Leitsatz (amtlich)
Der Vermächtnisnehmer ist nicht Rechtsnachfolger des verstorbenen Steuerschuldners im Sinne des § 8 Abs. 1 StAnpG. Er ist daher gemäß § 239 Abs. 1 ZPO auch dann nicht berechtigt, den unterbrochenen Steuerprozeß des Verstorbenen aufzunehmen, wenn ihm testamentarisch die betreffenden Einkünfte, um die der Rechtsstreit geht, und die dazu gehörigen steuerlichen Pflichten übertragen worden sind.
Normenkette
ZPO § 239 Abs. 1; StAnpG § 8 Abs. 1
Tatbestand
In der einheitlichen Gewinnfeststellungssache 1965 einer KG war außer über die Frage einer wirksamen Aufnahme des Verfahrens nach dessen Unterbrechung zu entscheiden, ob bei einem inzwischen verstorbenen Gesellschafter die Entnahmen und Einlagen als Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns gemäß § 10 a EStG zutreffend festgestellt wurden. A (Steuerpflichtiger) war Komplementär der Firma St-KG (KG). Sein Gewinnanteil betrug im Jahre 1965 insgesamt 181 852 DM, seine Entnahmen betrugen 199 044 DM. Außerdem war in der Bilanz für 1965 eine Einlage von 30 000 DM aufgeführt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ging bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1965 davon aus, daß die in der Bilanz ausgewiesene Einlage von 30 000 DM nicht als eine die Entnahmen mindernde Einlage anzuerkennen sei. Es stellte deshalb nicht 169 044 DM, sondern 199 044 DM als Entnahmen des Steuerpflichtigen fest.
Gegen den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1965 erhob der Steuerpflichtige Sprungklage, mit der er, um die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinns zu erhalten, die Anerkennung der 30 000 DM als private Einlage erstrebte.
Der Steuerpflichtige ist während des Klageverfahrens 1969 verstorben. Seine Witwe (Klägerin und Revisionsklägerin - Klägerin -) nahm den Rechtsstreit mit Schreiben vom 18. November 1970 auf. Laut Testament 1964 war sie von der Erbfolge ausgeschlossen und hat deshalb insbesondere auch die Anteile des Erblassers an der KG nicht geerbt. Sie hat jedoch den gesamten übrigen Nachlaß als Vermächtnis erhalten. Außerdem wurde sie testamentarisch verpflichtet, sämtliche Nachlaßverbindlichkeiten, insbesondere die Steuerschulden, aus dem zugewendeten Vermächtnis zu tilgen. Sie hat das Vermächtnis bei der notariellen Testamentseröffnung am 14. April 1969 angenommen.
Die KG, vertreten durch ihren jetzigen Komplementär und Geschäftsführer, wurde zum Rechtsstreit beigeladen.
Das FG hat die Aufnahme des Rechtsstreits durch die Witwe des Steuerpflichtigen als Klägerin im Sinne des § 239 Abs. 1 ZPO für zulässig angesehen und die Klage als sachlich unbegründet abgewiesen. Dagegen legte die Klägerin Revision ein.
Entscheidungsgründe
Die Revision muß aus prozessualen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Da der Steuerpflichtige als der ursprüngliche Kläger während des Klageverfahrens verstorben ist, wurde das Klageverfahren gemäß § 239 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO bis zur wirksamen Aufnahme durch den Rechtsnachfolger unterbrochen. Das FG hat aber zu Unrecht die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Steuerpflichtigen i. S. des § 239 Abs. 1 ZPO angesehen. Zur Fortführung des Prozesses ist nur der richtige Rechtsnachfolger befugt, nur er besitzt die notwendige Aktivlegitimation und Prozeßführungsbefugnis (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl. S. 670; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 239 Anm. III 2 a). Die Prozeßführungsbefugnis ist Prozeßvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung vor dem FG vorliegen muß. Der Mangel der Prozeßführungsbefugnis ist von Amts wegen und in jeder Lage des Rechtsstreits, also auch in der Revisionsinstanz zu beachten (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Tz. 3 zu § 63 FGO).
Die Befugnis nach § 239 Abs. 1 ZPO, als Rechtsnachfolger einen Prozeß der verstorbenen Partei aufzunehmen, hat nur derjenige, auf den durch den Tod der Partei der betreffende Anspruch unmittelbar übergeht. Das ist schon nach bürgerlichem Recht regelmäßig der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger.
Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Höhe der Einkommensteuerschuld des verstorbenen Steuerpflichtigen bzw. um die Feststellung ihrer Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung der KG. Für diesen Fall kommt § 8 Abs. 1 StAnpG zum Zuge, wonach bei Gesamtrechtsnachfolge - also auch bei Erbfolge - die Steuerschuld des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger übergeht. An Stelle des verstorbenen Gesellschafters sind also seine Erben Steuerschuldner geworden, unabhängig davon, ob der Erblasser oder seine Erben selbst das wollten. Nur die Erben sind daher als Steuerschuldner berechtigt, gegen die vom FA festgesetzten Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer an Stelle des verstorbenen Gesellschafters und Erblassers den Steuerprozeß fortzusetzen. Der Vermächtnisnehmer ist dazu nicht berechtigt, auch wenn er durch letztwillige Verfügung zur Übernahme der Steuerschuld und zur Fortführung des Steuerprozesses verpflichtet worden sein sollte.
Denn der Vermächtnisnehmer ist nicht Rechtsnachfolger des Erblassers. Er hat lediglich obligatorische Ansprüche gegen die Erben aufgrund des Testaments. Er kann deshalb den Steuerprozeß des Erblassers nicht nach § 239 Abs. 1 ZPO als dessen Rechtsnachfolger aufnehmen. Diese Auffassung wird von der Literatur einhellig vertreten (vgl. z. B. Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz, 2. Aufl. 1966, Anm. G II a 3. zu § 239 ZPO; Stein/Jonas, a. a. O., Anm. II 1 zu § 239 ZPO; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Tz. 3 zu § 8 StAnpG).
Die Möglichkeit, daß der Vermächtnisnehmer von den Erben ermächtigt sein könnte, den Prozeß des Erblassers im eigenen Namen fortzuführen, also aufgrund einer gewillkürten Prozeßstandschaft ein gerichtliches Verfahren nach § 239 Abs. 1 ZPO aufzunehmen, ist im Steuerprozeß schon deshalb ausgeschlossen, weil die Rechte und Pflichten des Steuerschuldners, die öffentlich-rechtlicher Natur sind und nach § 8 Abs. 1 StAnpG kraft Gesetzes unabdingbar auf die Erben übergehen, nicht durch private Vereinbarungen übertragbar sind. Die gewillkürte Prozeßstandschaft des Vermächtnisnehmers anstelle der Erben zur Aufnahme eines Steuerprozesses wegen der Einkommensteuer des Erblassers oder der ihr zugrunde liegenden Einkünfte ist mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Steuerschuldnerschaft der Erben nach § 8 Abs. 1 StAnpG nicht vereinbar (vgl. dazu Urteil des BGH vom 25. Februar 1969 VI ZR 241/67 in der Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1969 S. 273; Lent/Jauernig, Zivilprozeßrecht, 17. Aufl., § 22 S. 61; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., Tz. 97 zu § 40 FGO).
Da feststeht, daß die Klägerin laut Testament nicht Erbin des verstorbenen Steuerpflichtigen ist, sondern nur Vermächtnisnehmerin und sie das Testament auch anerkannt hat, war sie nicht Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Steuerpflichtigen, ihres Ehemannes, auch wenn ihr die betreffenden Einkünfte, um deren Höhe der Rechtsstreit geführt wird, vermacht worden sind. Die Aufnahme des unterbrochenen Klageverfahrens hinsichtlich der einheitlichen Gewinnfeststellungssache 1965 der KG durch sie nach § 239 Abs. 1 ZPO war nicht zulässig, da ihr dazu die Prozeßführungsbefugnis fehlte. Das FG konnte gegen sie als Klägerin kein Urteil in der Streitsache erlassen. Die Vorentscheidung muß aus diesem Grunde aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden. Das FG hat nunmehr darauf hinzuwirken, daß das noch unterbrochene Klageverfahren durch die Erben des verstorbenen Steuerpflichtigen aufgenommen wird. Aufgrund der das finanzgerichtliche Verfahren beherrschenden Offizialmaxime ist das FG verpflichtet, den richtigen Rechtsnachfolger zu ermitteln (vgl. Klinger, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., Anm. B zu § 94 VwGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71496 |
BStBl II 1975, 739 |
BFHE 1976, 254 |