Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung der Alleinerbin, die nicht Mitunternehmerin wird
Leitsatz (NV)
Die Alleinerbin eines Personengesellschafters, die nicht Mitunternehmerin wird, weil sie in Erfüllung eines Vermächtnisses des Erblassers (Ehemann) sogleich den gemeinsamen Söhnen die Gesellschafterstellung einräumt, ist notwendigerweise an einem Rechtsstreit der Personengesellschaft für die Zeit bis zum Eintritt des Erbfalls zu beteiligen.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Unternehmen in der Rechtsform einer KG (abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Mai bis 30. April). Sie ist heute eine GmbH & Co. KG; im Streitjahr 1974 (Wirtschaftsjahr 1. Mai 1973 bis 30. April 1974) wurde sie noch als Familien-KG betrieben.
Die Gesellschaftsverhältnisse gestalteten sich nach den dem Senat vorliegenden Steuerakten wie folgt: AC brachte zum 1. Mai 1973 sein Einzelunternehmen in die neugegründete KG ein; Kommanditist wurde sein Sohn BC. Zum 1. Mai 1974 trat eine GmbH als persönlich haftender Gesellschafter in die KG ein; AC wurde Kommanditist. AC verstarb im Dezember 1974. Alleinerbin wurde die Ehefrau MC; den Söhnen BC und CC war die Kommanditbeteiligung des Vaters als Vermächtnis ausgesetzt worden. In einem Handelsregistereintrag hieß es: ,,Der Kommanditist AC ist durch Tod aus der Gesellschaft ausgeschieden. Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ist seine Einlage übergegangen auf MC, die damit als Kommanditistin in die Gesellschaft eingetreten ist. Die Kommanditistin MC ist aus der Gesellschaft ausgeschieden. Im Wege der Sonderrechtsnachfolge ist ihre Einlage übertragen worden auf den Kommanditisten BC und auf CC, der damit als Kommanditist in die Gesellschaft eingetreten ist."
Die Klägerin erwarb 1973 mehrere Rechte und aktivierte die Aufwendungen in ihrer Bilanz zum 30. April 1974 unter Berücksichtigung von Abschreibungen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, daß die Klägerin nichtabschreibbare Wirtschaftsgüter erworben habe. Er erließ am 8. Dezember 1976 einen Gewinnfeststellungsbescheid für 1974, in dem die Abschreibung nicht berücksichtigt und die Gewerbesteuerrückstellung entsprechend erhöht worden war. Der Bescheid rechnete den Gesamtgewinn AC Vermächtnisnehmer BC u. CC zu; der Gewinnanteil für AC wurde in einer Bescheidsanlage je zur Hälfte auf BC und CC ,,als Vermächtnisnehmer n. AC" verteilt.
Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos.
Die Klägerin rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere der §§ 5 bis 7 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), Verstöße gegen die Denkgesetze und allgemeine Auslegungs- und Erfahrungssätze sowie mangelnde Sachaufklärung. Außerdem hatte sie in der Revisionsbegründungsschrift vom 19. Februar 1981 Verletzung der §§ 60, 110 der Finanzgerichtsordnung (FGO), §§ 179, 180, 78, 122 der Abgabenordnung (AO 1977) gerügt und dazu ausgeführt: Im Streitjahr sei ihr persönlich haftender Gesellschafter AC gewesen. Am 1. Mai 1974 sei sie in eine GmbH & Co. KG geändert worden, wobei AC Kommanditist geworden sei. Ende 1974 sei AC durch Tod ausgeschieden. Seine Ehefrau MC sei Alleinerbin geworden. Die Gesellschaftsbeteiligung sei auf die Söhne als Vermächtnisnehmer übergegangen. Der angegriffene Gewinnfeststellungsbescheid, der nur der Gesellschaft zugestellt worden sei, hätte der Erbin gesondert zugestellt werden müssen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672). Diese hätte auch im Einspruchsverfahren zugezogen und im Klageverfahren beigeladen werden müssen. Die Vorentscheidung müsse aus diesem Grunde aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen werden. In dem Schriftsatz vom 27. April 1981 hat die Klägerin hingegen erklärt: Sie halte die Rüge der Verletzung der §§ 60, 110 FGO, §§ 78, 122, 179, 180 AO 1977 nicht mehr aufrecht. Die gewählte Verfahrensart sei zwischen den Beteiligten abgesprochen gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Es ist anzunehmen, daß MC notwendigerweise beizuladen ist (§ 60 Abs. 3 FGO). Sie war nach der Darstellung in der Revisionsbegründungsschrift Alleinerbin von AC, der im Wirtschaftsjahr 1973/74 persönlich haftender Gesellschafter der Klägerin war. Sollte sich diese Darstellung, die dem wiedergegebenen Inhalt der Steuerakten entspricht, bestätigen, müßte die Entscheidung auch gegenüber MC ergehen. Ist ein Gesellschafter aus einer Personengesellschaft ausgeschieden, muß er an Gewinnfeststellungsverfahren, die die Zeit bis zu seinem Ausscheiden betreffen, auch dann beteiligt werden, wenn Fragen streitig sind, die die Gesellschaft als solche angehen. Er ist dann selbst klagebefugt und, falls er nicht klagt, notwendigerweise beizuladen. Der Ausschluß der Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO und der Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO greift nicht ein. Falls ein Gesellschafter - wie hier - durch Tod ausscheidet, treten an seine Stelle seine Erben. Sie sind an dem Verfahren zu beteiligen, falls die Personengesellschaft ohne sie fortgesetzt wird (BFH-Urteil vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746).
Einer Beiladung würde im Streitfall nicht entgegenstehen, daß MC mit dem Vermächtnis belastet gewesen sein sollte, den Söhnen BC und CC die Beteiligung des Erblassers an der Klägerin einzuräumen. Vermächtnisnehmer treten nicht unmittelbar in die Stellung des Erblassers ein. Sie erwerben lediglich das Recht, von dem beschwerten Erben die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern (§ 2174 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). MC haftet im Außenverhältnis persönlich für die bis 1974 begründeten Gesellschaftsschulden der Klägerin (§§ 128, 161 des Handelsgesetzbuches - HGB -, § 1967 Abs. 1 BGB). Sie haftet insbesondere für die Zahlung der Einkommensteuer, die sich aus dem Gewinnanteil 1974 des Erblassers an der Klägerin ergibt (§ 45 AO 1977). Die Haftung würde nicht dadurch aufgehoben, daß die Vermächtnisnehmer im Innenverhältnis zu einer Freistellung der Erbin verpflichtet sein sollten.
Die Rücknahme der die Beiladung betreffenden Rüge mit Schreiben vom 27. April 1981 enthebt den Senat nicht der Notwendigkeit, von sich aus der Beiladungsfrage nachzugehen. Die Beiladung geht die Grundordnung des Verfahrens an und ist daher von Amts wegen zu prüfen (BFH-Urteil vom 29. September 1981 VIII R 90/79, BFHE 134, 505, BStBl II 1982, 216). Das Vorbringen in der Revisionsbegründungsschrift gibt Anlaß für eine solche Prüfung. Die ,,Absprache" unter den bisher Beteiligten über die Verfahrensweise ist nicht im einzelnen geschildert worden. Hierauf kommt es auch nicht an. In Fragen der Grundordnung des Verfahrens sind Absprachen unerheblich.
Falls das FG danach MC beiladen sollte, wird es vor einer erneuten Entscheidung in der Sache verfahrensrechtlich noch folgendes zu bedenken haben. Die fehlende (ebenfalls notwendige) Hinzuziehung von MC im Vorverfahren (§ 360 Abs. 3 AO 1977) dürfte nach der bisherigen Verfahrenslage unbeachtlich sein. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH heilt die Beiladung im gerichtlichen Verfahren eine im Vorverfahren unterlassene notwendige Hinzuziehung (Urteile vom 25. November 1970 III R 122/69, BFHE 101, 28, BStBl II 1971, 272; vom 31. Mai 1978 I R 76/76, BFHE 125, 332, BStBl II 1978, 600). Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, müßte - anders als bisher im Streitfall - ein auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränkter Klagantrag gestellt werden (BFH-Urteil vom 19. August 1982 IV R 185/80, BFHE 136, 445, BStBl II 1983, 21). Das FG wird aber prüfen müssen, ob der angegriffene Gewinnfeststellungsbescheid sich auch gegen MC richtet und ihr bekanntgegeben worden ist. Diese Voraussetzungen müßten, falls MC Alleinerbin nach AC geworden sein sollte, erfüllt sein; auf die vorstehenden Ausführungen zur Beiladung wird verwiesen. Sollte lediglich die Bekanntgabe des Bescheids an MC unterlassen worden sein, könnte das FA diese Bekanntgabe - auch noch im Klageverfahren - nachholen (BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15). Sollte der Gewinnfeststellungsbescheid indessen - darüber hinausgehend - sich auch nicht an MC richten, könnte er keinen Bestand haben. Für eine solche Auslegung des Bescheids könnte sprechen, daß MC in ihm an keiner Stelle erwähnt wird - auch nicht als Erbin nach AC.
Fundstellen
Haufe-Index 413782 |
BFH/NV 1985, 89 |