Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Genossenschaft, bei der das Warengeschäft das Kreditgeschäft überwiegt, ist kein Kreditinstitut im Sinne des § 21 GewStDV. Die Behandlung ihrer Verbindlichkeiten als Dauerschulden im Sinne des § 8 Ziff. 1 GewStG richtet sich nach den allgemeinen für Warengenossenschaften geltenden Grundsätzen.
Normenkette
GewStG § 8 Ziff. 1; GewStDV § 21
Tatbestand
Streitig ist, ob die Bgin. die für Dauerschulden der Kreditinstitute geltende Begünstigung des § 21 GewStDV 1950 in Anspruch nehmen kann.
Die Bgin. ist eine Genossenschaft, die sowohl das Kreditgeschäft als auch das Warengeschäft betreibt und bei der das Warengeschäft den Hauptgegenstand ihres Unternehmens darstellt. Das Finanzamt behandelte bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1952 Spareinlagen in gewissem Umfang als Dauerschulden im Sinne des § 8 Ziff. 1 und § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG und lehnte es ab, hereingenommene Gelder, Darlehen und Anleihen auf Grund des § 21 GewStDV nur insoweit als Dauerschulden anzusehen, als der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstücke und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet. Es bezog sich für diese Auffassung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs I 187/41 vom 28. Oktober 1941, RStBl 1941 S. 868, und auf Abschn. 50 Abs. 4 GewStR 1951. Danach gehören Spar- und Darlehnskassen nur dann zu den Kreditinstituten im Sinne des § 21 GewStDV, wenn das Geld- und Kreditgeschäft das Hauptgeschäft darstelle. Bilde dagegen das Warengeschäft das Hauptgeschäft, so komme die Vergünstigung nach § 21 GewStDV nicht in Betracht. Die Bgin. ist demgegenüber der Auffassung, daß sie insoweit, als sie sich mit Bank- und Kreditgeschäften befasse, ein unter das Gesetz über das Kreditwesen fallendes Kreditinstitut sei. Das habe auch das Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr im Schreiben vom 15. September 1959 ausdrücklich bestätigt.
Der Einspruch blieb erfolglos. Die Berufung der Bgin. hatte Erfolg. Unstreitig sei, so führt das Finanzgericht aus, die Bgin., soweit sie Bankgeschäfte betreibe, ein Kreditinstitut im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen. Aus der eindeutigen Vorschrift des § 21 GewStDV ergebe sich, daß die Bgin. insoweit, als sie ein Kreditinstitut sei, einen Anspruch auf die Vergünstigung dieser Vorschrift habe. Das Finanzgericht könne sich der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 187/41 nicht anschließen, weil sie mit dem eindeutigen Wortlaut des § 21 GewStDV nicht vereinbar sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Bei Kreditinstituten im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen vom 25. September 1939, RGBl 1939 I S. 1955, gelten hereingenommene Gelder, Darlehen und Anleihen nur insoweit als Dauerschulden im Sinne des § 8 Ziff. 1 und § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG, als der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstücke und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet (ß 21 GewStDV). Unstreitig hängt die Anwendung dieser Begünstigungsvorschrift nur davon ab, ob und inwieweit die Bgin. ein Kreditinstitut im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen ist. Die von der zuständigen Bankenaufsichtsbehörde, nämlich dem Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, im Schreiben vom 15. September 1959 abgegebene eindeutige Erklärung, daß das Unternehmen der Bgin. ein Kreditinstitut im Sinne des § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen ist, ist auch für die Gerichte bindend (ß 1 Abs. 4 des Gesetzes über das Kreditwesen). In übereinstimmung mit der von der Bgin. in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht und vor dem Senat abgegebenen Erklärung kann das Schreiben des Bayer. Staatsministeriums vom 15. September 1959 nur dahin verstanden werden, daß nicht das Gesamtunternehmen der Bgin., sondern nur ihre Bankabteilung zu den Kreditinstituten im Sinne des § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen gehört.
Der Senat kann sich der Auffassung des Finanzgerichts, daß aus dieser bindenden Beurteilung der Bankabteilung der Bgin. als Kreditinstitut die Schlußfolgerung gezogen werden müsse, daß diese Bankabteilung die Begünstigung des § 21 GewStDV genieße, nicht anschließen. Denn wenn auch feststeht, daß die Bankabteilung der Bgin. ein unter das Gesetz über das Kreditwesen fallendes Kreditinstitut ist, so ist damit nicht die entscheidende Frage beantwortet, ob ein Unternehmen, das sich neben dem als Kreditinstitut anzusehenden Geschäftszweig in wesentlichem Umfang mit bankfremden Geschäften befaßt, steuerlich nur einheitlich entweder als Kreditinstitut oder als sonstiges gewerbliches Unternehmen behandelt werden muß, oder ob für die steuerliche Beurteilung eine Aufteilung des einheitlichen Betriebs in ein Kreditinstitut und in eine sonstige gewerbliche Betätigung zulässig ist. Das kann unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des § 21 GewStDV nur von den Steuergerichten entschieden werden.
Die Begünstigung des § 21 GewStDV, der eine von der Vorschrift des § 8 Ziff. 1 GewStG abweichende, erschöpfende gesetzliche Begriffsbestimmung für Dauerschulden der Kreditinstitute gibt, geht davon aus, daß Kreditinstitute wirtschaftlich nur Durchlaufstellen des Geld- und Kreditverkehrs sind und daß deshalb das Passiv- und Aktivgeschäft artmäßig in etwa übereinstimmen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I 153/38 vom 31. Mai 1938, RStBl 1938 S. 787, Slg. Bd. 44 S. 133). Da indessen der Gesetzgeber diese übereinstimmung des Aktiv- und Passivgeschäfts nicht zur Voraussetzung der Begünstigung macht und alle hereingenommenen Gelder, gleichgültig, ob es sich um kurz- oder langfristige Kredite, Anleihen oder Hypotheken handelt, nur insoweit zu Dauerschulden erklärt, als sie sich im Eigenkapital des Kreditinstituts niederschlagen, so hätte es, wenn die Auffassung der Bgin. zutreffend wäre, eine Genossenschaft, bei der das Kreditgeschäft gegenüber dem Warengeschäft an Bedeutung in den Hintergrund tritt, in der Hand, mit den hereingenommenen Geldern ihr eigenes Warengeschäft zu finanzieren, ohne daß weder beim Kreditgeschäft noch beim Warengeschäft Dauerschulden in Erscheinung treten würden. Denn die Aufteilung in ein Bankinstitut und in eine Warenabteilung könnte die Unterstellung einer Ausleihung an die Warenabteilung nicht rechtfertigen. Eine solche Auswirkung der Vergünstigung des § 21 GewStDV ist mit dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht vereinbar.
Es kommt hinzu, daß das Merkmal des überwiegens einer der Geschäftszweige bei der Charakterisierung der Spar- und Darlehnskassen mit Warengeschäft als tarifbegünstigte Kreditgenossenschaften (ß 33 KStDV) oder als voll steuerpflichtige Warengenossenschaften von entscheidender Bedeutung ist und daß deshalb viel dafür spricht, den gleichen Gesichtspunkt auch bei der Gewerbesteuer für die Abgrenzung eines Kreditinstituts von einer Warengenossenschaft zu verwenden. Die Auffassung der Bgin. führt zu dem merkwürdigen Ergebnis, daß die Genossenschaft bei der Körperschaftsteuer nicht als Kreditgenossenschaft, sondern im vollen Umfang als Warengenossenschaft behandelt, bei der Gewerbesteuer aber teils als Warengenossenschaft, teils als Kreditinstitut angesehen werden soll. Es muß dem Reichsfinanzhof darin zugestimmt werden, daß beachtliche Gründe für eine Entscheidung sprechen, die diese Auswirkungen vermeidet und nur solche Genossenschaften auch bei der Gewerbesteuer als Kreditinstitute begünstigt, die bei der Körperschaftsteuer als Kreditgenossenschaft eine steuerliche Vergünstigung genießen. Man könnte sogar daran denken, bei der Auslegung des § 21 GewStDV nicht von dem Vergleich mit der körperschaftsteuerlichen Behandlung der Spar- und Darlehnskassen mit Warengeschäft, sondern von der körperschaftsteuerlichen Behandlung der sonstigen Kreditgenossenschaften, die sich, wenn auch nur in sehr beschränktem Umfang, mit nicht bankmässigen Geschäften befassen, auszugehen und deshalb die Vergünstigung des § 21 GewStDV nur solchen Genossenschaften zu gewähren, die sich im wesentlichen auf den bankmässigen Geldverkehr im Aktiv- und Passivgeschäft beschränken (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 168/58 U vom 12. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 94, Slg. Bd. 70 S. 254). Der Senat sieht aber keine zwingenden Gründe, von dem Urteil des Reichsfinanzhofs und der auf ihm beruhenden, mehr als 20jährigen Verwaltungspraxis zuungunsten der Genossenschaften abzuweichen.
Es mag zutreffen, daß der Wortlaut des § 21 GewStDV 1950 sowohl die Aufteilung eines Unternehmens nach dem Kreditgeschäft und dem Warengeschäft als auch die einheitliche Behandlung des gesamten Betriebes zuläßt. Die oben dargestellten Gesichtspunkte sprechen jedoch wesentlich für die einheitliche Behandlung und erscheinen dem Senat gewichtiger, zumal sie sich wohl auch mit den Grundsätzen des Reichsfinanzhofs decken. Diese Ansicht hat auch den Vorzug einer einfacheren Veranlagung (Urteil des Bundesfinanzhofs I 39/56 S vom 29. Mai 1956, BStBl 1956 III S. 226, Slg. Bd. 63 S. 76). Es mag zwar sein, daß die Genossenschaft ihr Betriebsvermögen und ihre Erträge buch- und bilanzmäßig auf die beiden Geschäftszweige verteilen kann. Eine überprüfung der Verteilung durch das Finanzamt ist aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und kann zu schwer zu entscheidenden Meinungsverschiedenheiten führen.
Die Auffassung der Bgin. ist ungünstig für Genossenschaften, bei denen das Kreditgeschäft das Warengeschäft überwiegt. Die Grundsätze des Urteils des Reichsfinanzhofs I 187/41, denen der Senat folgt, legen deshalb keineswegs § 21 GewStDV zuungunsten der Genossenschaften eng aus.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Berufung der Bgin. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts wird als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 409779 |
BStBl III 1960, 390 |
BFHE 1961, 375 |
BFHE 71, 375 |