Leitsatz (amtlich)
Der Kapitalwert einer als Gegenleistung für den Erwerb eines Grundstücks vereinbarten lebenslänglichen Geldrente ist nicht in Anwendung der Begrenzungsvorschrift des § 17a Abs. 1 BewG 1963 (§ 16 Abs. 1 BewG 1965), sondern der Vorschrift des § 16 BewG 1963 (§ 14 BewG 1965) zu ermitteln.
Normenkette
GrEStG § 10 Abs. 1; BewG 1963 §§ 16, 17a Abs. 1; BewG 1965 §§ 14, 16 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger, seine Ehefrau und ein Dritter erwarben durch notariell beurkundeten Vertrag Mitte Dezember 1963 Grundbesitz im Miteigentum. Die Käufer verpflichteten sich, hierfür den Verkäufern eine lebenslängliche Monats-Geldrente zu zahlen.
Das FA (Beklagter) errechnete die Grunderwerbsteuer aus dem nach § 16 Absätze 1, 2 BewG 1963 mit 85 500 DM ermittelten Kapitalwert der Rente.
Der Kläger meint, daß der Jahreswert des Rentenrechtes gemäß § 17a Abs. 1 BewG 1963 auf ein Achtzehntel des Einheitswerts des Grundbesitzes zu begrenzen, d. h., daß der Kapitalwert mit 6 600 DM anzusetzen sei.
Einspruch und Berufung waren erfolglos.
Das FG teilte die Auffassung des Beklagten, daß § 17a Abs. 1 BewG 1963 nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte nur auf die Bewertung von Nutzungen eines Wirtschaftsgutes anwendbar sei.
Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Kläger unrichtige Anwendung der §§ 16, 17a Abs. 1 BewG 1963.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ist nicht begründet.
Die Allgemeinen Bewertungsvorschriften des BewG gelten - soweit sich aus dem Grunderwerbsteuerrecht selbst nichts anderes ergibt - auch für das Grunderwerbsteuerrecht (vgl. § 1 BewG 1963, § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über die Anwendung der Reichsabgabenordnung und anderer Abgabengesetze auf öffentlich-rechtliche Abgaben, die der Gesetzgebung des Landes unterliegen und durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden, vom 4. Januar 1955 (GVBl NW S. 3). Somit ist auch der durch Art. 1 Nr. 3 ÄndG-BewG 1963 vom 10. August 1963, (BGBl I 1963, 676) mit Wirkung am 18. August 1963 in das BewG eingefügte § 17a Abs. 1 BewG 1963 (jetzt § 16 Abs. 1 BewG 1965) im Grunderwerbsteuerrecht anwendbar, soweit nicht ausdrücklich gesetzlich für dieses Rechtsgebiet die Nichtanwendung des § 17a BewG 1963 (§ 16 BewG 1965) vorgeschrieben worden ist (so für Baden-Württemberg - vgl. § 27 Abs. 5 Satz 1 GrEStG 1966 -, Bayern - Art. 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes über die Anwendung von bundesrechtlichen Vorschriften des allgemeinen Abgabenrechts auf landesrechtlich geregelte Abgaben in der Fassung des § 5 des Gesetzes zur Änderung grunderwerbsteuerlicher Vorschriften vom 24. Juni 1969, Bay. GVBl S. 153 -, Berlin - § 1 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a des Gesetzes über den Anwendungsbereich der Reichsabgabenordnung in der Fassung vom 6. Januar 1966, GVBl Berlin S. 90; vgl. noch die Nachweise bei Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 10, Textziff. 83b).
Die Begrenzung des Jahreswertes auf den 18. Teil des Wertes eines Wirtschaftsgutes gilt jedoch - wie das FG zutreffend entschieden hat - bereits nach dem maßgebenden Wortlaut des § 17a Abs. 1 BewG 1963 nur für die Ermittlung des Kapitalwertes "der Nutzungen eines Wirtschaftsgutes". Diese Begrenzung des Jahres- und damit des Kapitalwertes rechtfertigt sich auch nach dem Sinn dieser Vorschrift für die Kapitalisierung von Nutzungen, bei denen ein innerer Zusammenhang zwischen einem Nutzungsrecht und dem "genutzten Wirtschaftsgut" in dem Sinne besteht, daß der Anspruch sich auf die Nutzungen des Wirtschaftsgutes beschränkt. Dabei muß es sich nicht notwendig um ein dingliches Recht "an" einem Wirtschaftsgut handeln. Auch schuldrechtliche (obligatorische) Ansprüche auf Nutzungen "eines" Wirtschaftsgutes können - wie der III. Senat des BFH unter Darlegung der Entstehungsgeschichte und des Zwecks dieser Vorschrift entschieden hat (Urteil III R 36/67 vom 24. April 1970, BFH 99, 208, BStBl II 1970, 591) - unter § 17a Abs. 1 BewG 1963 fallen, wenn nur der Anspruch auf die Nutzung des Wirtschaftsgutes beschränkt ist, so daß darüber hinausgehende Ansprüche gegen den Nutzungsverpflichteten selbst ausgeschlossen sind.
Um einen solchen Anspruch handelt es sich hier nicht. Der Anspruch der Verkäufer ist nicht etwa auf einen Bruchteil des Ertrges des veräußerten Grundstücks begrenzt (BFH 99, 208), sondern ist ein Anspruch auf Zahlung einer lebenslänglichen, der Höhe nach festgelegten Monatsrente. Der Anspruch auf Zahlung dieser Rente besteht unabhängig von dem weiteren Schicksal des Grundstücks, insbesondere ohne Rücksicht auf dessen künftige Ertragsfähigkeit, stellt sich also nicht als Nutzung des Wirtschaftsgutes dar. Die Rente ist vielmehr nichts anderes als die beim Abschluß des Kaufvertrages vereinbarte Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks, die anstelle eines einmaligen Kaufpreises wie monatliche Kaufpreisraten - lediglich mit dem beiderseitigen Risiko der Befristung auf Lebenszeit - als persönliche Verpflichtung des Leistenden zu erbringen ist. Für die Bewertung solcher Leistungen, bei denen eine Verknüpfung zwischen Grundstück und Nutzung des Grundstücks nicht besteht, ist aber nach Wortlaut und Sinn nicht § 17a Abs. 1 BewG 1963 maßgebend (vgl. auch Entscheidung des BVerfG 2 BvL 2/68 vom 26. Januar 1971, BVerfGE 30, 129, 142; BStBl II 1971, 359, 362 rechte Spalte), sondern § 16 BewG 1963 (jetzt § 14 BewG 1965).
Daß dieses Ergebnis - bei Nichtvergleichbarkeit der Sachverhalte des § 16 BewG 1963 einerseits und des § 17a Abs. 1 BewG 1963 andererseits mit möglicherweise anderen Jahres- und Kapitalwerten - auch vom Zweck her gerechtfertigt ist, zeigt sich gerade bei der Grunderwerbsteuer. Zwar ist hier in gewissen Ausnahmefällen der Einheitswert (oder der nach den Grundsätzen der Einheitsbewertung zu ermittelnde Wert) Besteuerungsgrundlage (§ 10 Abs. 2, § 12 GrEStG). Da es sich hierbei jedoch um Sonderfälle handelt, können mögliche unterschiedliche Ergebnisse im Wert der Besteuerungsgrundlage gegenüber dem Regelfall der Steuerberechnung vom Wert der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) in Kauf genommen werden (vgl. BFH-Urteil II 25/65 vom 1. Februar 1971, BFH 101, 438, 443, BStBl II 1971, 343). Als Wert der Gegenleistung sind aber beim Kaufvertrag der Kaufpreis und/oder die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Dem (Bar-)Kaufpreis ist der Kapitalwert einer Geldrente gleichzusetzen. Dem Umstand der Lebenslänglichkeit einer solchen Rente und der ggf. erforderlichen Anpassung an die wirkliche Rentendauer ist aber durch § 16 Absätze 2, 3 BewG 1963 Rechnung getragen. Vergleichbare Geldleistungen führen zu einer - in sich - vergleichbaren, gleichwertigen Gegenleistung. Zweifel könnten dementgegen gerade insoweit bestehen, ob die Anwendbarkeit des § 17a Abs. 1 BewG 1963 auf dem Gebiet des Grunderwerbsteuerrechts überhaupt systemgerecht ist, weil hier Bewertungsmaßstab grundsätzlich der Wert der Gegenleistung ist und weil dieser Wert regelmäßig der - zeitnahe - gemeine Wert (Verkehrswert; vgl. § 10 BewG 1963) ist, dies z. B. auch bei einem im Tausch als Gegenleistung hingegebenen Grundstück (BFH-Urteil II 87/60 vom 18. Dezember 1963, BFH 78, 256, 260, BStBl III 1964, 102). Diese Erwägungen dürften auch ein Grund dafür gewesen sein, weshalb in einigen Ländern - wie bereits erwähnt - die Anwendung des § 17a BewG 1963 auf dem Gebiet des Grunderwerbsteuerrechts ausdrücklich ausgeschlossen worden ist (vgl. für Bayern die Begründung zu § 5 des Entwurfes eines Grunderwerbsteueränderungsgesetzes, Bayerischer Landtag 6. Legislaturperiode, Beilage 1458; vgl. ferner die Beispiele in Boruttau/Klein, a. a. O., § 10, Textziff. 83f und g).
Der Kläger meint, der Jahreswert im Sinne des § 17a Abs. 1 BewG 1963 sei im Streitfall - also auch bei der Grunderwerbsteuer - auf den 18. Teil des Einheitswertes des veräußerten Grundstücks zu begrenzen. Auf die Frage, ob als "Wert" im Sinne des § 17a Abs. 1 BewG 1963 für das Grunderwerbsteuerrecht nicht der Einheitswert, sondern der gemeine Wert anzusetzen ist, kommt es indessen nicht mehr an, da § 17a Abs. 1 BewG 1963 im vorliegenden Fall auf die Bewertung der Geldrente bereits dem Grunde nach nicht anwendbar ist.
Gegen die - vom FG bestätigte - Richtigkeit der Berechnung des Kapitalwertes der Rente an sich sind Einwendungen nicht erhoben worden. Umstände, die die Berechnung gemäß § 16 BewG 1963 als unzutreffend erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 413065 |
BStBl II 1972, 473 |
BFHE 1972, 65 |