Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastung/Verfahren der Tatbestandsberichtigung des FG-Urteils dem FG vorbehalten
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind, ist durch die Rechtsprechung geklärt und daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Nach ständiger Rechtsprechung spricht eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit solcher Kosten. Sie sind nur ausnahmsweise abziehbar, wenn es um die eigene Existenzgrundlage oder um einen Kernbereich des menschlichen Lebens geht.
2. Die Rüge der Unvollständigkeit des Tatbestandes des FG-Urteils rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Das Verfahren der Tatbestandsberichtigung ist ein von einer Nichtzulassungsbeschwerde unabhängiges Verfahren, das nur vom FG selbst durchgeführt werden kann, nicht aber durch eine höhere Instanz.
Normenkette
EStG § 33; FGO §§ 108, 115 Abs. 2 Nrn. 1-3
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 13.12.2005; Aktenzeichen 12 K 917/05) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist zusammen mit seiner Schwester Rechtsnachfolger der im Dezember 2001 verstorbenen Mutter W.
Dem bereits früher verstorbenen Ehemann von W gehörten mehrere Grundstücke in X (neue Bundesländer) teils allein, teils zusammen mit seiner Schwester A. Diese Grundstücke wurden 1953 in Volkseigentum überführt. Ab Oktober 1990 betrieb die Erbengemeinschaft nach A (Erbengemeinschaft) mehrere Rückübertragungsverfahren nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen. Es kam zur Rückübertragung der Grundstücke S-Straße, D-Straße, L-Straße und M-Straße in X. Alle Grundstücke --mit Ausnahme der S-Straße-- wurden weiterverkauft. Laut Schreiben des Notars vom 24. August 1995 erhielt die Erbengemeinschaft trotz unterschiedlicher Eigentumsverhältnisse vor der Enteignung nach dem Willen aller Beteiligter einen Anteil von 50% des Kaufpreises für jedes verkaufte Grundstück, weil ausschließlich ein Mitglied der Erbengemeinschaft das Rückübertragungsverfahren betrieben habe.
Der Kläger ließ als Betreuer von W durch die Rechtsanwälte K und P überprüfen, weswegen die Erbengemeinschaft auch am Verkaufserlös für die D-Straße beteiligt worden war, obwohl dieses Grundstück vor dem Verkauf im Alleineigentum der W und ihres Stiefsohnes T, gestanden hatte. Aufgrund der erlangten Informationen strengte der Kläger einen Zivilprozess gegen die Erbengemeinschaft an, der zu einem Vergleich mit einer Rückzahlung von 60 000 DM aus dem Kaufpreis für das Grundstück D-Straße und einer Beteiligung in Höhe von 25% an dem Kaufpreis für das Grundstück M-Straße führte.
In der vom Steuerberater der W erstellten und vom Kläger als Betreuer für W unterschriebenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1998 waren negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 11 201 DM aus dem Grundstück S-Straße erklärt. Bei dem als Werbungskosten geltend gemachten Betrag von 11 201 DM handelte es sich um Rechtsanwaltskosten, denen eine Rechnung des Rechtsanwalts K vom 18. Februar 1998 mit dem Betreff "Liquidation …; Objekte X" zugrunde lag.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1998 die Rechtsanwaltskosten erklärungsgemäß als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung. Der Bescheid erging hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig, weil die Einkunftserzielungsabsicht zurzeit nicht abschließend beurteilt werden könne.
Auf Anfrage des FA erklärten der Kläger und die Nachfolgerin des verstorbenen Steuerberaters der W, hinsichtlich des Grundstücks S-Straße habe keine Vermietungsabsicht bestanden. Das FA änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1998 nach § 165 Abs. 2 AO 1977 und berücksichtigte die Rechtsanwaltskosten nicht mehr als Werbungskosten.
Im Einspruchsverfahren erklärte der Kläger, die Kosten für den Rechtsanwalt hätten sich auf das vermietete Grundstück D-Straße bezogen. Nach Mitteilung des FA, dass ein Werbungskostenabzug wegen des Verkaufs dieses Grundstücks bereits im Jahr 1995 nicht in Betracht komme, begehrte der Kläger, die Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastung abzuziehen.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klage, mit welcher der Kläger nur noch den Abzug der Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastung begehrte, blieb ohne Erfolg.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO sowie einen Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend.
Er trägt im Wesentlichen vor, das Finanzgericht (FG) habe den Sachverhalt nur unvollständig bzw. falsch wiedergegeben. Das Grundstück S-Straße sei mit vermieteten Ladengeschäften bebaut. Die Mieten habe das Land … vereinnahmt. Rechtsanwalt K sei mit der Prüfung beauftragt worden, warum die Erbengemeinschaft den Erlös der verkauften Grundstücke jeweils zur Hälfte erhalten habe. Dabei habe er herausgefunden, dass auch das Eigentum an der S-Straße auf die Erbengemeinschaft zurückübertragen worden sei, obwohl sie nie Eigentümerin gewesen sei. Als Miteigentümerin dieses Grundstücks habe W Anspruch auf Mieteinnahmen gehabt. Grund für die Beauftragung des Rechtsanwalts sei die rechtliche Sicherung des Eigentums und der daraus zu erzielenden Einnahmen gewesen. W habe daher eine Vermietungsabsicht gehabt. Überdies sei W nach Abschluss der Notarverträge demenzkrank geworden, so dass die Frage zu klären sei, ob für die Absicht, Mieteinnahmen zu erzielen, auf den Eigentümer oder den Betreuer abzustellen sei.
Sofern die Aufwendungen nicht als Werbungskosten zu beurteilen seien, seien sie als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Denn die Übernahme eines Prozesskostenrisikos sei nach dem BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 III R 224/94 (BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596) zwangsläufig, wenn der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich berühre. Entgegen der Auffassung des FG sei die Beauftragung der Rechtsanwälte zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von W zwingend notwendig gewesen. Ihre Pflegekosten hätten bei Übernahme der Betreuung durch ihn, den Kläger, bereits 6 000 DM pro Monat betragen ‐ mit steigender Tendenz. Es habe auch die Unterbringung in ein privates Pflegeheim angestanden. Die Kosten hierfür hätten circa 12 000 DM pro Monat betragen. Angesichts dieser erheblichen drohenden Kosten sei erkennbar, dass das Vermögen von W trotz der angeblich guten Verhältnisse auf Dauer nicht mehr ausgereicht hätte. Bei längerer Lebensdauer wäre sie wegen der extrem hohen Kosten der Pflege in wirtschaftliche Existenznöte geraten, so dass der Prozess gegen die Erbengemeinschaft zur Existenzsicherung zwingend notwendig gewesen sei.
Auch für die Abziehbarkeit als außergewöhnliche Belastung sei hinsichtlich der Zwangssituation zu klären, ob zumindest ergänzend auf den Betreuer abzustellen sei. Denn er, der Kläger, hätte niemals eine Entlastung als Betreuer erreichen können und sogar mit Regressansprüchen rechnen müssen, wenn er nicht hätte klären lassen, warum 50% des Kaufpreises des Grundstücks D-Straße an fremde Personen bezahlt worden sei. Diese Frage sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt und habe grundsätzliche Bedeutung, weil es eine Vielzahl von Betreuungsfällen gebe, bei denen diese Fragen auftauchten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO oder zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO, kommt nicht in Betracht.
a) Die Voraussetzungen, unter denen Aufwendungen für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind, sind durch die Rechtsprechung bereits geklärt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH spricht eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit solcher Kosten. Sie sind nur ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn es um die eigene Existenzgrundlage oder um einen Kernbereich menschlichen Lebens geht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, m.w.N.).
b) Das FG hat diese Grundsätze seinem Urteil zugrunde gelegt und im Einzelnen begründet, warum eine solche Ausnahmesituation, bei der eine Zwangsläufigkeit anerkannt werden könnte, im Streitfall nicht gegeben ist. Die Ausführungen des Klägers, ohne die Durchsetzung des Rechtsanspruchs von Frau W wäre deren Existenz aufgrund der ständig steigenden Pflegekosten gefährdet gewesen, richten sich gegen die materielle Richtigkeit des Urteils und rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Im Übrigen handelt es sich bei den vom Kläger angeführten, die Existenz von W angeblich gefährdenden Umstände um neue Tatsachen, die im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden können (BFH-Beschluss vom 10. November 1999 VI B 388/98, BFH/NV 2000, 721).
c) Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob hinsichtlich der Zwangssituation zumindest ergänzend auf den Betreuer abzustellen sei, ist nicht klärungsbedürftig. Die Abziehbarkeit als außergewöhnliche Belastung hängt ausschließlich davon ab, ob die Aufwendungen für den Steuerpflichtigen zwangsläufig entstanden sind.
d) Die Ausführungen des Klägers zur Abziehbarkeit der Rechtsanwaltskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung rechtfertigen die Zulassung der Revision ebenso wenig. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung hat der Kläger nur noch beantragt, die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, wer Mieterzielungsabsicht haben muss --der Eigentümer oder dessen Betreuer--, kommt es daher nicht an.
2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gerechtfertigt.
Der Kläger beruft sich auf das BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, legt aber nicht dar, dass das FG seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit tragenden Rechtsausführungen dieses BFH-Urteils nicht im Einklang steht. Insoweit entspricht die Nichtzulassungsbeschwerde schon nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2005 III B 5/05, BFH/NV 2005, 1758). Eine Divergenz zu diesem Urteil, nach dem Kosten für einen Zivilrechtsstreit nur unter besonderen Umständen, insbesondere bei drohendem Verlust der Existenzgrundlage, als zwangsläufig anzusehen sind, liegt im Übrigen auch nicht vor. Denn das FG hat entsprechend diesen Rechtsgrundsätzen geprüft, ob eine Ausnahmesituation vorliegt, diese aber verneint.
3. Auch ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist weder substantiiert gerügt noch aus der Beschwerdebegründung erkennbar.
Soweit der Kläger beanstandet, der Tatbestand des FG-Urteils sei unvollständig oder falsch, ist hierfür das Verfahren der Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO vorgesehen. Dieses von einer Nichtzulassungsbeschwerde unabhängige Verfahren kann nur vom FG selbst durchgeführt werden, nicht aber durch eine höhere Instanz (vgl. BFH-Beschluss vom 8. April 2003 VII B 331/02, BFH/NV 2003, 1196).
4. Mit seinen Ausführungen wendet sich der Kläger im Kern gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils, wobei er seine Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG setzt. Insoweit bestehen auch keine Anhaltspunkte für einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führt (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2003 III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1615013 |
BFH/NV 2007, 46 |