Entscheidungsstichwort (Thema)
(Entstehung der pauschalen Lohnsteuer - Geltendmachung pauschaler Lohnsteuer durch Haftungsbescheid und Aufhebung des Haftungsbescheides durch das FA bzw. das FG: Ablaufhemmung nach § 171 Abs.3, 4 AO 1977, § 146a Abs.3 AO, Änderungssperre nach § 173 Abs.2 AO 1977 - §§ 172 ff. AO 1977 nicht auf Haftungsbescheide anwendbar)
Leitsatz (amtlich)
1. Die pauschale Lohnsteuer entsteht im Zeitpunkt des Zuflusses des Lohns beim Arbeitnehmer (Bestätigung der Rechtsprechung in dem BFH-Urteil vom 30. November 1989 I R 14/87, BFHE 159, 82, BStBl II 1990, 993).
2. Macht das FA im Anschluß an eine Außenprüfung gegenüber dem Arbeitgeber pauschale Lohnsteuer in einem Haftungsbescheid geltend, so tritt mit der Aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheides eine Unanfechtbarkeit i.S. des § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 und damit das Ende der Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist aufgrund der Außenprüfung ein.
3. Das FA kann in einem solchen Fall den Eintritt der Festsetzungsverjährung vor Geltendmachung des Steueranspruchs dadurch vermeiden, daß es den (formell inkorrekten) Haftungsbescheid erst aufhebt, nachdem es zuvor den (formell korrekten) Pauschalierungsbescheid erlassen hat.
Orientierungssatz
1. NV: Am BFH-Urteil vom 5.11.1982 VI R 219/80, wonach die pauschale Lohnsteuer zum Zeitpunkt der Durchführung der Pauschalierung entsteht, wird nicht mehr festgehalten.
2. NV: Wird im Anschluß an eine Lohnsteueraußenprüfung der Vorbehalt der Nachprüfung der den Prüfungszeitraum betreffenden Lohnsteueranmeldungen aufgehoben, steht dem späteren Erlaß eines Pauschalierungsbescheides für einen den Prüfungszeitraum betreffenden Sachverhalt die Änderungssperre nach § 173 Abs.2 Satz 1 AO 1977 entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 15.5.1992 VI R 183/88).
3. Durch die Aufhebung eines angefochtenen Bescheids tritt seine Unanfechtbarkeit unabhängig davon ein, ob er aus materiellen oder formellen Gründen aufgehoben worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 16.5.1990 X R 147/87).
4. Für die Änderung von Haftungsbescheiden gelten nach der AO 1977 nicht die Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO 1977, sondern die Regelungen der §§ 130 ff. AO 1977.
5. Hat das FG einen Haftungsbescheid wegen fehlerhafter Ermessensausübung aufgehoben, läuft die Festsetzungsfrist für den Haftungsanspruch gem. § 171 Abs.3 Satz 3 AO 1977 nicht ab, bevor der neue Haftungsbescheid, mit dem das FA seine Ermessensausübung nach Ergehen der FG-Entscheidung nachgeholt hat, unanfechtbar geworden ist (vgl. BFH-Urteil vom 23.3.1993 VII R 38/92). Dies gilt gem. § 171 Abs.3 Satz 3 AO 1977 nur für den Fall der gerichtlichen Kassation, nicht aber für den Fall, daß das FA einen Haftungsbescheid aufgrund eigener besserer Erkenntnis aufhebt.
6. NV: Ein Bescheid wird i.S. des § 146a Abs.3 AO unanfechtbar und die hemmende Wirkung einer Betriebsprüfung fällt dadurch weg, daß der aufgrund der Betriebsprüfung ergangene Bescheid aufgehoben wird, unabhängig davon, ob dies aus formellen oder materiellen Gründen geschieht (Ausführungen zum Unterschied zwischen Ablaufhemmung und Hemmung der Verjährung, Vergleich zwischen § 146a Abs.3 AO und § 171 Abs.4 AO 1977).
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 2 S. 1, §§ 130-131; EStG § 38 Abs. 2 S. 2, §§ 40, 40a; AO 1977 § 170 Abs. 2 Nr. 1, §§ 172, 175-176; AO § 146a Abs. 3; AO 1977 § 171 Abs. 3 S. 3, § 174 Abs. 4, § 171 Abs. 4
Tatbestand
Bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) fand im Dezember 1977 eine Lohnsteueraußenprüfung statt. Nach dem Bericht über die Außenprüfung vom April 1978 war Lohnsteuer u.a. deswegen nachzuerheben, weil die Rechtsvorgängerin der Klägerin, ohne insoweit Lohnsteuer angemeldet und abgeführt zu haben, ++/ in den Jahren 1975 bis 1977 /++ den Privatanteil der Telefonkosten ihrer Arbeitnehmer getragen hatte. Außerdem waren ++/ in den Jahren 1975 und 1976 /++ Aushilfslöhne versehentlich nicht versteuert worden.
Den u.a. wegen dieser Sachverhalte erlassenen Haftungsbescheid vom November 1978 hob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) während des beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahrens auf, nachdem das FG auf verschiedene Mängel des Haftungsbescheides, u.a. die fehlende Trennung zwischen pauschaler Lohnsteuer und Haftungsschuld, hingewiesen hatte. In der Aufhebungsverfügung vom August 1983 hatte das FA angekündigt, es werde in Kürze neue Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide erlassen.
Das FA erließ wegen der vorstehenden Sachverhalte im März 1984 einen als Nachforderungsbescheid bezeichneten Pauschalierungsbescheid.
Das FG wies die dagegen erhobene Klage, zu deren Begründung sich die Klägerin ausschließlich auf Verjährung berufen hatte, als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, durch die im Dezember 1977 angeordnete und durchgeführte Außenprüfung sei eine Hemmung der Verjährung eingetreten, die bis zum März 1984 fortgedauert habe.
Die Klägerin stützt ihre Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Nachforderungsbescheid i.d.F. der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Pauschalierungsbescheides. Die Lohnsteuer für die Lohnzuflüsse im Jahre 1977 ++/ sowie in den Jahren 1975 und 1976 /++ war im Zeitpunkt des Erlasses des Pauschalierungsbescheides, im März 1984, entgegen der Auffassung der Vorinstanz bereits verjährt.
1. Der Beginn der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs.2 Nr.2 der Abgabenordnung --AO 1977--) hängt nach § 170 Abs.1 AO 1977 u.a. von dem Zeitpunkt ab, in dem Steuer entsteht.
Die Entstehung der Lohnsteuer ist in § 38 Abs.2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt. Sie entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt.
Für die pauschale Lohnsteuer enthält das EStG keine Vorschrift, die ausdrücklich bestimmt, in welchem Zeitpunkt sie entsteht. Vielmehr ist in §§ 40, 40a EStG lediglich geregelt, daß der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz "erheben" kann bzw. daß die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz "erhoben" wird. § 40 Abs.3 EStG --auf den auch in § 40a Abs.5 EStG verwiesen wird-- bestimmt, daß der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen hat.
Das Fehlen einer eigenständigen Vorschrift über die Entstehung der pauschalen Lohnsteuer in Verbindung mit der Regelung, daß der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen hat, spricht für die Annahme, daß der Gesetzgeber eine Regelung über die Entstehung der pauschalen Lohnsteuer deswegen nicht für erforderlich gehalten hat, weil er sie ihrem Wesensgehalt nach als eine übernommene und somit bereits entstandene Steuerschuld beurteilt hat. Dies entspricht auch der Ansicht des I.Senats des Bundesfinanzhofs (BFH), der mit Urteil vom 30. November 1989 I R 14/87 (BFHE 159, 82, BStBl II 1990, 993) entschieden hat, die vom Arbeitgeber zu übernehmende (§ 40 Abs.3 EStG) pauschale Lohnsteuer entstehe aufgrund einer Tatbestandsverwirklichung durch den Arbeitnehmer. Diesem Urteil des I.Senats hat der entscheidende Senat zugestimmt.
Ist danach die pauschale Lohnsteuer dem Grunde nach durch eine Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstanden, so ist es folgerichtig, als den Zeitpunkt ihrer Entstehung ebenfalls die Verwirklichung des Tatbestands durch den Arbeitnehmer anzusehen. Die Tatbestandsverwirklichung durch den Arbeitnehmer besteht gemäß § 38 Abs.2 Satz 2 EStG darin, daß diesem Lohn zugeflossen ist. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 5. November 1982 VI R 219/80 (BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) als Entstehungszeitpunkt der pauschalen Lohnsteuer die Durchführung der Pauschalierung angesehen hat, kann er daran unter Berücksichtigung des Urteils des I.Senats des BFH in BFHE 159, 82, BStBl II 1990, 993 nicht mehr festhalten.
a) Allerdings hängt die Erhebung pauschaler Lohnsteuer bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 40 EStG zusätzlich von der Ausübung eines Wahlrechts durch den Arbeitgeber (Antrag) und einer "Zulassung" durch das Betriebsstättenfinanzamt ab. Außerdem bestimmt § 40 Abs.1 Satz 2 EStG, der nachträglich durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 (BGBl I 1982, 1857) eingefügt worden ist, daß bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes zu berücksichtigen ist, daß die in Abs.3 vorgeschriebene Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine in Geldeswert bestehende Einnahme i.S. des § 8 Abs.1 EStG darstellt (Nettosteuersatz). Doch stimmt der Senat im Ergebnis der Auffassung zu, wonach die Erklärung des Arbeitgebers, die pauschale Lohnsteuer übernehmen zu wollen, neben der Schuldübernahme lediglich bewirkt, daß die im Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns dem Grunde nach bereits entstandene Entrichtungsschuld abweichend berechnet wird (vgl. Thomas in Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1992, 837, 842). Zwar kann nicht geleugnet werden, daß der weitere geldwerte Vorteil, der darin liegt, daß der Arbeitgeber die mit dem Bruttosteuersatz berechnete Lohnsteuer schuldbefreiend übernimmt (vgl. § 40 Abs.1 Satz 2 EStG), frühestens erst in dem Zeitpunkt zufließen kann, in dem das FA der Pauschalierung zustimmt. Der Gesetzgeber hat aber die Lohnzuwendung, die in der Übernahme der mit dem Bruttosteuersatz berechneten Lohnsteuer liegt, gesetzestechnisch als eine besondere Form der Steuerberechnung ausgestaltet. Dies deutet darauf hin, daß die steuerrechtliche Beurteilung, nach der die pauschale Lohnsteuer durch eine Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstanden ist, durch die Einfügung des § 40 Abs.1 Satz 2 EStG nicht geändert werden sollte. Anderenfalls hätte es sich aufgedrängt, nunmehr eine nach dem bisherigen Gesetzesverständnis im Hinblick auf § 38 Abs.2 Satz 2 EStG nicht erforderliche Vorschrift über den Zeitpunkt der Entstehung der pauschalen Lohnsteuer einzufügen.
b) Ferner ist zuzugeben, daß die Literatur weitgehend der vom Senat in dem Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91 vertretenen Ansicht gefolgt ist, nach der die nacherhobene pauschale Lohnsteuer im Zeitpunkt der Durchführung der Pauschalierung entsteht (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 12.Aufl., § 40 Anm.5; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 40 Rdnr.A 43; Barein in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 40 EStG Rz.55, Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz, § 40 Tz.114; Gosch in Betriebs-Berater --BB-- 1990, 1110, 1111). Diese Auffassung hängt aber noch mit dem Verständnis der pauschalen Lohnsteuer als einer Unternehmenssteuer eigener Art zusammen. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die zutreffende Erkenntnis des I.Senats in dem Urteil in BFHE 159, 82, BStBl II 1990, 993, daß die pauschale Lohnsteuer die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer ist (vgl. auch bereits Kruse, Finanz-Rundschau --FR-- 1985, 1 ff.). Wird die pauschale Lohnsteuer aber materiell-rechtlich als die vom Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer des Arbeitnehmers verstanden, so ist es konsequent, als den Zeitpunkt ihrer Entstehung die Tatbestandsverwirklichung durch den Arbeitnehmer und mithin den Zeitpunkt des Zuflusses des Lohnes beim Arbeitnehmer anzusehen.
c) Auch das Senatsurteil vom 15. Mai 1992 VI R 183/88 (BFHE 168, 505, BStBl II 1993, 829), wonach dem späteren Erlaß eines Pauschalierungsbescheides für einen den Prüfungszeitraum betreffenden Sachverhalt die Änderungssperre des § 173 Abs.2 Satz 1 AO 1977 entgegensteht, wenn im Anschluß an eine Lohnsteueraußenprüfung der Vorbehalt der Nachprüfung der den Prüfungszeitraum betreffenden Lohnsteuer-Anmeldungen aufgehoben wird, basiert auf der Vorstellung, daß die pauschale Lohnsteuer jedenfalls nicht erst mit der Durchführung der Pauschalierung, sondern früher entsteht.
2. Entsteht die pauschale Lohnsteuer im Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns beim Arbeitnehmer, so war für die Lohnzuflüsse im Jahre 1977 im Zeitpunkt des Erlasses des Pauschalierungsbescheides, im März 1984, die Festsetzungsfrist abgelaufen.
a) Für die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs.2 Nr.2 AO 1977) war gemäß § 170 Abs.2 Nr.1 AO 1977 eine Anlaufhemmung eingetreten, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer anzumelden hat. Der Arbeitgeber hat seine Lohnsteuer-Anmeldung gemäß § 41a Abs.1 Satz 1 EStG spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums abzugeben. Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum ist grundsätzlich der Kalendermonat (§ 41a Abs.2 Satz 1 EStG). Danach war die Lohnsteuer-Anmeldung für die Löhne des Monats November 1977 bis spätestens zum 10. Dezember 1977 abzugeben, diejenige für die vorangegangenen Monate jeweils einen Monat früher. Für die Löhne der Monate Januar bis November 1977 hatte die Festsetzungsfrist bei rechtmäßigem Verhalten der Klägerin somit gemäß § 170 Abs.2 Nr.1 AO 1977 am 1. Januar 1978 zu laufen begonnen und hätte normalerweise am 31. Dezember 1981 geendet.
Für die Lohnzuflüsse des Monats Dezember 1977 hat die Festsetzungsfrist danach normalerweise, d.h. bei rechtzeitiger Abgabe der Lohnsteuer-Anmeldung bis zum 10. Januar 1978, mit Ablauf des Jahres 1978 begonnen (§ 170 Abs.2 Nr.1 AO 1977). Sie wäre bei normalem Verlauf am 31. Dezember 1982 abgelaufen gewesen.
b) Der Ablauf der Festsetzungsfrist war durch die im Dezember 1977 bei der Klägerin angeordnete und durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung nach § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 gehemmt. Nach dieser Vorschrift läuft die Festsetzungsfrist für Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Der Wortlaut dieser Vorschrift stellt --anders als § 146a Abs.3 der Reichsabgabenordnung (AO)-- zwar nicht auf die "ergangenen", sondern auf die "zu erlassenden" Bescheide ab. Damit war jedoch keine inhaltliche Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage beabsichtigt. In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der Abgabenordnung 1974 wird insoweit erläutert, daß der Ablauf der Festsetzungsfrist entsprechend § 146a Abs.3 AO auch dadurch hinausgeschoben wird, daß die Finanzbehörde innerhalb der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung beginnt und daß die Ablaufhemmung andauert, bis die aufgrund der Außenprüfung "ergehenden" Bescheide unanfechtbar geworden sind (BTDrucks VI/1982, S.151 f.). Dementsprechend sind in der Literatur insoweit aus dem unterschiedlichen Wortlaut der Vorschriften auch keine unterschiedlichen Rechtsfolgen abgeleitet worden.
Der aufgrund der Außenprüfung ergangene Haftungsbescheid, in dem die pauschale Lohnsteuer wegen der streitigen Lohnzuflüsse geltend gemacht worden war, ist mit seiner Aufhebung durch die Verfügung des FA vom August 1983 unanfechtbar i.S. des § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 geworden. Dieser Annahme steht nicht entgegen, daß das FA den Haftungsbescheid aus formellen Gründen aufgehoben und beabsichtigt hat, alsbald einen formell korrekten Steuerbescheid (Pauschalierungsbescheid) zu erlassen. Durch die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides tritt seine Unanfechtbarkeit unabhängig davon ein, ob er aus materiellen oder formellen Gründen aufgehoben worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 1990 X R 147/87, BFHE 161, 398, BStBl II 1990, 942). Die aufgrund der Außenprüfung eingetretene Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist hat mit der Aufhebung des Haftungsbescheides geendet. Der angefochtene Pauschalierungsbescheid vom März 1984 ist somit nach Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen worden und deshalb aufzuheben.
Zwar läuft dann, wenn das Finanzgericht einen Haftungsbescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufgehoben hat, die Festsetzungsfrist für den Haftungsanspruch gemäß § 171 Abs.3 Satz 3 AO 1977 nicht ab, bevor der neue Haftungsbescheid, mit dem das FA seine Ermessensausübung nach Ergehen der gerichtlichen Entscheidung nachgeholt hat, unanfechtbar geworden ist (BFH-Urteil vom 23. März 1993 VII R 38/92, BFHE 171, 10, BStBl II 1993, 581). § 171 Abs.3 Satz 3 AO 1977 verlängert die Ablaufhemmung aber ausdrücklich nur für den Fall der gerichtlichen Kassation gemäß § 100 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), nicht aber für den Fall, daß die Finanzbehörde ihren Bescheid aufgrund eigener besserer Erkenntnis selbst aufhebt.
c) Nach Ansicht des X.Senats des BFH im Urteil in BFHE 161, 398, BStBl II 1990, 942, 944, zu 4c folgt aus der in § 171 Abs.3 Satz 3 AO 1977 statuierten Notwendigkeit, daß das Gericht und nicht die Finanzbehörde selbst den angefochtenen Bescheid aufgehoben haben muß, nicht, daß der Finanzbehörde in Fällen der eigenen Abhilfe im Rechtsbehelfsverfahren eine Neuregelung des zugrunde liegenden Sachverhalts endgültig verwehrt wäre. Ob und unter welchen Voraussetzungen außerhalb des § 171 Abs.3 Satz 3 AO 1977 anstelle des aufgehobenen ein neuer Bescheid ergehen darf, richtet sich im neuen Abgabenrecht nach der mit einer besonderen Verjährungsregelung ausgestatteten Spezialvorschrift des § 174 Abs.4 AO 1977. Danach können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlaß oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Nach § 174 Abs.4 Satz 3 AO 1977 ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides gezogen werden.
Die Voraussetzungen des § 174 Abs.4 AO 1977 liegen im Streitfall nicht vor. Denn es ist nicht ein Steuerbescheid i.S. des § 155 AO 1977 oder ein diesem gleichgestellter Bescheid, sondern ein Haftungsbescheid aufgehoben worden. Zwar gelten gemäß § 191 Abs.3 Satz 1 AO 1977 die Vorschriften über die Festsetzungsfrist für den Erlaß von Haftungsbescheiden entsprechend. § 174 Abs.4 AO 1977 regelt in seinen Sätzen 1 und 2 jedoch die Durchbrechung der Bestandskraft, also die Zulässigkeit der Änderung von Steuerbescheiden; erst in Satz 3 des § 174 Abs.4 AO 1977 wird die Verjährung geregelt. Für die Änderung von Haftungsbescheiden gelten aber nach der AO 1977 --anders als gemäß § 97 Abs.2 AO-- nicht die für Steuerbescheide geltenden Vorschriften, sondern die für Verwaltungsakte getroffenen Regelungen der §§ 130 ff. AO 1977. Haftungsbescheide werden von den Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO 1977 nicht erfaßt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., Vor § 172 AO 1977 Tz.6, § 191 AO 1977 Tz.25).
Darüber hinaus erfordert § 174 Abs.4 Satz 1 AO 1977, daß aufgrund "irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes" ein Steuerbescheid ergangen ist, der von der Finanzbehörde aufgehoben oder geändert wird. Im Streitfall läßt sich nicht die irrige Beurteilung eines Sachverhaltes feststellen. Es war vielmehr der Sachverhalt zutreffend beurteilt worden. Das FA hat lediglich den Formfehler begangen, daß es die pauschale Lohnsteuer gegenüber der Klägerin als der Steuerschuldnerin in einem Haftungsbescheid und nicht in einem Steuerbescheid i.S. des § 155 AO 1977 geltend gemacht hatte.
d) Die Aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheides durch das FA hätte im Streitfall nur dann nicht zu einer Unanfechtbarkeit führen können und es hätte im März 1984 --also vor Geltung des mit Wirkung ab dem 1.Januar 1987 durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) neu eingefügten § 171 Abs.4 Satz 3 AO 1977-- weiterhin ein erstmaliger Steuerbescheid erlassen werden können, wenn der aufgehobene Haftungsbescheid unwirksam (§ 124 Abs.1 und 3, § 125 AO 1977) gewesen wäre. Denn der Erlaß eines unwirksamen Bescheides hätte nicht die Unanfechtbarkeit i.S. des § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 zur Folge gehabt. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des vom FA aufgehobenen Haftungsbescheides liegen indessen nicht vor.
e) Das FA hätte das im Streitfall eingetretene Ergebnis dadurch vermeiden können, daß es zunächst einen formell korrekten Pauschalierungsbescheid erlassen und erst dann den angefochtenen Haftungsbescheid aufgehoben und den Rechtsstreit vor dem FG in der Hauptsache für erledigt erklärt hätte. Denn bei dieser Sachverhaltsgestaltung wäre der Pauschalierungsbescheid erlassen worden, bevor der aufgrund der Außenprüfung ergangene Bescheid, der denselben Sachverhalt geregelt hat, unanfechtbar geworden wäre. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs.4 Satz 1 AO hätte im Zeitpunkt des Erlasses des (formell korrekten) Pauschalierungsbescheides noch angedauert, weil der Haftungsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden war. Die spätere Aufhebung des Haftungsbescheides hätte auch nicht --anders als im Falle der verwaltungsaktbezogenen Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs.3 AO 1977 (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH 161, 398, BStBl II 1990, 942)-- die sachverhaltsbezogene Ablaufhemmung aufgrund der Außenprüfung rückwirkend beseitigt. Denn die Aufhebung des aufgrund der Außenprüfung erlassenen Haftungsbescheides hat lediglich das Ende der --sachverhaltsbezogenen-- Ablaufhemmung nach § 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977 bestimmt, nicht aber die Wirkungen der angeordneten und durchgeführten Außenprüfung rückwirkend entfallen lassen.
++/ 3. Da die pauschale Lohnsteuer im Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns beim Arbeitnehmer entsteht, bedeutet dies auch für die Lohnzuflüsse in den Jahren 1975 und 1976, daß im Zeitpunkt des Erlasses des Pauschalierungsbescheides, im März 1984, Verjährung eingetreten war.
Die Verjährung richtet sich insofern nach den Vorschriften der AO (vgl. § 10 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung --EGAO 1977--). Gemäß § 144 Abs.1 AO beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Nach § 145 Abs.1 AO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Demgemäß hatte der Lauf der Verjährungsfristen am 1. Januar 1976 bzw. am 1. Januar 1977 begonnen und hätte normalerweise am 31. Dezember 1980 bzw. 1981 geendet.
Der erst nach Ablauf der normalen Verjährungsfrist erlassene Pauschalierungsbescheid vom März 1984 wäre aber trotzdem rechtmäßig, wenn entsprechend den Ausführungen des FG durch die im Dezember 1977 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin angeordnete und begonnene Lohnsteueraußenprüfung eine Ablaufhemmung eingetreten wäre und bis zum März 1984 fortgewirkt hätte. Letzteres ist entgegen der Auffassung des FG jedoch nicht der Fall gewesen.
Zwar war der Ablauf der Verjährungsfrist zunächst durch die Anordnung und Durchführung der Lohnsteueraußenprüfung im Dezember 1977 gemäß § 146a Abs.3 AO gehemmt. Nach § 146a Abs.3 AO verjähren die Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt, nicht, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist mit einer Betriebsprüfung begonnen wird. Die zunächst eingetretene Ablaufhemmung war aber im März 1984 bereits abgelaufen.
a) Soweit das FG seine gegenteilige Auffassung darauf gestützt hat, daß nach dem Ende der Ablaufhemmung der bei ihrem Beginn noch nicht verbrauchte Teil der Verjährungs- oder Festsetzungsfrist weitergelaufen sei und schon deswegen im Streitfall eine Verjährung nicht eingetreten sein könne, kann dem nicht gefolgt werden. Die Rechtsfolge, daß nach dem Wegfall des Hemmungstatbestandes die früher begonnene Festsetzungsfrist weiterläuft, trifft nur für eine Hemmung der Verjährung zu. Insoweit wird gemäß § 205 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Davon zu unterscheiden ist jedoch die im Streitfall vorliegende sog. Ablaufhemmung. Die Ablaufhemmung hindert die Vollendung der Verjährung und bewirkt, daß sich die normale Verjährungsfrist ggf. um den in der jeweiligen Vorschrift geregelten Zeitraum verlängert (vgl. z.B. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 53.Aufl., § 202 Anm.1).
b) Die danach erhebliche Rechtsfrage, ob die Unanfechtbarkeit eines Bescheides i.S. des § 146a Abs.3 AO dadurch eingetreten und die hemmende Wirkung einer Betriebsprüfung dadurch weggefallen ist, daß der aufgrund der Betriebsprüfung ergangene Bescheid aus formellen Gründen aufgehoben worden ist (bejahend Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO 1977 Tz.9 i.V.m. Tz.17), ist in den BFH-Urteilen vom 17. Februar 1982 II R 176/80 (BFHE 135, 234, BStBl II 1982, 524) und vom 20. Juli 1988 I R 81/84 (BFH/NV 1989, 78) ausdrücklich offengelassen worden. In beiden Urteilsfällen war der Fristablauf aus anderen Gründen, nämlich aufgrund eines Rechtsbehelfs gemäß § 146a Abs.1 AO, weiterhin gehemmt. Es waren jeweils erneute Bescheide innerhalb der in § 146a Abs.1 AO bestimmten Frist von sechs Monaten erlassen worden.
Im Streitfall kann diese Frage nicht offenbleiben. Denn die Voraussetzungen des § 146a Abs.1 AO liegen nicht vor. Nach § 146a Abs.1 AO verjähren Ansprüche aus dem Sachverhalt, der dem Verfahren über den Rechtsbehelfs zugrunde liegt, nicht vor Ablauf von sechs Monaten, nachdem die Abgabenfestsetzung unanfechtbar geworden ist. Der Pauschalierungsbescheid vom März 1984 ist nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Verfügung vom August 1983 über die Aufhebung des Haftungsbescheides und damit nicht innerhalb der in § 146a Abs.1 AO gesetzten Frist ergangen.
Durch die Aufhebung des Haftungsbescheides ist seine Unanfechtbarkeit i.S. des § 146a Abs.3 AO eingetreten. Der Wortlaut des § 146a Abs.3 AO, wonach "die Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt", nicht verjähren, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind, differenziert nicht danach, ob der Bescheid aus formellen oder materiellen Gründen aufgehoben und damit unanfechtbar geworden ist. Auch unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift bestehen keine Bedenken, die Unanfechtbarkeit eines ergangenen Bescheides i.S. des § 146a Abs.3 AO und damit das Ende der Hemmung der Verjährung aufgrund der Betriebsprüfung selbst dann anzunehmen, wenn der aufgrund der Betriebsprüfung erlassene Haftungsbescheid nur deshalb aufgehoben wird, weil richtigerweise wegen dieses Sachverhalts ein Steuerbescheid (Pauschalierungsbescheid) hätte erlassen werden müssen. Aus § 146a Abs.1 AO folgt, daß dem FA dann, wenn es aufgrund eines Rechtsbehelfs einen Bescheid aufhebt, für seine Fehlerkorrekturen eine Frist von sechs Monaten zur Verfügung stehen soll. Gründe dafür, bei einem derartigen Sachverhalt den Erlaß eines neuen Bescheides nur deshalb unbefristet zuzulassen, weil der aufgehobene Bescheid aufgrund einer Betriebsprüfung ergangen war, vermag der Senat nicht zu erkennen. Ist ein Rechtsbehelf gegen einen Bescheid eingelegt worden, ist der Steuerpflichtige nicht deshalb weniger schutzwürdig, weil der angefochtene Bescheid aufgrund einer Betriebsprüfung ergangen ist. Bei diesem Verfahrensstand ist es für die Interessenlage des Steuerpflichtigen vielmehr ohne Bedeutung, ob bei ihm zuvor eine Betriebsprüfung durchgeführt worden ist oder nicht. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, daß das FA bei der Aufhebung ausdrücklich erklärt, den Sachverhalt erneut, und zwar nunmehr formell korrekt, regeln zu wollen. Denn das FA kann nicht durch Abgabe von Erklärungen den Inhalt gesetzlicher Vorschriften verändern und gesetzliche Fristen verlängern. /++
Fundstellen
Haufe-Index 65073 |
BFH/NV 1994, 61 |
BStBl II 1994, 715 |
BFHE 174, 363 |
BFHE 1995, 363 |
BB 1994, 1490 |
BB 1994, 1490 (L) |
DB 1994, 2064 (L) |
DStR 1994, 1113-1114 (KT) |
DStZ 1994, 566-567 (KT) |
HFR 1994, 614-616 (KT) |
StE 1994, 443 (K) |