Leitsatz (amtlich)
Der VIII. Senat schließt sich der vom IV. und I. Senat vertretenen Auffassung (vgl. Urteile IV R 20/67 vom 29. April 1970, BFH 99, 485, BStBl II 1970, 726, und I R 94/70 vom 14. Oktober 1970, BFH 100, 407, BStBl II 1971, 28) an, nach der ein Geschäftswert bei Verpachtung eines Gewerbebetriebes dem Gewerbekapital des Betriebsvermögens des Pächters nur hinzuzurechnen ist, wenn er durch von der Raumpacht eindeutig abgrenzbare Pachtzahlungen konkretisiert ist. Der Senat teilt auch die vom I. Senat im Urteil I R 94/70 (a. a. O.) vertretene Auffassung, daß diese Voraussetzung bei in Vomhundertsätzen des Umsatzes bemessenen Pachtzahlungen in der Regel nicht erfüllt ist.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 2 S. 2
Tatbestand
Streitig ist bei der Gewerbesteuer 1960 und 1961, ob zur Ermittlung des Gewerbekapitals eines Apothekenpächters gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG ein Geschäftswert hinzuzurechnen ist.
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist Apotheker. Durch Vertrag vom 24. März 1950 pachtete er von dem Apotheker Dr. A. ab 1. April 1950 die ursprünglich auf Grund einer unverkäuflichen Personal-Konzession betriebene Dr. A. Apotheke in B. gegen einen monatlichen Pachtzins von 7 % des Umsatzes. Der Revisionsbeklagte (FA) rechnete regelmäßig die Hälfte dieses Pachtzinses zur Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 8 Nr. 7 (vor 1957: § 8 Nr. 8) GewStG den gewerblichen Gewinnen und zur Ermittlung des Gewerbekapitals den Wert des Inventars (4 000 DM) gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG dem Einheitswert des Betriebes hinzu. Für die Streitjahre erhöhte das FA das Gewerbekapital noch (unter Hinweis auf das Urteil des BFH III 65/62 U vom 27. Juli 1962, BFH 75, 460, BStBl III 1962, 436) um einen Firmenwert, den es in der Einspruchsentscheidung mit 30 v. H. des durchschnittlichen Jahresumsatzes der letzten drei Jahre, demgemäß für 1960 mit ... DM, für 1961 mit ... DM ansetzte.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Den Einwand des Steuerpflichtigen, die verpachteten Wirtschaftsgüter dürften schon deshalb bei seinem Gewerbekapital nicht hinzugerechnet werden, weil sie zum Gewerbekapital des Verpächters gehörten (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG), wies das FG mit dem Hinweis zurück, der Verpächter betreibe kein Gewerbe mehr und es genüge nicht, daß die Wirtschaftsgüter lediglich noch zu seinem Betriebsvermögen gehörten. Im übrigen führte das FA aus: § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG setze ein dem Betrieb dienendes Wirtschaftsgut voraus. Der durch die Entwicklung auf dem Gebiet des Apothekenrechts verursachte Wegfall des in der Form des rein persönlichen Betriebsrechts ursprünglich vorhandenen Apotheken-Privilegs, das schon nach der früheren Rechtsprechung als nicht bewertungsfähiges Wirtschaftsgut angesehen worden sei, führe nicht dazu, daß das Vorhandensein eines Wirtschaftsguts überhaupt verneint werden müsse. Aus der Höhe des Pachtzinses könne auf die Überlassung des Wirtschaftsgutes "Firmenwert" geschlossen werden (Hinweis auf die BFH-Urteile III 65/62 U, a. a. O., und III 249/64 vom 17. Mai 1966, BFH 86, 378, BStBl III 1966, 481). Es bestünden keine Bedenken dagegen, die auf den Verpächter einer Apotheke bezogene Rechtsprechung des BFH zu § 54 BewG auch auf den Pächter entsprechend anzuwenden. Aus der Tatsache, daß der Stpfl. den hohen Pachtzins trotz der inzwischen effektiv gewordenen Niederlassungsfreiheit für Apotheker weiterbezahlt und den Pachtvertrag nicht gekündigt habe, könne geschlossen werden, daß nun zwar nicht mehr, wie früher, die Möglichkeit der ungestörten Betriebsausübung, sondern jetzt andere Vorteile, zum Beispiel der, die alteingesessene Apotheke fortführen zu können, mit den Pachtzinsen abgegolten werde. Die Annahme, daß der Pachtzins auch für einen Firmenwert bezahlt worden sei, könne auch nicht mit der Begründung widerlegt werden, die Pachtzahlungen hätten den Charakter von Versorgungsleistungen im Sinne des BFH-Urteils III 65/62 U gehabt. Denn aus der allein hier maßgeblichen Sicht des Pächters habe der Versorgungsgedanke keine Rolle gespielt. Auch gegen die Höhe des vom FA angesetzten Firmenwerts bestünden keine Bedenken. Sie werde durch eine spätere Kündigung des Pachtvertrages, die nach Angabe des Steuerpflichtigen im Jahre 1967 seitens des Verpächters ausgesprochen worden sei, nicht beeinflußt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt der Steuerpflichtige, die Hinzurechnung des Firmenwerts beim Gewerbekapital zu streichen. Er macht geltend, wenn überhaupt ein Firmenwert der Apotheke vorliege, so sei er vom Pächter geschaffen, also originär, nicht aber vom Verpächter überlassen. Das FG habe die Entwicklung des Apothekenrechts nicht genügend beachtet. Aus dieser Entwicklung ergebe sich, daß die Pachtzahlungen eines Apothekenpächters auf standesrechtlichen und berufsethischen Erwägungen beruhende Versorgungsleistungen seien. Ein Firmenwert komme auch deshalb nicht in Betracht, weil er ein objektiver, dem Betrieb selbst innewohnender Wert sei, die Gewinnaussichten bei einer Apotheke aber persönlichkeitsbezogen seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Festsetzung der Gewerbesteuer.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG werden nicht in Grundbesitz bestehende Wirtschaftsgüter, die zwar einem anderen gehören, aber dem Betrieb dienen, zur Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes hinzugerechnet. Die Hinzurechnung kann entfallen, wenn die Wirtschaftsgüter zum Gewerbekapital des Überlassenden gehören. Daß diese Ausnahme im Streitfall nicht gegeben ist, hat das FG zutreffend ausgeführt. Entscheidend ist somit, ob dem Steuerpflichtigen vom Verpächter neben den materiellen Wirtschaftsgütern (Inventar), deren Wertansatz im Rahmen der genannten Vorschrift unbestritten ist, immaterielle Wirtschaftsgüter als dem Betrieb dienend überlassen wurden. Daß die Betriebserlaubnis für die Apotheke selbst kein solches Wirtschaftsgut ist, hat der BFH im Urteil III 65/62 U bereits ausgesprochen. In Frage käme in der Tat die Überlassung eines Firmenwerts. Hiervon kann aber, wie der IV. Senat in seiner Entscheidung IV R 20/67 vom 29. April 1970 (BFH 99, 485, BStBl II 1970, 726) ausgeführt hat, nur ausgegangen werden, wenn ein klar ausscheidbarer Teil des Pachtzinses für diese Überlassung bezahlt wurde. Diese Voraussetzung ist jedoch im Streitfall nicht gegeben. Auch der I. Senat des BFH entschied im Urteil I 94/70 vom 14. Oktober 1970 (BFH 100, 407, BStBl II 1971, 28) unter Bezugnahme auf die Grundsätze der Entscheidung des IV. Senats IV R 20/67 für einen vergleichbaren, ebenfalls die Verpachtung einer Apotheke betreffenden Fall, daß es bei einem vereinbarten einheitlichen Pachtzins in der Regel an der klaren Trennbarkeit eines auf einen Geschäftswert entfallenden Pachtzinsanteils fehle und daß, auch wenn die Pachtzahlungen im Verhältnis zum Wert der überlassenen materiellen Wirtschaftsgüter zu hoch erscheinen sollten, der Ansatz eines Geschäftswertes grundsätzlich doch nur in Frage komme, wenn entweder schon die Vertragsparteien eine Aufteilung der Pachtzahlungen vorgenommen hätten oder sonstige Umstände eine klare und eindeutige Aufteilung ermöglichten. Hierzu genüge nicht die bloße Möglichkeit, mit Hilfe von Erfahrungssätzen, etwa auf der Grundlage der durchschnittlichen Jahresumsätze, einen Geschäftswert zu schätzen. Auf diese Entscheidung wird verwiesen. Der Senat stimmt den Ausführungen dieser Urteile zu. Auch der III. Senat des BFH hat sich dieser Auffassung in dem Urteil III R 9/71 vom 6. August 1971 (BFH 102, 573, BStBl II 1971, 677) für die Einheitsbewertung angeschlossen und hält an der in früheren Entscheidungen vertretenen gegenteiligen Auffassung nicht mehr fest.
Die Hinzurechnungen wegen des Ansatzes eines Firmenwerts sind daher zu streichen. Die Gewerbesteuer ist unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidungen des FA für 1960 auf ... DM und für 1961 auf ... DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 422734 |
BStBl II 1972, 62 |
BFHE 1972, 437 |