Leitsatz (amtlich)
Bei Gewerbebetrieben mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr entfallen Gewerbesteuerschulden nur insoweit auf die Zeit vor dem abweichenden Abschlußzeitpunkt als das abweichende Wirtschaftsjahr in den Erhebungszeitraum fällt.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62b
Tatbestand
Die Klägerin hat ein Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni. Sie hat beantragt, den vom Ende des Kalenderjahrs abweichenden Abschlußzeitpunkt für die Feststellung des Einheitswerts zugrunde zu legen. In ihrer Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1963 hat sie eine Gewerbesteuerschuld für 1962 in Höhe von 724 419,96 DM geltend gemacht. Diese Schuld berechnete sie so, daß sie von der Gewerbesteuerjahresschuld 1962 in Höhe von 873 521,96 DM die in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1962 geleisteten Vorauszahlungen von 149 102 DM abzog.
Das FA berücksichtigte dagegen bei der Feststellung des Einheitswerts zum 1. Januar 1963 nur eine Gewerbesteuerschuld von 287 658,98 DM. Dieser Betrag ergab sich dadurch, daß das FA entsprechend dem 6/12-Anteil des Wirtschaftsjahres 1961/62 an dem Kalenderjahr 1962 nur von der Hälfte der Gewerbesteuerjahresschuld 1962 ausging und davon die im ersten Kalenderhalbjahr 1962 geleisteten Vorauszahlungen abzog (436 760,98 DM ./. 149 102 DM). Außerdem berücksichtigte das FA noch die Hälfte der Gewerbesteuernachholung für 1962 aufgrund einer inzwischen durchgeführten Betriebsprüfung, die aufgerundet 11 700 DM betrug.
Die Sprungklage hatte teilweise Erfolg. Das FG berechnete den Schuldabzug für Gewerbesteuer 1962 in der Weise, daß es von der ungekürzten Jahresschuld die während des gesamten Wirtschaftsjahres 1961/62 geleisteten Vorauszahlungen abzog.
Die Revision des FA rügt, die Entscheidung des FG führe zu einer doppelten Berücksichtigung der Vorauszahlungen, die die Klägerin im 2. Halbjahr 1961 geleistet habe. Denn diese Vorauszahlungen seien mit der Gewerbesteuerjahresschuld 1961 abgerechnet worden. Sie könnten nicht noch einmal auf die Jahresschuld 1962 angerechnet werden. Zu einer zutreffenden Lösung führe die zeitanteilige Aufteilung der Gewerbesteuerjahresschuld 1962 unter Abzug der Vorauszahlungen, die im Kalenderjahr 1962 bis zum Abschlußzeitpunkt 30. Juni 1962 geleistet wurden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision - ebenso wie das FA -, die Berechnung des FG führe dazu, daß die Vorauszahlungen des 2. Kalenderhalbjahres 1961 sich zweimal mindernd auf den Schuldabzug auswirken würden. Die im 2. Kalenderhalbjahr 1961 geleisteten Vorauszahlungen hätten aber mit der Gewerbesteuerjahresschuld 1962 keinen Zusammenhang. Im übrigen entfalle die Gewerbesteuerjahresschuld 1962 in vollem Umfang auf die Zeit vor dem Abschlußzeitpunkt 30. Juni 1962, denn sie ergebe sich aufgrund des Gewerbeertrages des Wirtschaftsjahres 1961/62. Auf die Jahresschuld dürften nur die im Kalenderjahr 1962 vor dem Abschlußzeitpunkt geleisteten Vorauszahlungen angerechnet werden.
Die Klägerin beantragt, den Einheitswert für ihr Betriebsvermögen auf ..... DM festzustellen. Das FA beantragt, die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auf die Revision des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß § 62b BewG, der durch das ÄndG-BewG vom 10. August 1963 (BGBl I 1963, 676; BStBl I 1963, 608) eingefügt wurde, schon für die Hauptfeststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1963 anwendbar war. Nach dieser Vorschrift können Schulden aus laufend veranlagten Steuern vom Rohvermögen eines gewerblichen Betriebs abgezogen werden, wenn sie entweder spätestens im Feststellungszeitpunkt fällig geworden sind oder wenn sie für einen Zeitraum erhoben werden, der spätestens im Feststellungszeitpunkt geendet hat. Insoweit hat § 62b BewG an der Rechtslage vor seiner Einfügung in das BewG nichts geändert (vgl. § 53a BewGDV, der durch Art. 5 Buchst. b des ÄndG-BewG 1963 aufgehoben wurde). Diese Regelung führte dazu, daß Gewerbebetriebe mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr die Schulden aus laufend veranlagten Steuern für das Kalenderjahr, in das der abweichende Abschlußzeitpunkt fällt, nicht abziehen konnten, denn bei diesen Betrieben ist statt des Feststellungszeitpunkts grundsätzlich auf den vom Ende des Kalenderjahrs abweichenden Abschlußzeitpunkt abzustellen (vgl. Entscheidung des BFH III 166/56 U vom 7. März 1958, BFH 66, 568, BStBl III 1958, 220). Der Erhebungszeitraum für die vor allem in Betracht kommenden laufend veranlagten Steuern ist aber jeweils das Kalenderjahr (vgl. § 20 KStG i. V. mit § 25 EStG; § 14 Abs. 2 GewStG).
2. § 62b BewG brachte hier dadurch eine Änderung der Rechtslage zugunsten der Gewerbebetriebe mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr, daß bei diesen Betrieben nunmehr die noch nicht fälligen Steuerschulden aus einem Erhebungszeitraum, der im abweichenden Abschlußzeitpunkt noch nicht geendet hat, insoweit abgezogen werden können, als sie auf die Zeit vor dem abweichenden Abschlußzeitpunkt entfallen. Der Senat ist der Auffassung, daß der Wortlaut des § 62b Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i. V. mit Abs. 2 BewG unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs, in den die Regelung für Betriebe mit abweichendem Wirtschaftsjahr hineingestellt ist, die Auslegung des FG nicht rechtfertigt, die Gewerbesteuerschuld für 1962 entfalle insoweit auf die Zeit vor dem abweichenden Abschlußzeitpunkt, als sie dem Betriebsergebnis des Wirtschaftsjahres 1961/62 wirtschaftlich zuzurechnen sei. Die Tatsache, daß nach § 10 Abs. 2 GewStG der Gewerbeertrag des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres, hier der Gewerbeertrag des Wirtschaftsjahrs 1961/62, in dem Erhebungszeitraum als bezogen gilt, in dem das abweichende Wirtschaftsjahr endet, hier im Erhebungszeitraum 1962, kann nicht dazu führen, daß für die Berechnung des Abzugsbetrags von der vollen Gewerbesteuerjahresschuld 1962 ausgegangen werden darf. Denn bei der Gewerbesteuer besteht die Besonderheit, daß nach § 20 Abs. 1 GewStG auf die Jahressteuerschuld nicht die im abweichenden Wirtschaftsjahr, sondern die im Erhebungszeitraum entrichteten Vorauszahlungen angerechnet werden. Die Höhe der Gewerbesteuerschuld hängt damit bei Betrieben mit abweichendem Wirtschaftsjahr u. a. auch von Vorauszahlungen ab, die erst nach dem Abschlußzeitpunkt fällig und entrichtet werden. Würde man diese Vorauszahlungen völlig außer Betracht lassen und trotzdem von der vollen Gewerbesteuerschuld für den Erhebungszeitraum ausgehen, so würde sich je nach Lage des Abschlußzeitpunkts im Kalenderjahr ein höherer Gewerbesteuerabzug ergeben als bei Betrieben, die zum 31. Dezember abschließen. Bei Betrieben mit einem Abschlußzeitpunkt 31. Januar würde z. B. die Gewerbesteuerjahresschuld ohne Berücksichtigung irgendeiner Vorauszahlung in voller Höhe abgezogen werden können (vgl. auch Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 105 BewG Anm. 31). Dies widerspräche aber dem in § 62b BewG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, der nicht darauf gerichtet ist, Betriebe mit abweichendem Wirtschaftsjahr besserzustellen als Betriebe, die zum Ende des Kalenderjahres abschließen, sondern allenfalls gleichzustellen. In der Entscheidung des FG wird dieser Widerspruch deshalb nicht so deutlich sichtbar, weil das FG rechtsirrtümlich die während des abweichenden Wirtschaftsjahres 1961/62 geleisteten Gewerbesteuervorauszahlungen auf die Gewerbesteuerjahresschuld 1962 angerechnet hat. Sowohl die Klägerin als auch das FA haben aber zu Recht darauf hingewiesen, daß damit die im zweiten Kalenderhalbjahr 1961 geleisteten Vorauszahlungen zum Nachteil der Klägerin zweimal berücksichtigt würden, nämlich einmal bei der Gewerbesteuerschuld 1961, mit der sie schon verrechnet worden sind (§ 20 GewStG) und die dadurch gemindert wurde, und ein zweites Mal durch die Minderung des Abzugsbetrags für die Gewerbesteuerschuld 1962.
a) Wenn die wirtschaftliche Zuordnung der Gewerbesteuerschuld in voller Höhe zu dem Zeitraum, in dem der Gewerbeertrag erwirtschaftet wurde, zu dem oben dargestellten unverständlichen Ergebnis führen würde, dann kann § 62b BewG nur dahin verstanden werden, daß die noch nicht fälligen Gewerbesteuerschulden bei Betrieben mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr nur insoweit auf die Zeit vor dem Ende des Wirtschaftsjahres "entfallen", als das abweichende Wirtschaftsjahr in den Erhebungszeitraum fällt. Bei dem Wirtschaftsjahr der Klägerin vom 1. Juli bis 30. Juni entfällt das Wirtschaftsjahr 1961/62 zur Hälfte in den Gewerbesteuererhebungszeitraum 1962. Damit kann für die Ermittlung des Betrages, der als Gewerbesteuerschuld bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1963 abzuziehen ist, nur von der halben Gewerbesteuerjahresschuld 1962 ausgegangen werden. Der Senat sieht sich in dieser Auffassung auch dadurch bestärkt, daß bewertungsrechtlich nur solche Schulden berücksichtigt werden können, die im Feststellungszeitpunkt schon entstanden und noch nicht getilgt waren. Bei Betrieben mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr tritt an die Stelle des Feststellungszeitpunkts (1. Januar) der abweichende Abschlußzeitpunkt (§ 62b Abs. 2 BewG). Die Gewerbesteuerjahresschuld 1962 war aber am 30. Juni 1962 noch gar nicht entstanden, denn sie entsteht erst mit dem Ende des Kalenderjahres (§ 3 Abs. 5 Nr. 3b StAnpG). Die Tatsache, daß § 62b BewG bei der Einheitsbewertung des Vermögens von Betrieben mit abweichendem Wirtschaftsjahr ausnahmsweise Steuerschulden abziehen läßt, die noch gar nicht entstanden sind, spricht dafür, diese Vorschrift nicht, wie das FG und die Klägerin es wollen, ausdehnend auszulegen.
b) Die quotierte Gewerbesteuerjahresschuld 1962 kann nur insoweit vom Rohvermögen als Schuld abgezogen werden als sie nicht durch Vorauszahlungen getilgt ist, die den Erhebungszeitraum 1962 betreffen. Dagegen müssen Vorauszahlungen anderer Erhebungszeiträume wegen fehlenden Sachzusammenhangs außer Betracht bleiben. In der Literatur wird hierzu die Auffassung vertreten, daß nur die tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen berücksichtigt werden können (vgl. Gürsching-Stenger, a. a. O.; Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 105 BewG, Anm. 10b; vgl. auch Abschn. 37 Abs. 6 VStR 1963). Dadurch entsteht aber eine Ungleichheit unter den Betrieben mit abweichendem Wirtschaftsjahr, und zwar je nachdem, ob der Abschlußzeitpunkt vor oder nach dem Fälligkeitszeitpunkt der Vorauszahlungen liegt. Diese Ungleichheit wird vermieden, wenn man die Vorauszahlungen jeweils mit dem Betrag anrechnet, der dem Anteil des abweichenden Wirtschaftsjahrs am jeweiligen Vorauszahlungsvierteljahr des Erhebungszeitraums entspricht. Bei einem Abschlußzeitpunkt 30. April wären z. B. von der quotierten Jahresschuld (= im Beispiel 4/12 der Jahresschuld) die Vorauszahlungen für das erste Kalendervierteljahr 1962 und 1/3 der Vorauszahlungen für das zweite Kalendervierteljahr 1962 abzuziehen. Der Senat ist der Auffassung, daß der in § 62b BewG verwendete unbestimmte Rechtsbegriff "entfallen", der bezüglich der Verhältnisse einer Schuld (Entstehung, Fälligkeit) völlig indifferent ist, diese Auslegung rechtfertigt. Hinzu kommt, daß die Vorauszahlungsschuld nach § 3 Abs. 5 Nr. 3a StAnpG schon mit dem Beginn des Kalendervierteljahres entsteht, für das die Vorauszahlungen zu leisten sind. Bei der Klägerin, deren Wirtschaftsjahr 1961/62 am 30. Juni 1962 geendet hat, ergibt sich aus dieser Rechtsauffassung gegenüber der Handhabung durch das FA kein Unterschied, weil auf einen Zeitraum von sechs Monaten zwei volle Vorauszahlungsbeträge entfallen.
c) Durch diese Auslegung des § 62b BewG wird zwar erreicht, daß die Höhe des Abzugsbetrages bei allen Betrieben mit abweichendem Wirtschaftsjahr in einem gleichmäßigen Verhältnis zum Anteil des Wirtschaftsjahrs im Erhebungszeitraum steht. Dagegen bleibt das vom FG beanstandete Ergebnis, daß der Abzugsbetrag um so geringer ist, je früher das abweichende Wirtschaftsjahr im Erhebungszeitraum endet. Der Senat ist aber im Gegensatz zum FG der Auffassung, daß hierin nicht ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung liegt. Das FG kommt zu diesem Ergebnis dadurch, daß es den Steuerschuldenabzug isoliert betrachtet. Es hätte aber auch berücksichtigen müssen, daß bei Betrieben mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr für die Einheitsbewertung auf Antrag die Verhältnisse eines Zeitpunkts zugrunde gelegt werden, der zum Teil ganz erheblich vor dem Feststellungszeitpunkt (1. Januar) liegen kann. Gewerbebetriebe sind auf Gewinnerzielung ausgerichtet (vgl. § 1 GewStDV) und Gewinne führen zu einer Vermögensmehrung. Vermögensmehrungen zwischen dem abweichenden Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt bleiben aber außer Betracht. Der Senat verkennt nicht, daß die Entwicklung der Verhältnisse sich im Einzelfall bei Eintritt von Verlusten auch zuungunsten eines Betriebs mit abweichendem Wirtschaftsjahr im Vergleich zu einem Betrieb auswirken kann, dessen Wirtschaftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt. Hierin liegt aber keine Verletzung des Gleichheitssatzes, sondern diese Unterschiede in der steuerlichen Behandlung werden durch Unterschiedlichkeiten in den tatsächlichen Verhältnissen gerechtfertigt.
3. Nach den obigen Ausführungen kann die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben.
4. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung als der oben unter 2. dargestellten ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 413027 |
BStBl II 1972, 168 |
BFHE 1972, 93 |