Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung des Restvermögens im Sinne der Tz. 18 der Verwaltungsanordnung über den Erlaß von Vermögensabgabe und Soforthilfeabgabe aus Billigkeitsgründen vom 19. Juli 1954 (BStBl I 1954, 380) sind Zurechnungen nach Tz. 22 dieser Verwaltungsanordnung für Aufwendungen auf Grundstücke, die nicht zu einer Erhöhung der Einheitswerte der Grundstücke geführt haben, insoweit nicht zu machen, als es sich um reine Reparaturaufwendungen handelt, die nach ertragsteuerlichen Grundsätzen als sofort abzugsfähige Werbungskosten anzuerkennen sind. Dabei kann grundsätzlich die ertragsteuerliche Behandlung dieser Aufwendungen durch das FA übernommen werden, sofern nicht im Einzelfall dagegen Bedenken bestehen.
Normenkette
LAG § 203 Abs. 5; AO § 131
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist durch einen auf § 218 Abs. 4 AO gestützten, unanfechtbar gewordenen Bescheid vom 10. Januar 1962 zur Vermögensabgabe veranlagt worden. Das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen bestand nur aus einem einheitlich und gesondert festgestellten, der Vermögensabgabe unterliegenden Anteil der Klägerin an einer KG. Zum Betriebsvermögen dieser KG gehörte am Währungsstichtag ein Grundstück, dessen Baulichkeiten zu 65 v. H. kriegszerstört waren und dessen Einheitswert wegen der Kriegssachschäden zum 1. Januar 1946 auf den Grund- und Bodenwert fortgeschrieben war. Die KG wurde Ende 1949 aufgelöst. Das Grundstück fiel an die aus der Klägerin und ihren Söhnen bestehende Erbengemeinschaft. Bei der Umwandlung des Gesamthandeigentums des Grundstücks in Bruchteilseigentum erhielt die Klägerin einen Anteil von 2/8 des Einheitswerts. Außerdem wurde ihr von der Hypothekengewinnabgabe(HGA)-Schuld der KG eine diesem Anteil entsprechende Quote zugeteilt. Die Grundstücksgesellschaft verpachtete Ende 1950 das Grundstück an eine neugegründete KG, an der die Klägerin als Komplementärin beteiligt war. In den Jahren 1949 bis 1952 wandte die Grundstücksgemeinschaft zur Beseitigung der Kriegssachschäden und anderer Schäden 92 000 DM und in den Jahren 1953 bis 1959 weitere 82 700 DM auf. Die Bauarbeiten wurden überwiegend fremdfinanziert. Später wurden die Verbindlichkeiten durch hypothekarisch gesicherte Bankdarlehen umgeschuldet. Alle Ausgaben für die Baumaßnahmen sind nach dem Vorbringen der Klägerin ertragsteuerlich als sofort abzugsfähige Instandsetzungskosten anerkannt worden. Sie führten nicht zu einer Wertfortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks, weil die Wertgrenzen des § 22 BewG 1965 nicht überschritten waren.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 26. Oktober 1962 den Erlaß der Vermögensabgaberaten für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1959 wegen Vermögensverfalls. Dabei berechnete sie das Restvermögen auf den 1. Januar 1957 und auf den 31. Dezember 1959 derart, daß sich auf den 1. Januar 1957 ein Vermögensverlust von über 50 v. H. und auf den 31. Dezember 1959 ein Vermögensverlust von 100 v. H. ergaben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte durch Bescheid vom 5. Juni 1969 den Erlaß ab. Das FA setzte bei der Berechnung des Restvermögens den Anteil der Klägerin am Grundstück nicht mit dem Einheitswertanteil von 86 500 DM, sondern mit dem von einem Bauschätzer des FA ermittelten anteiligen Verkehrswert des Grundstücks zum 1. Januar 1957 von 109 740 DM und zum 31. Dezember 1959 von 135 625 DM an, so daß sich weder zum 1. Januar 1957 noch zum 31. Dezember 1959 ein Vermögensverlust ergab.
Die Beschwerde wurde von der OFD als unbegründel zurückgewiesen. Auch die Klage wurde abgewiesen. Das FG hielt zwar den Ansatz des Grundstücksanteils mit dem anteiligen Verkehrswert im Restvermögen nicht für zulässig. Es war jedoch der Auffassung, daß ein Teil der Bauaufwendungen auf das Grundstück zu einer am 1. Januar 1957 noch vorhandenen Wertsteigerung des Grundstücks geführt habe. Es schätze diese Wertsteigerung griffweise auf 20 000 DM, wovon auf die Klägerin 5 000 DM entfielen. Das Restvermögen am 1. Januar 1957 bleibe danach, nicht um mindestens 40 v. H. hinter dem Ausgangsvermögen zurück, so daß ein Erlaß nicht gewährt werden könne.
Mit der Revision, die der BFH auf die Beschwerde der Klägerin wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat, beantragte die Klägerin, das FG-Urteil, die Beschwerdeentscheidung der OFD und den angefochtenen Bescheid des FA vom 5. Juni 1969 aufzuheben und das FA für verpflichtet zu erklären, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Es wird Verletzung des § 203 Abs. 5 LAG i. V. mit § 131 AO und der §§ 76 FGO und 217 AO gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Das FG verkenne den Begriff der Vermögensumschichtung im Sinne von Textziffer 22 der Verwaltungsanordnung über den Erlaß von Vermögensabgabe und Soforthilfeabgabe aus Billigkeitsgründen vom 19. Juli 1954 - VAO - (BStBl I 1954, 380), wenn es Kosten für die notwendige Instandsetzung und Instandhaltung von baulichen Anlagen, die ertragsteuerlich als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben anerkannt worden seien, als eine Umschichtung von Vermögen ansehe. Bei der durchgreifenden Reparatur eines Grundstücks werde, auch wenn sie eine Menge Geld koste, nicht Geldvermögen in einen neuen Grundstücksvermögenswert umgewandelt und damit Vermögen umgeschichtet, sondern nur ein längst vorhandener Vermögenswert erhalten und allenfalls etwas verbessert. Wie sich aus Textziffern 14 und 18 des Betriebsprüfungsberichts vom 25. Oktober 1957 ergebe, sei mit den nicht unbeträchtlich aufgewendeten Mitteln ausschließlich ein vorhandener Vermögenswert funktionsfähig gehalten, aber kein neuer Vermögenswert geschaffen worden. Das Grundstück sei weder neu bebaut noch ausgebaut worden.
Die OFD und das FA beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Anweisungen des BdF in der VAO und in dem Änderungserlaß vom 21. Januar 1957 (BStBl I 1957, 125) zum Erlaß der Vermögensabgabe wegen Vermögensverfalls beruhen auf der dem BdF in § 203 Abs. 5 LAG erteilten Ermächtigung, die Anwendung des § 131 AO auf die Lastenausgleichsabgaben durch besondere Verwaltungsanordnungen zu regeln. Dabei handelt es sich um verwaltungsinterne Richtlinien für die Finanzverwaltungsbehörden zur einheitlichen und gleichmäßigen Handhabung des § 131 AO. Die Steuergerichte sind an die Richtlinien nicht gebunden. Haben die Verwaltungsbehörden einen Erlaß von Vermögensabgabe aus Billigkeitsgründen aufgrund dieser Richtlinien abgelehnt, so müssen die Steuergerichte im Rechtsmittelverfahren prüfen, ob sich die vom BdF getroffene Regelung innerhalb der Grenzen hält, die das GG und die einfachen Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen, und ob die Verwaltungsbehörden bei dieser Entscheidung die Verwaltungsanordnungen des BdF richtig angewandt haben (vgl. BFH-Urteil vom 1. August 1969 III R 9/69, BFHE 97, 140, BStBl II 1970, 49, und die dort zitierten Entscheidungen).
Die VAO sieht einen Erlaß laufender Vermögensabgabe-Vierteljahrsbeträge vor, wenn während eines Zeitraums von grundsätzlich drei Jahren (Erlaßzeitraum) ein außerordentlicher Vemögensverfall vorgelegen hat. Nach Tz. 12 VAO i. V. mit Tz. 1 des Änderungserlasses vom 21. Januar 1957 ist ein solcher Vermögensverfall für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1959 anzunehmen, wenn der Wert des zu Beginn und am Ende des Erlaßzeitraums vorhandenen Vermögens (Restvermögen) nicht mehr als 60 v. H. des Ausgangsvermögens beträgt. Ausgangsvermögen ist grundsätzlich das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen zum Währungsstichtag (Tz. 15 VAO). Zum Restvermögen gehört nach Tz. 18 VAO jedes Wirtschaftsgut und jeder geldwerte Vorteil. Maßgebend für die Höhe des Erlaßbetrages ist einheitlich für alle im Erlaßzeitraum fällig gewordenen Vierteljahrsbeträge, die Höhe des Vermögensverlustes am Ende des Erlaßzeitraumes. Der Senat hat schon wiederholt ausgesprochen, daß diese Regelung keinen Bedenken unterliegt (vgl. BFH-Urteil III R 9/69).
Im Streitfall hängt die Gewährung des Erlasses davon ab, ob das FG mit Recht dem Restvermögen zum 1. Januar 1957 einen Betrag zugerechnet hat. Diese Zurechnung beruht auf den Anweisungen in Tz. 22 VAO und Tz. 3 des Änderungserlasses vom 21. Januar 1957. Diese Anweisungen sehen vor, daß rein rechnerische, durch Vermögensumschichtungen hervorgerufene Vermögensverluste und Vermögensmehrungen bei der Ermittlung des Vermögensverfalls in der Regel durch Zu- und Abrechnungen zu neutralisieren sind. Nach Tz. 22 VAO sind insbesondere rechnerische Vermögensverluste wegen Umwandlung von Bargeld in Grundbesitz mit einem niedrigeren Einheitswert dadurch auszugleichen, daß der Unterschied zwischen dem Grundstückskaufpreis und dem Einheitswert des Grundstücks dem Restvermögen hinzugerechnet wird. Der Senat hat diese Regelungen in verschiedenen Entscheidungen gebilligt. So hat er in dem Urteil vom 21. März 1969 III 208/65 (BFHE 97, 136, BStBl II 1970, 28) Zurechnungen in Höhe des Herstellungsaufwands für neuerrichtete Gebäude für zulässig erklärt. Der Senat hat jedoch bisher noch nicht entschieden, ob Aufwendungen auf das Grundstück, die nicht zu einer Erhöhung des Einheitswerts geführt haben, als Vermögensumschichtung im Sinne der Erlaßrichtlinien angesehen werden können. Der Senat ist der Auffassung, daß das zwar grundsätzlich der Fall sein kann, daß es sich dabei aber um Aufwendungen handeln muß, die über das zur Erhaltung des ordnungsgemäßen Zustandes des Gebäudes erforderliche Maß hinausgehen. Bei reinen Reparaturaufwendungen, die nach ertragsteuerlichen Grundsätzen als sofort abzugsfähige Werbungskosten anzuerkennen sind, sind diese Voraussetzungen nach Auffassung des Senats nicht erfüllt. Dabei wird grundsätzlich die ertragsteuerliche Behandlung durch das FA übernommen werden können, sofern nicht im Einzelfall dagegen Bedenken bestehen. Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG wird noch Feststellungen darüber zu treffen haben, welche Aufwendungen die Klägerin im einzelnen auf das Streitgrundstück gemacht hat und inwieweit diese Aufwendungen nach ertragsteuerlichen Grundsätzen als laufende und damit sofort abzugsfähige Werbungskosten anerkannt werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 70565 |
BStBl II 1973, 770 |
BFHE 1974, 163 |