innenvollmacht im Zeitpunkt der Konkretisierung der Vollmacht tatsächlich reicht.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
Die Kläger erhoben gegen den Einkommensteuerbescheid 1984 (Streitjahr) Klage. Sie wurden dabei von dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater X vertreten, der dem Finanzgericht (FG) eine von den Klägern unterzeichnete, undatierte Vollmacht vorlegte, nach deren Inhalt er bevollmächtigt wurde, die Kläger in ihren "Steuer- und Buchführungsangelegenheiten vor allen Gerichten, Finanzämtern, Steuer- und sonstigen Behörden ... " zu vertreten.
Das FG wies die Klage als rechtsmißbräuchlich ab. Hiergegen legte X im Jahre 1995 namens der Kläger Revision ein.
Während des Revisionsverfahrens bestellten sich die jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Kläger, nahmen die Revision zurück und trugen vor:
Die Vollmacht der Kläger für X habe sich auf ein Revisionsverfahren nicht bezogen. Es sei ihnen auch nicht bekannt gewesen, daß Revision eingelegt werde. X sei ab dem Veranlagungszeitraum 1990 von den Klägern nicht mehr konsultiert worden. Ihm sei mit Schreiben der Kläger vom 22. Juni 1991 mitgeteilt worden, daß sie die Steuererklärung nunmehr selbst fertigen wollten. Daraus sei für ihn ersichtlich gewesen, daß eine weitere Vertretung nicht gewünscht war. Aus dem Schreiben sei weiter ersichtlich gewesen, daß die Kläger davon ausgingen, daß lediglich für zwei spätere Streitjahre Rechtsmittel eingelegt worden seien und daß sie über den Stand des Verfahrens unterrichtet werden wollten. Die nach dem Mandatsverhältnis notwendige und standesübliche Information der Kläger durch X sei jedoch unterblieben.
Die Kläger beantragen, X die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
X sowie der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) haben sich zu dem Vorbringen der Kläger nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Nach Rücknahme der Revision ist nur noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden. Diese sind X als vollmachtlosem Vertreter der Kläger aufzuerlegen (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Mai 1979 VII B 10/79, BFHE 128, 24, BStBl II 1979, 564).
Gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat ein Prozeßbevollmächtigter seine Vertretungsmacht durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen. X hat zwar im finanzgerichtlichen Verfahren eine Vollmachtsurkunde vorgelegt. Aus der Vollmachtsurkunde ergab sich jedoch nicht, wozu X von den Klägern konkret bevollmächtigt worden ist, wie es für eine ordnungsgemäße Vollmacht erforderlich ist (u. a. BFH-Urteil vom 10. März 1988 IV R 218/85, BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731). Eine Vollmachtsurkunde, wie sie hier vorgelegt worden ist, die sich also nicht auf eine bestimmte Steuerart und einen bestimmten Veranlagungszeitraum (oder mehrere konkret bezeichnete Veranlagungszeiträume) bezieht, kann nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 15. März 1991 III R 112/89 (BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726) in der Regel nicht als Dauerprozeßvollmacht für alle möglichen Veranlagungszeiträume, Verfahrensabschnitte und Steuerarten verstanden werden. Sie stellt für sich genommen keine wirksame Außenvollmacht für ein finanzgerichtliches Verfahren dar und genügt daher den Anforderungen des § 62 Abs. 3 FGO nicht.
Allerdings kann der notwendige Bezug einer nicht näher konkretisierten Generalvollmacht ebenso wie der einer Blankovollmacht und eines unvollständig ausgefüllten Vollmachtsformulars nach der Rechtsprechung des BFH von dem Prozeßbevollmächtigten selbst dadurch hergestellt werden, daß er das betreffende Vollmachtsformular einem zu einem bestimmten Verfahren eingereichten Schriftsatz anheftet (BFH-Entscheidungen in BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731, und vom 27. Oktober 1989 VI B 163/89, BFH/NV 1990, 648, sowie Urteil des Senats in BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726). Dadurch entsteht jedoch eine wirksame Prozeßvollmacht nur dann, wenn der Prozeßbevollmächtigte von seinem Mandanten zu einer solchen Vervollständigung bzw. Ergänzung der Vollmachtsurkunde ermächtigt ist. Der Prozeßbevollmächtigte kann also eine Innenvollmacht, die ihm bei Übergabe einer derartigen, für sich selbst genommen als Außenvollmacht für ein finanzgerichtliches Verfahren nicht ausreichenden Vollmachtsurkunde erteilt worden ist, in eine wirksame Prozeßvollmacht nur insoweit (durch schriftliche Vervollständigung der Urkunde oder Beifügung eines Schriftsatzes) verwandeln, wie die Innenvollmacht tatsächlich reicht.
Es kann dahinstehen, ob X von den Klägern bei Übergabe des von ihm dem FG vorgelegten Vollmachtsformulars Innenvollmacht für ein finanzgerichtliches Verfahren erteilt worden ist, was sich bei einem im Veranlagungsverfahren unterzeichneten Vollmachtsformular, wie es X hier verwendet hat, nicht von selbst versteht. Denn X besaß jedenfalls bei Erhebung der Klage keine Innenvollmacht der Kläger.
Die Klage ist am 17. September 1991 beim FG eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war X nicht (mehr) ermächtigt, für die Kläger ein Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1984 einzuleiten und zu betreiben; er war folglich auch nicht ermächtigt, Rechtsmittel in dieser Sache einzulegen und sich dabei der in seinem Besitz befindlichen Vollmachtsurkunde zu bedienen. Aus dem von den Klägern dem erkennenden Senat vorgelegten Schreiben an X vom 22. Juni 1991, das am 24. Juni zur Post gegeben worden ist und dessen Zugang X nicht in Abrede gestellt hat, mußte er nämlich erkennen, daß die Kläger in ihren steuerlichen Angelegenheiten von ihm nicht mehr beraten und vertreten sein wollten. Er mußte aus dem Schreiben insbesondere entnehmen oder zumindest damit rechnen, daß den Klägern nicht mehr gegenwärtig war, daß er für sie wegen Einkommensteuer 1984 ein Rechtsbehelfsverfahren führte. Er konnte sich deshalb nicht mehr ermächtigt sehen, in dieser Sache ohne Rücksprache mit den Klägern Klage zu erheben und ein Revisionsverfahren einzuleiten.
Ob X darüber hinaus, wie die Kläger meinen, eine etwa bestehende Vollmacht durch die Revisionseinlegung in standeswidriger Weise mißbraucht und deshalb nach den von dem erkennenden Senat in dem Beschluß vom 13. Juni 1996 III B 23/95, BFHE 180, 520 aufgestellten Grundsätzen auch aus diesem Grunde als vollmachtloser Vertreter der Kläger mit den Kosten des Verfahrens zu belasten wäre, kann dahin stehen.
Fundstellen
Haufe-Index 421677 |
BFH/NV 1997, 235 |