Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zollerstattung bei Angabe eines zu hohen Preises in der Zollwertanmeldung
Leitsatz (amtlich)
Art.2 Abs.1 zweiter Gedankenstrich Erstattungs/Erlaß-VO ist nur auf Irrtumsfälle anzuwenden. Sie ist daher unanwendbar, wenn der Steuerpflichtige in der Zollwertanmeldung einen höheren als den vereinbarten Preis mit dem Ziel angegeben hat, die Abfertigung zum freien Verkehr aufgrund einer Genehmigung zu ermöglichen, die die Einhaltung eines Mindestpreises vorausgesetzt hatte (Anschluß an EuGHE 1987, 5119).
Normenkette
EWGV 1430/79 Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Entscheidung vom 02.09.1987; Aktenzeichen IV 198/83 Z) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte von März 1980 bis Februar 1981 aus Rumänien Warmbreitband aus Stahl ein. Bei der Einfuhrabfertigung meldete sie für den Zollwert Preise von 627 DM/t an. Damals bestanden im Stahlbereich Importrestriktionen. Aufgrund Empfehlungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften war 1977 die Einfuhrliste zum Außenwirtschaftsgesetz (AWG) geändert worden. Die Einfuhr von Stahlerzeugnissen u.a. mit Ursprung in Rumänien bedurfte der Einfuhrgenehmigung. In den Genehmigungsanträgen mußte u.a. der Einfuhrpreis angegeben werden. Dadurch sollte das in der Gemeinschaft eingeführte Mindestpreissystem gesichert werden. Die vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in diesen Fällen erteilten Genehmigungen enthielten einen Stempelaufdruck, wonach die Einfuhrabfertigung nicht zulässig sei, wenn der Rechnungspreis niedriger sei als deklariert.
Die Zollbescheide wurden zum Teil zunächst vorläufig erteilt, weil Unterlagen fehlten und Beschädigung der Bleche geltend gemacht wurde. Unter Vorlage von Kreditnoten in Höhe von 200 DM/t und Berichten eines Havariekommissariats wies die Klägerin nach, daß die eingeführte Ware nicht von Ia-, sondern von IIa-Qualität gewesen ist; sie beantragte, die Zollwerte entsprechend herabzusetzen und den darauf entfallenden Zoll zu erstatten. Der von der Klägerin nunmehr angegebene Preis von 427 DM/t lag unter dem in der Einfuhrgenehmigung genannten Preis; bei dieser Situation wäre eine Zollabfertigung abgelehnt worden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) lehnte die begehrte Erstattung mit Bescheid vom 18.Oktober 1982 mit der Begründung ab, die Klägerin habe bereits vor Ankunft der Ware in Antwerpen gewußt, daß tatsächlich IIa-Qualität geliefert worden sei; der Preis von 627 DM/t sei nur vorgetäuscht worden, um die Einfuhrgenehmigung zu erhalten, weswegen einer Erstattung der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehe.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1988, 241).
Entscheidungsgründe
Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das HZA hat die von der Klägerin beantragte Zollerstattung für die Einfuhren ab 1.Juli 1980 zu Recht abgelehnt.
Mit Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2.Juli 1979 (Erstattungs/Erlaß-VO) richtete sich für die Fälle der buchmäßigen Erfassung der Abgaben ab 1.Juli 1980 (vgl. Senatsurteil vom 22.November 1988 VII R 24/86, BFH/NV 1989, 359) der Erlaß oder die Erstattung von Zoll nach den Bestimmungen dieser Verordnung. Diese hat als Gemeinschaftsrecht Vorrang vor entgegenstehendem nationalen Recht. Sie gilt auch für Waren, die wie die eingeführten unter den Vertrag der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl fallen (EuGH-Urteil vom 15.Dezember 1987 Rs. 328/85, EuGHE 1987, 5119, 5139).
Nach Art.2 Abs.1 zweiter Gedankenstrich Erstattungs/Erlaß-VO werden Zölle (vgl. Art.1 Abs.2 Buchst.a) insoweit erstattet oder erlassen, als den zuständigen Behörden nachgewiesen wird, daß der buchmäßig erfaßte Betrag die gesetzlich zu erhebenden Zölle aus irgendeinem Grund übersteigt. Diese Vorschrift ist, wie der EuGH entschieden hat (EuGHE 1987, 5119, 5140), nur auf Irrtumsfälle anwendbar. Sie kann daher nicht angewendet werden, "wenn der Eingangsabgabenpflichtige bei der Abfertigung einer Ware zum freien Verkehr einen höheren Preis angegeben hat, als er unter Einschluß von Rabatten und Umsatzvergütungen tatsächlich zu zahlen hatte, und wenn die Angabe des höheren Preises bezweckt hat, die Abfertigung zum freien Verkehr aufgrund einer Genehmigung zu ermöglichen, die Rabatte und Umsatzvergütungen nicht erwähnt" (EuGHE 1987, 5119, 5141, Nr.2 des Urteilstenors). So liegt der Fall hier.
Das FG hat festgestellt (S.13 der Vorentscheidung), daß die Klägerin durch ihre falschen Angaben in der Zollwertanmeldung außenwirtschaftsrechtliche Beschränkungen habe umgehen wollen. Sie habe die Beschaffenheit der Ware als solche der IIa-Qualität und deren Preis von 427 DM/t bereits vor der Einfuhr gekannt (S.7/8 der Vorentscheidung). Es sei keine mangelhafte Ware geliefert worden; vielmehr habe die Ware dem wahren --verschleierten-- Vertragsinhalt entsprochen (S.8 der Vorentscheidung). Diese Feststellungen des FG binden den Senat, da die Klägerin zulässige und begründete Gegenrügen --die zu erheben die Klägerin als Revisionsbeklagte grundsätzlich berechtigt war (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 120 Anm.42)-- nicht vorgetragen hat (vgl. § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Allein das Bestreiten dieses Sachverhalts in der Revisionserwiderung stellt keine zulässige Revisionsrüge in bezug auf die genannten Feststellungen des FG dar (vgl. auch § 120 Abs.2 FGO).
Aus diesen Feststellungen des FG ergibt sich, daß die Klägerin in ihrer Zollanmeldung bei der Abfertigung zum freien Verkehr absichtlich einen höheren Preis angegeben hat, als sie tatsächlich für die wie vereinbart gelieferte Ware der Qualität IIa zu bezahlen hatte. Mit der falschen Preisangabe bezweckte sie nach den Feststellungen des FG, die Abfertigung zum freien Verkehr aufgrund einer Genehmigung zu erlangen, die den höheren Preis zur Voraussetzung hatte. Damit aber sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen nach der Entscheidung des EuGH Art.2 Abs.1 zweiter Gedankenstrich Erstattungs/Erlaß-VO --der allein eine Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Klägerin abgeben könnte-- unanwendbar ist (so im Ergebnis auch FG Berlin, Urteil vom 27.November 1984 VII 20/84, EFG 1985, 455; Bail/Schädel/Hutter, Kommentar Zollrecht, F IX 1/2 Anm.5, mit Hinweisen; Schwarz/Wockenfoth, Zollgesetz, D II VO Nr.1430/79-Erstattung/Erlaß Anm.3 a; der Senat hat die Frage in seinem Urteil in BFH/NV 1989, 359, 360 offen gelassen).
Der Senat folgt dieser Auffassung des EuGH. Er sieht sich darin nicht dadurch gehindert, daß der Sachverhalt, mit dem sich der EuGH zu befassen hatte, nicht voll mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar ist (dort Angabe nur des Bruttopreises und Verschweigung von vereinbarten Rabatten und Umsatzvergütungen, hier Angabe eines Preises, der einer höheren Warenqualität entsprach als die vereinbarungsgemäß gelieferte und eingeführte Ware aufwies). Dieser Unterschied war für das EuGH-Urteil nicht relevant, wie seine Gründe deutlich machen.
Fundstellen
Haufe-Index 63388 |
BFHE 160, 565 |
BFHE 1991, 565 |
BB 1990, 1697 (L) |
HFR 1990, 611 (LT) |
StE 1990, 301 (K) |