Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Weitergabe von Leistungsbezügen durch eine Personengesellschaft an einen Gesellschafter gegen Gewinnverzicht
Leitsatz (NV)
- Ist eine Personengesellschaft nach den vertraglichen Vereinbarungen Empfängerin von sog. Beratungsleistungen und dienen diese Leistungen der Förderung ihres Unternehmens, so ist sie zum Abzug der ihr dafür berechneten Umsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt.
- Da die Leistungen insoweit an die Gesellschaft für ihr Unternehmen ausgeführt werden, bleibt ‐ ohne ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung ‐ für die Annahme einer "Weitergabe" an einen ihrer Gesellschafter (für dessen private Zwecke) kein Raum, auch wenn diese Leistungen den Gesellschafter bei seiner Einarbeitung unterstützen.
Normenkette
UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 14; UStG § 15 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) eine OHG, betreibt eine Industrievertretung, die sich ausschließlich auf Produkte eines bestimmten Unternehmens (einer KG) bezieht.
Gesellschafter der Klägerin waren ursprünglich die Brüder A.W. und B.W. Durch einen Vertrag vom 20. Dezember 1992 vereinbarten die Brüder, dass A.W. mit Wirkung vom 1. Januar 1993 seinen Mitunternehmeranteil auf seinen Sohn C.W. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich übertragen werde. Aufgrund eines Beratungsvertrags vom 19. Januar 1993 zwischen dem Sohn C.W. und seinem Vater A.W. verpflichtet sich A.W. zur Kontaktpflege mit Kunden und Architekten sowie zur Kundenbetreuung vor Ort, weil nur hierdurch gewährleistet sei, dass C.W. eine unternehmerische Tätigkeit entfalten könne, wie sie zur Erreichung des Unternehmenszwecks ―auch im Interesse der KG― notwendig sei. Als Vergütung für diese Tätigkeit wurde eine monatliche Pauschale von netto 5 000 DM zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer vereinbart. Über die nach dem Beratungsvertrag ausgeführten Leistungen erteilte A.W. der Klägerin Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis. Den daraus von der Klägerin für 1993 geltend gemachten Vorsteuerabzug lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) mit der Begründung ab, nicht sie, sondern C.W. sei Empfänger der Beratungsleistungen. Der Rechtsstreit darüber wurde vor dem Finanzgericht (FG) durch Klagerücknahme beendet.
Daraufhin vereinbarten A.W. und die Klägerin in einem "Beratungsvertrag (Änderung)" vom 10. August 1995 im Hinblick auf den bisherigen Standpunkt des FA, das A.W. seine Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin zur Verfügung stelle und dass die Nettovergütung aus den im Beratungsvertrag vom 19. Januar 1993 dargelegten Gründen in voller Höhe zu Lasten des Gewinnanteils von C.W. zu gehen habe. Auch den nach dieser Vertragsumstellung von der Klägerin für das Streitjahr 1995 geltend gemachten Vorsteuerabzug lehnte das FA mit der Begründung ab, C.W. und nicht die Klägerin sei als Empfänger der Beratungsleistungen anzusehen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte im Wesentlichen aus, dass zwar aufgrund der Vertragsumstellung der Leistungsanspruch zivilrechtlich der Klägerin zustehe und dass auch keine Gründe bestünden, für das Umsatzsteuerrecht davon abzuweichen. Jedoch sei von einer zusätzlichen steuerbaren Leistung der Klägerin durch die "Weitergabe der Beratungsleistungen" an C.W. durch die Klägerin gegen Kostenübernahme auszugehen, was den Vorsteuerabzug rechnerisch ausgleiche. Aufgrund der Erstattung der Aufwendungen der Klägerin für die Beratungsleistungen durch den Gewinnverzicht des C.W., der eigentlicher Nutznießer der Beratungsleistungen sei, sei dieser weitere Leistungsaustausch verwirklicht worden. Zweck der Beratungsleistungen sei in erster Linie, die gegenüber dem Onkel bestehenden Defizite des C.W. an geschäftlicher Erfahrung auszugleichen und mit der Zeit zu beheben.
Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision rügt die Klägerin sinngemäß Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt im Wesentlichen vor, das angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), insbesondere dem Urteil vom 17. Juli 1986 V R 85/82 (BFH/NV 1987, 67) ab, demzufolge Leistungsüberlassungen einer Gesellschaft an Gesellschafter ohne Gegenleistung kein Leistungsaustausch seien und ein Gewinnverzicht der Gesellschafter nicht zur Annahme einer Gegenleistung führen könne. Im Übrigen sei schon die Annahme "weitergegebener" Beratungsleistungen unzutreffend. Auch das Interesse an einer Schulung von C.W. durch die Beratungsleistungen ändere nichts daran, dass die Leistungen für sie, die Klägerin, ausgeführt worden seien. Wegen der Gleichbehandlung der Familienstämme sei während der Beratertätigkeit die Gewinnverteilung geändert worden. Die Klägerin beantragt, die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung für 1995 um 3 750 DM auf 80 285 DM herabzusetzen.
Das FA tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur beantragten Herabsetzung der Umsatzsteuerfestsetzung für 1995.
1. Gemäß § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Das FG hat ohne Rechtsverstoß das Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen bejaht. Nach der zugrunde liegenden Vereinbarung vom 10. August 1995 war die Klägerin Empfängerin der sog. Beratungsleistungen des A.W. Diese Leistungen wurden für ihr Unternehmen ausgeführt; sie dienten der Förderung ihrer Umsätze.
2. Soweit das FG hingegen damit zusammenhängend eine steuerbare Leistung der Klägerin durch "Weitergabe" der Beratungsleistungen an C.W. gegen Entgelt in Form eines Gewinnverzichts des C.W. in Höhe der Aufwendungen annahm, folgt der Senat der Vorentscheidung nicht.
a) Eine Weitergabe dieser Leistungen an den Gesellschafter C.W. als Endverbraucher war weder ausdrücklich noch schlüssig konkret vereinbart noch ergibt sie sich nach der festgestellten Gestaltung. Bei Annahme einer Weiterleitung müsste konsequent eine mittelbare "Rückgabe" an die Klägerin angenommen werden.
b) Auf der Grundlage der (revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden) Würdigung durch das FG, dass die sog. Beratungsleistungen des A.W. für das Unternehmen der Klägerin als Leistungsempfängerin ausgeführt wurden, bleibt für die Annahme einer konkreten "Weitergabe" der Beratungsleistungen durch die Klägerin an C.W. kein Raum. Auch wenn ―ausweislich der ursprünglichen Vereinbarung vom 20. Dezember 1992― die Pflege der Kundenkontakte und die sonstige Beratungstätigkeit durch A.W. den neuen Gesellschafter C.W. dabei unterstützen sollte, den Unternehmenszweck (der Klägerin) zu fördern, so ändert dies nichts daran, dass die Klägerin die sonstigen Leistungen des A.W. für Zwecke ihres Unternehmens (Förderung ihrer Umsätze) bezog und nicht auch (zusätzlich) für private Zwecke ihres Gesellschafters.
Mangels einer Leistung der Klägerin durch "Weitergabe" der Leistungsbezüge an C.W. braucht der Senat auf die Frage einer Gegenleistung durch Gewinnverzicht (vgl. Urteil in BFH/NV 1987, 67) nicht einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 585703 |
BFH/NV 2001, 942 |
HFR 2001, 788 |