Leitsatz (amtlich)
Der IV. Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, nach der freiberuflich Tätige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, verpflichtet sind, ihre Forderungen im Zeitpunkt der erbrachten Leistung zu aktivieren (vgl. auch Bescheid und Urteil des BFH IV 159/53 U vom 20. Mai und 2. September 1954, BFH 59, 266, BStBl III 1954, 314). Der BGH, der in seinem Urteil 4 St R 166/56 vom 18. Oktober 1956 (BStBl I 1957, 122) eine entgegenstehende Auffassung vertreten hatte, hat diese durch Beschluß vom 29. September 1970 im Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes aufgegeben und sich der des BFH angeschlossen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagungen für die Einkommensteuer 1956 bis 1959.
Die Revisionskläger (Gesellschafter) betreiben eine Gemeinschaftspraxis als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Im Anschluß an eine im Jahre 1961 durchgeführte Betriebsprüfung erließ das FA für die Veranlagungszeiträume 1956 bis 1959 gemäß § 222 AO berichtigte einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide, in denen auch bereits entstandene, aber noch nicht in Rechnung gestellte Honorarforderungen aktiviert wurden.
Hiergegen legten die Gesellschafter Sprungberufung ein, die sie damit begründeten, daß die Änderung der ursprünglichen Bescheide nach § 222 AO nicht zulässig sei. Sie räumen ein, daß der BFH allerdings bereits mit Urteil IV 159/53 U vom 20. Mai und 2. September 1954 (BFH 59, 266, BStBl III 1954, 314) abweichend von der Rechtsprechung des RFH die Ansicht vertreten habe, daß auch bei freiberuflich Tätigen die Forderungen im Zeitpunkt der erbrachten Leistungen zu aktivieren seien. Es sei aber zu berücksichtigen, daß der BGH durch Urteil vom 18. Oktober 1956 (BStBl I 1957, 222) abweichend hiervon ausgeführt habe: "Der Steuerhelfer war ebenso wie ein Arzt oder Rechtsanwalt nicht verpflichtet, Kundenforderungen, für die er noch keine Liquidation erteilt hatte, in seinen Büchern und in seiner Bilanz auszuweisen." Der Aktivierung der Honorarforderungen stehe also § 222 Abs. 2 AO entgegen, weil die Entscheidung des BFH vom Jahre 1960, welche endgültig statuiert habe, daß auch freiberuflich Tätige Honorarforderungen bereits zum Entstehungszeitpunkt zu aktivieren hätten, von dem Urteil des BGH, also von einer höchstrichterlichen Entscheidung abweiche.
Wenn das FA diese unzulässige Wiederaufrollung dazu benutzt habe, nach neuen Tatsachen zu forschen, die es vom Wiederaufrollungsverbot unabhängig machen sollten, so widerspreche dieses Vorgehen dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Klage blieb ohne Erfolg.
Die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Das FG hat die Berichtigung der rechtskräftig festgesetzten Einkommensteuer gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO schon deshalb zu Recht für zulässig erachtet, weil durch die Betriebsprüfung im Jahre 1961 dem FA erstmals bekanntgeworden ist, daß die Gesellschaft u. a. Bestände an Heizmaterial an den jeweiligen Bilanzstichtagen nicht aktiviert, darüber hinaus verschiedene die private Sphäre der Gesellschafter betreffende Beträge gewinnmindernd behandelt hatte.
Diese Tatsachen sind auch von einigem Gewicht im Sinne der Rechtsprechung der Ertragsteuersenate des BFH (vgl. BFH-Urteile VI 324/61 U vom 12. Juli 1963, BFH 77, 315, BStBl III 1963, 435, und IV 40/65 U vom 9. September 1965, BFH 83, 466, BStBl III 1965, 667). Es kommt daher in diesem Zusammenhang nicht darauf an, daß das FA die noch nicht abgerechneten Honorarforderungen außerdem nachaktiviert hatte. Es kann daher die Frage, ob insoweit das Urteil des BGH vom 18. Oktober 1956 (BStBl I 1957, 122) der Vorschrift des § 222 Abs. 2 AO entgegensteht, dahingestellt bleiben.
Aber auch der Sache nach bestehen gegen die Vorentscheidung keine rechtlichen Bedenken. Die Aktivierung der am jeweiligen Bilanzstichtag noch nicht abgerechneten Kundenforderungen entspricht den Grundsätzen des Urteils des BFH IV 159/53 U vom 20. Mai und 2. September 1954, in dem in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des RFH die Auffassung vertreten wurde, daß auch bei freiberuflich Tätigen die Forderungen im Zeitpunkt der erbrachten Leistungen zu aktivieren seien. Dem steht auch nicht das von den Gesellschaftern angezogene Urteil des BGH entgegen. Im Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl. Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl I, 661) hat sich der 4. Strafsenat unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 18. Oktober 1956 - 4 StR 166/56, BStBl I 1957, 122), auf die sich die Gesellschafter berufen hatten, der Rechtsauffassung des erkennenden Senats durch Beschluß vom 29. September 1970 angeschlossen.
Fundstellen
Haufe-Index 69341 |
BStBl II 1971, 167 |
BFHE 1971, 87 |