Leitsatz (amtlich)

Sind nur die besonderen Voraussetzungen für eine Fortschreibung des Einheitswerts wegen Flächenänderung erfüllt, so können bei der Durchführung der Wertfortschreibung Wertänderungen aus anderen Gründen nicht berücksichtigt werden.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 22 Abs. 1 Nr. 1; ÄndG-BewG 1965 Art. 2 Abs. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs. Für diesen Betrieb wurde zuletzt zum 1. Januar 1966 ein Einheitswert in Höhe von 44 000 DM festgestellt. Im Jahre 1967 verkaufte der Kläger 0,6 ha Ackerland; außerdem brach er einen Schuppen ab, der nicht auf der verkauften Fläche stand und der in dem bisher festgestellten Einheitswert mit einem Zuschlag von 2 600 DM erfaßt war.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) führte zum 1. Januar 1968 eine Wertfortschreibung durch, bei der er nur den Flächenabgang berücksichtigte. Das FA ließ den Abbruch des Schuppens außer Betracht, weil die Wertgrenzen für die Berücksichtigung dieser Änderung nicht erreicht seien. Dementsprechend stellte es einen Einheitswert von 42 500 DM fest.

Nach erfolglosem Einspruch hob das FG auf die Klage den zum 1. Januar 1968 ergangenen Feststellungsbescheid auf und stellte den Einheitswert unter Berücksichtigung des Flächenabgangs und des Abbruchs des Schuppens auf 39 900 DM fest.

Die zugelassene Revision des FA rügt, das FG habe bei seiner Entscheidung nicht beachtet, daß nach der Rechtsprechung des BFH die Fortschreibung wegen Flächenänderung und die Fortschreibung aus anderen Gründen getrennt nebeneinander ständen. Falls lediglich die Wertgrenzen für eine Fortschreibung zur Berücksichtigung einer Flächenänderung erfüllt seien, könnten bei dieser Fortschreibung nicht auch sonstige wertbeeinflussende Änderungen berücksichtigt werden, die die Wertgrenzen für eine Fortschreibung nicht erfüllten.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.

Rechtsgrundlage für die Fortschreibung des Einheitswerts des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers ist § 225a AO in Verbindung mit § 22 BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 - ÄndG-BewG 1965 - (BGBl I 1965, 851, BStBl I 1965, 375). Danach konnte zum 1. Januar 1968 der für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb festgestellte Einheitswert fortgeschrieben werden, wenn er von dem zuletzt festgestellten Einheitswert um mehr als ein Viertel, mindestens aber um 3 000 DM, oder um mehr als 200 000 DM abweicht (vgl. auch BFH-Entscheidung vom 18. Februar 1972 III R 42/71, BFHE 105, 151, BStBl II 1972, 482 unter 1). Wird bei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb die Grundstücksfläche verkleinert oder vergrößert, so wird der Einheitswert ohne Rücksicht auf vorstehende Wertgrenzen fortgeschrieben, wenn der neue Wert um mindestens 1 000 DM von dem zuletzt festgestellten Einheitswert abweicht.

Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden und hält auch für die Entscheidung des vorliegenden Falles daran fest, daß die Fortschreibung eines Einheitswerts für Grundbesitz wegen Flächenänderung und wegen Änderung aus anderen Gründen zwei selbständig nebeneinander stehende Fälle der Wertfortschreibung sind, deren Voraussetzungen getrennt geprüft werden müssen (BFH-Entscheidung vom 1. Oktober 1971 III R 8/70, BFHE 104, 142, BStBl II 1972, 164). Eine Änderung an dem Grundbesitz kann nur dann zu einer Fortschreibung führen, wenn sie die Wertgrenzen der Fallgruppe erfüllt, in die sie einzuordnen ist.

Der Abbruch eines Gebäudes ist eine Wertänderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BewG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 4 ÄndG-BewG 1965, d. h. eine Wertänderung aus anderen Gründen als einer Verkleinerung oder Vergrößerung der Grundfläche. Der vom Kläger im Jahre 1967 abgebrochene Schuppen war in dem zuletzt zum 1. Januar 1966 festgestellten Einheitswert unstreitig mit einem Wertanteil von 2 600 DM enthalten. Der Abbruch dieses Wirtschaftsgebäudes führt damit zu einer Wertminderung, die weder die Bruchteilsgrenze von 1/4 des zuletzt festgestellten Einheitswerts (= 11 000 DM) überschreitet noch die Mindestgrenze von 3 000 DM erreicht; er kann deshalb nicht zu einer Fortschreibung des zuletzt festgestellten Einheitswerts führen.

Der Abgang einer Fläche von 0,6 ha Ackerland führt zu einer Wertminderung des bisher festgestellten Einheitswerts, die 1 000 DM überschreitet. Damit sind die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung des zuletzt festgestellten Einheitswerts wegen Verkleinerung der Grundfläche gegeben.

Der Senat hat zwar mit Urteil III R 8/70 entschieden, daß bei einer Fortschreibung aus anderen Gründen als einer Flächenänderung bei der Feststellung des neuen Einheitswerts alle Umstände berücksichtigt werden müssen, die den Wert der wirtschaftlichen Einheit seit der letzten Feststellung verändert haben. Dieser Rechtssatz kann jedoch nicht dahin erweitert werden, daß bei einer Fortschreibung wegen Flächenänderung auch alle anderen wertbeeinflussenden Umstände zu beachten sind. Die Fortschreibung wegen Veränderung der Grundfläche muß vielmehr darauf beschränkt werden, den Flächenabgang oder -zugang allein auszugleichen. Dies hat folgenden Grund:

Der durch Hauptfeststellung allgemein festgestellte Einheitswert für Grundbesitz soll nach der gesetzlichen Regel Besteuerungsgrundlage für sechs Jahre sein (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Wertänderungen während des Hauptfeststellungszeitraums sollen nur berücksichtigt werden, wenn sie von einigem Gewicht sind und nicht nur untergeordnete Bedeutung haben. Derartige Wertänderungen sind nach dem Gesetz dann gegeben, wenn sie eine bestimmte feste Wertgrenze (zum 1. Januar 1968 = 200 000 DM) oder eine Bruchteilsgrenze unter Berücksichtigung einer Mindestgrenze (zum 1. Januar 1968 = 1/4, mindstens aber 3 000 DM) überschreiten. Veränderungen an dem Grundstück, die Wertänderungen unter diesen Wertgrenzen bewirken, sollen dagegen während des Hauptfeststellungszeitraums unbeachtet bleiben und erst in die Wertfeststellung bei der nächsten Hauptfeststellung eingehen. Der Abbruch des Schuppens bewirkte eine solche Wertänderung, die erst bei der nächsten Hauptfeststellung berücksichtigt werden kann.

Eine Ausnahme hiervon besteht für Flächenänderungen. Sie führen schon bei einer durch die Flächenänderung bewirkten Wertänderung von mindestens 1 000 DM zur Fortschreibung des Einheitswerts. Diese Regelung ist darin begründet, daß insbesondere beim Flächenabgang häufig eine Doppelbesteuerung eintreten könnte, wenn man die höheren Wertgrenzen für eine Wertfortschreibung aus anderen Gründen fordern würde. Denn beim Veräußerer werden diese Wertgrenzen, insbesondere bei landwirtschaftlichen Betrieben im Hinblick auf die niedrigen Bodenwerte, häufig nicht erreicht, so daß eine Fortschreibung nicht möglich wäre, während beim Erwerber für dieselbe Fläche möglicherweise eine Nachfeststellung veranlaßt ist (§ 23 BewG) oder, falls die erworbene Fläche zur Vergrößerung einer wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens dient, wegen der durch die Änderung der Vermögensart ausgelösten höheren Bewertung eine Wertfortschreibung durchzuführen ist. Um die Doppelbesteuerung zu vermeiden, hat der Gesetzgeber eine besondere Regelung für Wertänderungen wegen Verkleinerung oder Vergrößerung der Grundfläche geschaffen, die im Hinblick auf die Sonderregelung darauf beschränkt werden muß, nur die Flächenänderung auszugleichen.

Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen; seine Entscheidung war deshalb aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif, weil die vom FG festgestellten Tatsachen ausreichen, um die begehrten Rechtsfolgerungen ziehen zu können.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsauffassung hat das FA den Abbruch des Schuppens bei der Fortschreibung des Einheitswerts für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers zum 1. Januar 1968 zu Recht unbeachtet gelassen. Die Klage ist deshalb als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70578

BStBl II 1973, 795

BFHE 1974, 210

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