Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung sämtlicher Mitgliedschaftsrechte einer Personengesellschaft als Grundstücksveräußerung
Leitsatz (NV)
1. Die Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden Personengesellschaft kann gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i. V. m. § 42 AO 1977 der Grunderwerbsteuer unterliegen.
2. Dies (LS 1) gilt nicht, wenn ein Gesellschafter in der Gesellschaft verbleibt, auch wenn die Veränderung im Gesellschafterbestand zur Folge hat, daß der verbleibende Gesellschafter - im Innenverhältnis - seine vermögensmäßige Beteiligung aufgibt und ausschließlich die Neugesellschafter (wertmäßig) am Vermögen der Gesellschaft beteiligt sind.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
An der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), waren Frau X zu 10 v. H. und Herr Y zu 90 v. H. beteiligt. Die Gesellschafter hatten durch notariellen Kaufvertrag vom 7. März 1983 zur gesamten Hand ein unbebautes Grundstück erworben, das mit einem Mietwohngrundstück mit . . . Wohneinheiten und . . . Kfz-Abstellplätzen in einer Tiefgarage bebaut werden sollte. Nach dem Gesellschaftsvertrag beabsichtigten die Gesellschafter, weitere Gesellschafter in die Gesellschaft aufzunehmen. Die Beitrittserklärungen der Neugesellschafter waren nach einem einheitlichen von dem geschäftsführenden Gesellschafter festgelegten Muster abzugeben, in dem der Beitretende zugleich die in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Vollmachten zu bestätigen hatte. Dem Gesellschafter Y war die alleinige Führung der Geschäfte der Gesellschaft unabhängig von seiner Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft übertragen. Er war ausdrücklich bevollmächtigt, alle zur Durchführung des Bauvorhabens erforderlichen oder nützlichen Rechtshandlungen und Maßnahmen zu treffen und im Namen aller Gesellschafter den Rücktritt von bereits angenommenen und ggf. durch Übertragung von Teilen von Geschäftsanteilen durchgeführten Beitritt neuer Gesellschafter zu erklären. Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis konnte dem geschäftsführenden Gesellschafter jederzeit durch die Gesellschafterversammlung mit der Mehrheit aller Stimmen entzogen werden; bis zur Fertigstellung des Bauvorhabens jedoch nur aus wichtigem Grund. In der Gesellschafterversammlung gewährten jeweils volle 100 DM der gezeichneten Beträge eine Stimme. Unabhängig von einer etwaigen kapitalmäßigen Beteiligung hatte der geschäftsführende Gesellschafter eine Stimme.
Nach Abgabe entsprechender Beitrittserklärungen übertrugen die bisherigen Gesellschafter ihre Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter. Frau X schied lt. notarieller Urkunde aus der Gesellschaft aus; für Herrn Y heißt es in der Urkunde, daß seine Stellung als geschäftsführender Gesellschafter durch die Übertragung seines gesamten Anteils am Gesellschaftsvermögen nicht berührt werde.
Das Finanzamt (FA), der Beklagte und Revisionskläger, unterwarf den Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 i. V. m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) der Grunderwerbsteuer, weil er ausschließlich auf die Übertragung des Grundstücks auf die neuen Gesellschafter abgezielt habe.
Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. August 1984 und die Einspruchsentscheidung vom 29. November 1985 aufgehoben. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile könne nicht als steuerbare Grundstücksübertragung beurteilt werden, weil kein vollständiger Wechsel im Personenstand der Klägerin stattgefunden habe.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG die Grunderwerbsteuerfestsetzung des FA aufgehoben. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden Personengesellschaft gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i. V. m. § 42 AO 1977 der Grunderwerbsteuer unterliegen, weil durch den vollständigen Wechsel im Personenstand einer Personengesellschaft, der als solcher nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt, dasselbe Ergebnis erreicht wird, wie durch den Abschluß eines auf die Übereignung des Grundstücks gerichteten Kaufvertrages zwischen Alt- und Neugesellschaftern in ihrer jeweiligen gesamthänderischen Verbundenheit, der den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 erfüllen würde (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Dezember 1985 II R 142/84, BFHE 145, 242, BStBl II 1986, 190; vom 4. März 1987 II R 150/83, BFHE 149, 75, BStBl II 1987, 394, und vom 7. Juni 1989 II B 111/88, BFHE 156, 527, BStBl II 1989, 803). Maßgebend ist danach, daß sich die Rechtszuständigkeit in Gestalt des Gesamthandseigentums der Gesellschafter an dem Grundstück ändert. Diese Folge tritt aber nur ein, wenn sämtliche Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft übertragen werden. Verbleibt ein Gesellschafter in der Gesellschaft, so kommt es nicht zu einer dem Rechtsgeschäft i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 vergleichbaren, auf die Übertragung des gesamten Grundstücks gerichteten Gestaltung (BFH-Beschluß vom 29. Juli 1987 II B 57/87, BFHE 150, 366, BStBl II 1987, 722).
So liegt aber der Streitfall, denn der Gesellschafter Y hat seine Gesellschafterstellung auch nach Eintritt der neuen Gesellschafter nicht verloren. Er übt weiterhin als Gesellschafter die Geschäftsführung aus (§§ 709, 710 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) und hat in der Gesellschafterversammlung weiterhin Stimmrecht. Anhaltspunkte dafür, daß hinsichtlich der Vereinbarung über die Stellung des geschäftsführenden Gesellschafters und sein Stimmrecht ein Scheingeschäft vorgelegen habe, sind nicht ersichtlich; Sachverhaltsrügen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) hat das FA insoweit nicht erhoben.
Entgegen der vom FA vertretenen Auffassung ist es nicht bereits dann gerechtfertigt, die Übertragung der Mitgliedschaftsrechte an einer Personengesellschaft gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i. V. m. § 42 AO 1977 der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, wenn die Veränderung im Gesellschafterbestand zur Folge hat, daß - im Innenverhältnis - der verbleibende Gesellschafter seine vermögensmäßige Beteiligung aufgibt und ausschließlich die Neugesellschafter (wertmäßig) am Vermögen der Gesellschaft beteiligt sind. Denn der entscheidende Gesichtspunkt - vollständige Änderung der Zuordnung der Gesamthandsberechtigung - ist dann nicht erfüllt, weil auch dem am Gesellschaftsvermögen nur wertmäßig nicht beteiligten Gesellschafter in seiner Verbundenheit mit den anderen Gesellschaftern (sachenrechtlich, §§ 903, 718 BGB) die Eigentumsrechte an dem den Gesellschaftern zur gesamten Hand gehörenden Grundtück zustehen (BFH-Urteil vom 31. Juli 1991 II R 17/88, BFHE 165, 297, BStBl II 1991, 891).
Fundstellen
Haufe-Index 418161 |
BFH/NV 1992, 338 |