Leitsatz (amtlich)
Die stille Beteiligung eines schweizerischen Unternehmens an einem inländischen deutschen Unternehmen ist eine Beteiligung "an einem gesellschaftlichen Unternehmen" im Sinne von Art. 3 Abs. 4 DBA-Schweiz. Der Senat tritt dem BFH-Urteil VI 338/63 U vom 5. Februar 1965 (BFH 82, 29, BStBl III 1965, 258) nicht bei.
Normenkette
DBA SWE Art. 3, 6; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 2, § 43 Abs. 1 Nr. 2, § 44 Abs. 5; KapStDV § 5 Abs. 1
Tatbestand
Der Revisionskläger (das FA) hat die Revisionsbeklagte, eine inländische KG, deren Betriebstätten im Inland liegen, mit Haftungsbescheid gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2, § 44 Abs. 5 EStG, § 5 Abs. 1 KapStDV für Kapitalertragsteuer in Anspruch genommen, weil sie auf den ihrer stillen Gesellschafterin, einer in der Schweiz domizilierenden AG, im Jahre 1965 ausgekehrten Anteil am Jahresgewinn 1964 keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt hat. Auf die gemäß § 45 FGO erhobene Anfechtungsklage der KG hob das FG den Haftungsbescheid ersatzlos auf. Seine in EFG 1967, 339 veröffentlichte Entscheidung begründet es wie folgt:
Die Rechtslage sei zweifelhaft. Das FA vertrete die Auffassung, daß die stille Beteiligung der schweizerischen AG an der KG als Beteiligung "an einem gesellschaftlichen Unternehmen" im Sinne von Art. 3 Abs. 4 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern (DBAS) vom 15. Juli 1931 (RGBl II 1934, 38, RStBl 1934, 199) anzusehen sei mit der Folge, daß die auf die Beteiligung ausgeschütteten Gewinne der Besteuerung des Quellenstaates - hier der Bundesrepublik Deutschland (BRD) - unterliege, in dem das Unternehmen der KG betrieben werde. Demgegenüber habe der BFH im Urteil VI 338/63 U vom 5. Februar 1965 (BFH 82, 29, BStBl III 1965, 258) dahin erkannt, daß die Beteiligung des typischen stillen Gesellschafters keine solche Beteiligung "an einem gesellschaftlichen Unternehmen" sei und der schweizerische stille Gesellschafter weder nach Art. 3 Abs. 4 noch nach Art. 6 Abs. 2 DBAS der Besteuerung durch die BRD unterliege. Das DBAS erwähne die stille Gesellschaft nicht, da nach dem schweizerischen Obligationenrecht ein Rechtsverhältnis dieser Art entweder ähnlich der deutschen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts behandelt oder aber als partiarisches Darlehen eingeordnet werde. Nach dem vom FA in Bezug genommenen Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 9. November 1965 (S 1301 A - 9/63, über die Nichtanwendung des BFH-Urteils VI 338/63 U; abgedruckt bei Felix, Steuererlasse in Karteiform, Doppelbesteuerung Schweiz, Nr. 12) würden in der Schweiz im Regelfall die Einkünfte aus einem typischen stillen Gesellschaftsverhältnis deutschen Rechts als Kapitaleinkünfte im Sinne von Art. 6 DBAS behandelt, werde mithin grundsätzlich in der Schweiz der Wohnsitzstaat für steuerberechtigt gehalten. Bei dieser Sachlage sei es nicht gerechtfertigt, die auch nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnenden Einkünfte aus stiller Beteiligung über Art. 3 Abs. 4 DBAS wie Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Das Gericht schließe sich insoweit sowie auch hinsichtlich der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 2 DBAS (in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 9. September 1957, BGBl II 1959, 183, BStBl I 1959, 151) dem BFH-Urteil VI 338/63 U an. Dieses Urteil stütze sich angesichts der zu dieser Rechtsfrage seit Jahren vertretenen unterschiedlichen Auffassungen auf den Wortlaut des DBAS und der einschlägigen Vorschriften des deutschen Steuerrechts. Ihm sei im Interesse der Rechtssicherheit solange zu folgen, als nicht im Verständigungsverfahren mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft eine befriedigendere Lösung gefunden worden sei. Der Hinweis des FA auf das zum Abkommen zwischen dem Deutschen Reiche und dem Königreich Schweden zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung, insbesondere zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern vom 25. April 1928 - DBA-Schweden - (RGBl II 1928, 522) ergangene BFH-Urteil III 342/60 U vom 17. Dezember 1965 (BFH 86, 191, BStBl III 1966, 483), in dem die Einkünfte aus stiller Beteiligung in Auslegung einer mit Art. 3 Abs. 4 DBAS im wesentlichen übereinstimmenden Vorschrift als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt werden, gebe keinen Anlaß zu einer abweichenden Entscheidung.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA. Zu ihrer Begründung trägt es vor:
Das FG und der VI. Senat des BFH im Urteil VI 338/63 U seien nach Ansicht der Verwaltungsbehörden auf die spezielle Problematik des DBAS nicht eingegangen. Es könne insbesondere nicht befriedigen, daß die Urteile die Vorschriften des DBAS allein nach den Rechtsbegriffen des innerdeutschen Rechts auslegten und dabei die eigenen Begriffsvorstellungen des DBAS außer acht ließen, wie sie sich aus dem Zusammenhang seiner Vorschriften unter Berücksichtigung des Willens und der Zielsetzung der beiden Vertragsstaaten ergäben. Demgegenüber habe sich der III. Senat des BFH im Urteil III 342/60 U der Ansicht der Verwaltungsbehörden angeschlossen. Dieses Urteil sei zwar zum DBA-Schweden von 1928 ergangen; dieses enthalte aber in seinen Art. 3 und 9 für Beteiligungen die gleiche Regelung wie das DBAS in seinem Art. 3 Abs. 4. Nach diesem die Rechtsauffassung des VI. Senats ablehnenden Urteil sei der Begriff der Beteiligung an einem gesellschaftlichen Unternehmen im DBAS bewußt weiter gefaßt worden als im innerdeutschen Steuerrecht. Die Regelung des DBAS entspreche dem Wunsch, Doppelbesteuerung in möglichst weitem Umfang zu beseitigen. Da Art. 3 Abs. 4 DBAS nur solche Beteiligungen aus der sehr weitgehenden Regelung für das gewerbliche Vermögen ausschließe, die in Aktien oder auf andere Weise in einem Wertpapier verkörpert seien, sei es folgerichtig, bei dieser weitgesteckten Zielsetzung auch die stille Gesellschaft in den Bereich dieser Regelung einzubeziehen, zumal der Anteil des stillen Gesellschafters nicht in einem Wertpapier verkörpert sei. Dafür spreche insbesondere, daß seine Beteiligung mit dem Quellenstaat eng verbunden sei und dieser Staat, in dem sich das Unternehmen befinde, Art und Umfang des Steuerobjekts besser festzustellen und zu erfassen in der Lage sei.
Die Revisionsbeklagte ließ demgegenüber vortragen:
In tatsächlicher Hinsicht solle zwar nicht bestritten werden, daß die in der Schweiz domizilierende AG hinsichtlich ihrer Rechtsbeziehungen zur Steuerpflichtigen als typische stille Gesellschaft im Sinne des Handelsrechts anzusehen sei. Handelsrechtlich sei jedoch nicht die äußere Rechtsform, sondern der Inhalt der von ihr im Einzelfall gedeckten Rechtsbeziehungen entscheidend. Betrachte man diese, so fehle es an allen jenen Momenten, die eine stille Gesellschaft von einem partiarischen Darlehen unterschieden, so daß die AG lediglich als Gläubigerin im schuldrechtlichen Sinne angesehen werden könne und die ihr zugeflossenen Erträge notwendig Zinsen im Sinne von Art. 6 Abs. 2 DBAS seien. Insbesondere sei jede Verlustbeteiligung ausgeschlossen.
Dem entspreche auch die rechtliche Beurteilung der stillen Gesellschaft in der Schweiz. Sie verweise hierzu auf die Ausführungen von Locher, Doppelbesteuerung Schweiz-Deutschland, § 6 IV B Nrn. 3 bis 5, sowie von Debatin, DStZ A 1966, 369 [374], nach denen die Schweiz die stille Beteiligung nicht als eine Beteiligung an einem gesellschaftlichen Unternehmen im Sinne des Art. 3 Abs. 4 DBAS ansieht. Die abweichende Auffassung des FA habe zur Folge, daß sowohl der Quellen- als auch der Wohnsitzstaat das uneingeschränkte Recht auf die Besteuerung der streitigen Erträge für sich beanspruchten.
Der BdF, der gemäß § 122 Abs. 2 FGO dem Verfahren beigetreten ist, hat ausgeführt:
Handelsrechtlich stelle die stille Beteiligung ein Gesellschaftsverhältnis besonderer Art dar. Die Besteuerung des stillen Gesellschafters mit den Einkünften aus seiner stillen Beteiligung entspreche der Abzugsfähigkeit dieses Betrags beim Beteiligungsunternehmen. Um diese Besteuerung sicherzustellen, sei der Begriff "Beteiligung an einem gesellschaftlichen Unternehmen" in Art. 3 Abs. 4 DBAS so weit auszulegen, daß er im Streitfall auch die gemeinhin als Einkünfte aus beweglichem Kapitalvermögen angesehenen Einkünfte des typischen stillen Gesellschafters erfasse. Der ausdrückliche Ausschluß der durch Wertpapiere verkörperten Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bestätige diese Auffassung, in der eine Übereinstimmung zwischen der BRD und der Schweizerischen Eidgenossenschaft bisher nicht zu erzielen gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Dem FA kann dahin zugestimmt werden, daß das BFH-Urteil III 342/60 U als eine Billigung seines Rechtsstandpunkts zur Auslegung des Art. 3 Abs. 4 DBAS anzusehen ist. Denn dieses Urteil befaßt sich mit der Auslegung der den Vorschriften der Art. 3 und 6 DBAS insoweit fast wörtlich entsprechenden Art. 3 und 7 des DBA-Schweden vom 25. April 1928 im Hinblick auf die Einordnung der Einkünfte des typischen stillen Gesellschafters. Das Urteil bezieht sich nicht auf Art. 3 Abs. 4 des DBA-Schweden in der Neufassung vom 17. April 1959 (BStBl I 1960, 415), durch den diese Einkünfte den Dividenden gleichgestellt worden sind. Das vor Inkrafttreten der FGO ergangene Urteil des VI. Senats VI 338/63 U, das bereits seinerzeit den III. Senat formell nicht binden konnte, kann auch den erkennenden Senat im vorliegenden Streitfall nicht binden (§ 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO). Ob der erkennende Senat dagegen durch das Urteil des III. Senats III 342/60 U gebunden ist, weil es erst nach dem Inkrafttreten der FGO "ergangen" ist (§ 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO; BFH-Urteil VI R 80/66 vom 15. Juli 1966, BFH 86, 543, BStBl III 1966, 595; BFH-Beschluß I R 83/66 vom 23. August 1966, BFH 86, 725, BStBl III 1966, 660) oder aber deshalb nicht gebunden ist, weil es in einem Vermögensteuerfall und zum DBA-Schweden ergangen ist, kann hier dahingestellt bleiben, da diese Frage nur für den Fall einer abweichenden Sachentscheidung Bedeutung hätte haben können.
2. Die Revisionsbeklagte hat weder im Verfahren vor dem FG noch auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat bestritten, daß die Beteiligung der in der Schweiz domizilierenden AG an ihrem Unternehmen handelsrechtlich als stille Gesellschaft einzuordnen sei. Das FG hatte danach keine Veranlassung, in eine nähere Prüfung darüber einzutreten, ob durch die zwischen der Revisionsbeklagten und der AG bestehenden Rechtsbeziehungen in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen für das Vorliegen eines stillen Gesellschaftsverhältnisses erfüllt seien oder das Vorliegen eines partiarischen Darlehens erwiesen werde. Wie der BGH im Urteil II ZR 45/50 vom 11. Juli 1951 (BGHZ 3, 75) ausgeführt hat, ist "der entscheidende Gesichtspunkt für das Vorliegen einer stillen Gesellschaft ... in dem gemeinsamen Zweck der Vertragschließenden und einer darauf gegründeten gesellschaftsrechtlichen Bindung der Vertragsparteien zu erblicken. Der Zusammenschluß zu einer Zweckgemeinschaft ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal der stillen Gesellschaft vom Darlehen, dessen Zweck auch bei einer vereinbarten Gewinnbeteiligung stets der einer bloßen Kreditgewährung ist". Daß es hier angesichts der zwischen der AG und der Revisionsbeklagten bestehenden Rechtsbeziehungen an diesem Zusammenschluß zu einer Zweckgemeinschaft fehle, hat die Revisionsbeklagte erstmals - und zur Begründung ihres Verlangens nach einer besonderen, in Anbetracht der Gegebenheiten von der rechtlichen abweichenden wirtschaftlichen Beurteilung - im Revisionsverfahren vorgetragen. Sie konnte damit jedoch in diesem Verfahren, das der Nachprüfung des auf einem bestimmten und auch nicht als unrichtig erkennbaren Tatbestand beruhenden Urteils des FG dient, nicht mehr gehört werden (§ 118 Abs. 2 FGO).
3. Die im Zusammenschluß zu einer Zweckgemeinschaft liegende gesellschaftsrechtliche Bindung begründet - im allgemeinen wie im vorliegenden Streitfall - auch die Einordnung der stillen Gesellschaft unter die Vorschrift der Art. 3 Abs. 4 DBAS, derzufolge "auch Beteiligungen an einem gesellschaftlichen Unternehmen" wie Betriebe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 DBAS zu behandeln sind.
a) Die für den vorliegenden Fall entscheidende Frage ist die der Auslegung des Begriffs der Beteiligung an einem gesellschaftlichen Unternehmen im Sinne des Art. 3 Abs. 4 DBAS. Dieser Begriff ist weder im schweizerischen noch im deutschen Recht enthalten und muß daher in erster Linie im Sinne des DBAS selbst ausgelegt werden. Aus dem Zusammenhang ergibt sich ohne weiteres, daß zu den Beteiligungen an einem gesellschaftlichen Unternehmen im Sinne des Art. 3 Abs. 4 DBAS nicht nur die Anteile an Personengesellschaften gehören, sondern grundsätzlich auch Kapitalbeteiligungen wie Aktien, GmbH-Anteile usw., von denen jedoch die in Wertpapieren verkörperten Anteile - z. B. Aktien - von der Anwendung der Bestimmung ausdrücklich ausgenommen sind. Hinsichtlich der Kapitalbeteiligungen, die nicht in Wertpapieren verkörpert sind, ist Art. 3 Abs. 4 DBAS insoweit eine Spezialvorschrift gegenüber Art. 6 DBAS, als diese Anteile wie Betriebe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 DBAS zu behandeln sind, auch wenn sie steuerlich zum beweglichen Kapitalvermögen gehören. Dies ist bei den GmbH-Anteilen unbestritten. Die Einkünfte aus ihnen werden im Verhältnis zwischen der BRD und der Schweiz nur im Staate der Betriebstätte der GmbH besteuert. Die Tatsache, daß die Einkünfte aus der typischen stillen Gesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen behandelt werden, hindert also nicht ihre Einordnung als "Beteiligung an einem gesellschaftlichen Unternehmen".
Im Gegensatz zu den Verhältnissen bei der atypischen stillen Gesellschaft ist der typische stille Gesellschafter allerdings nicht Mitinhaber des Handelsgeschäfts, an dem er sich beteiligt, und hat er an dem Vermögen des Geschäftsinhabers keinen Anteil. Nach § 335 HGB ist er jedoch mit einer Vermögenseinlage an dem Handelsgewerbe beteiligt, die auf eine bestimmte Leistung lauten muß. Typischerweise ist er ferner am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt, an dem Verlust allerdings nur bis zum Betrage seiner eingezahlten oder rückständigen Einlage. Die Beteiligung am Verlust kann auch vertraglich ausgeschlossen werden. Soweit eine Verlustbeteiligung zum Zuge kommt, wird demnach die Einlage, wenn auch nur im internen Verhältnis, ähnlich berührt wie ein Kommanditanteil. Aber auch bei Ausschluß der Verlustbeteiligung sind bei der stillen Gesellschaft nach dem HGB gewisse Verpflichtungen des Geschäftsinhabers dem stillen Gesellschafter gegenüber, z. B. die Pflicht zur Mitteilung der jährlichen Bilanz und zur Einräumung des Rechts zur Prüfung der Richtigkeit der Bilanzen und der Buchführung, gegeben, die auf den besonderen Charakter des Geschäfts als Gesellschaftsverhältnis hinweisen. Auch finden für die Kündigung der stillen Gesellschaft durch einen der Gesellschafter die Vorschriften über die OHG entsprechende Anwendung (§ 339 Abs. 1 HGB). Unter diesen Umständen, die auch nach dem BGH-Urteil II ZR 45/50 (a. a. O.) entscheidend sind, erscheint die Einordnung auch der typischen stillen Gesellschaft unter Art. 3 Abs. 4 DBAS zutreffend.
b) Demgemäß hat das BFH-Urteil III 342/60 U (a. a. O.), insbesondere auch unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der dem Art. 3 Abs. 4 DBAS entsprechenden, in zahlreichen älteren Abkommen enthaltenen Vertragsklausel den Begriff der "Beteiligung an einem gesellschaftlichen Unternehmen" dahin ausgelegt, daß auch die typische stille Gesellschaft im Sinne des deutschen Handels- und Steuerrechts darunterfalle. Dagegen hat der VI. Senat im Urteil VI 338/63 U, a. a. O., den Fall in der Weise gelöst, daß er den typischen stillen Gesellschafter im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht unter Art. 3 Abs. 4 DBAS einordnet, weil er nach inländischem Recht - nur dieses sei für die inländische Erfassung maßgebend - nicht "an einem gesellschaftlichen Unternehmen beteiligt" sei (vgl. auch Korn-Dietz, Doppelbesteuerung, Schweiz, Vormerkung IV C 7). Diese Auffassung ist aber gerade bei der Auslegung des Art. 3 Abs. 4 DBAS nicht zwingend, da die dort vorgesehene Behandlung der Inhaber von GmbH-Anteilen der Besteuerung derselben im deutschen Inland zweifellos nicht entspricht.
c) Im übrigen würde die Tatsache, daß die Schweiz gegebenenfalls eine dem § 335 HGB und dem § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG entsprechende Regelung nicht kennt - nach Locher, a. a. O., § 6 IV B Nrn. 3 bis 5, fällt nach schweizerischem Recht nur die atypische stille Gesellschaft unter Art. 3 Abs. 4 DBAS, die typische stille Gesellschaft dagegen unter Art. 6 -, nicht ausschließen, die durch das deutsche HGB geregelte typische stille Gesellschaft im Wege der Auslegung dem Art. 3 Abs. 4 DBAS zuzuordnen. Ob sich hieraus im Einzelfall eine Doppelbesteuerung ergeben kann, die zu einem Verständigungsverfahren oder auch bei einer Revision des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz zu einer Ergänzung führen könnte, ist für die rechtliche Entscheidung im Streitfall nicht ausschlaggebend.
4. Abschließend bemerkt der Senat, daß der angefochtene Haftungsbescheid auch dann rechtmäßig und deshalb aufrechtzuerhalten gewesen wäre, wenn die streitigen Erträge als Zinsen unter die Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 DBAS einzuordnen gewesen wären. Denn es ist nicht anzunehmen, daß die in diesem Falle nach Art. 6 Abs. 3b DBAS vorgesehene Möglichkeit der Erstattung an der Berechtigung des durch Art. 6 Abs. 2 DBAS zugelassenen Steuerabzugs etwas hätte ändern können.
Fundstellen
Haufe-Index 68488 |
BStBl II 1969, 325 |
BFHE 1969, 171 |