Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuervergünstigung nach § 9 DBStÄndG (DDR): Wechsel von nebenberuflicher zu hauptberuflicher selbständiger Tätigkeit, zeitlicher Umfang für Hauptberuflichkeit maßgebend, Entscheidung über den Abzugsbetrag nicht erst im Abrechnungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Den Steuerabzugsbetrag nach § 58 Abs. 3 EStG, § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR) erhält auch, wer eine zuvor nebenberuflich ausgeübte Tätigkeit als Gebäude- und Grundstückssachverständiger seit 1990 hauptberuflich ausgeübt hat.
2. Der zeitliche Umfang ist das maßgebliche Kriterium dafür, ob die Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird.
3. Hat das FA gesondert über die Abzugsberechtigung entschieden, ist hierüber nicht erst nach Ergehen eines Abrechnungsbescheides zu befinden (Abgrenzung von BFH-Urteil vom 6. März 1995 VI R 81/94, BFHE 177, 122, BStBl II 1995, 463).
Orientierungssatz
Zur Anrufung des Großen Senats gem. § 11 Abs. 2 FGO besteht kein Anlaß.
Normenkette
EStG § 58 Abs. 3; StRVÄndGDBest § 9 Abs. 1 S. 3; FGO § 11 Abs. 2; AO 1977 § 218 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) für das Streitjahr 1990 ein Steuerabzugsbetrag gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 der Durchführungsbestimmung zum Gesetz zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer vom 16. März 1990 (Gesetzblatt der DDR --GBl DDR-- I S.195) i.d.F. des Steueranpassungsgesetzes vom 22. Juni 1990 (GBl DDR Sdr.Nr. 1427) --DBStÄndG (DDR)-- wegen Aufnahme einer hauptberuflichen Tätigkeit als vereidigte Sachverständige für Grundstücke und Gebäude zusteht.
Die Klägerin war neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau bis Ende Februar 1990 nebenberuflich als Gebäude- und Grundstückssachverständige tätig. Am 19. Februar 1990 beantragte sie eine Gewerbegenehmigung für die Tätigkeit der Wertermittlung von Immobilien und als Maklerin. Die Klägerin wurde als vereidigte Sachverständige für Grundstücke und Gebäude zugelassen. Die Tätigkeit als Maklerin übte sie jedoch nicht aus.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte den mit der Einkommensteuererklärung 1990 in Höhe von 3 551 DM beantragten Steuerabzugsbetrag nach § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR). Der gegen die Versagung gerichtete Einspruch der Klägerin blieb erfolglos, weil --so das FA-- die Klägerin keinen Betrieb neu eröffnet, sondern ihre frühere Tätigkeit fortgesetzt habe.
Mit der Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie machte geltend, nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR) sei die erstmalige hauptberufliche Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit begünstigt. Durch die Verwendung des Begriffs "hauptberuflich" ergebe sich die Absicht des Gesetzgebers, auch den Übergang von einer nebenberuflichen zu einer hauptberuflichen Tätigkeit zu fördern.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner in "Deutschland special Ost" 1994 Heft 34 S.4 veröffentlichten Entscheidung u.a. aus, nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 DBStÄndG (DDR) sei demjenigen der Steuerabzugsbetrag zu gewähren, der erstmalig hauptberuflich eine selbständige oder freiberufliche Tätigkeit aufnehme. Ausweislich ihrer Umsätze sei sie im Jahr 1990 von einer nebenberuflichen zu einer hauptberuflichen Tätigkeit übergegangen. Für die Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR) sei nicht die erstmalige Neuaufnahme der Tätigkeit erforderlich. Mit dem Erfordernis der "Hauptberuflichkeit" habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß nicht die Aufnahme einer nebenberuflichen Tätigkeit gefördert werden solle, wohl aber der Wechsel von einer nebenberuflichen zu einer hauptberuflichen Tätigkeit.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar zu Recht erkannt, daß der Steuerpflichtige bei einem Wechsel von einer nebenberuflich zu einer hauptberuflich ausgeübten selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit eine Steuerbegünstigung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR) beanspruchen kann, aber nicht festgestellt, ob die Klägerin tatsächlich im Sinne dieser Vorschrift hauptberuflich selbständig oder freiberuflich tätig war.
1. Gemäß § 58 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) für Steuerpflichtige weiter anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1991 in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet eine Betriebsstätte begründet haben, wenn sie von dem Tag der Begründung der Betriebsstätte an zwei Jahre lang die Tätigkeit ausüben, die Gegenstand der Betriebsstätte ist.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 DBStÄndG (DDR) --abgedruckt bei Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 58 EStG Anm. 1 und bei Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 58; vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Satz 1 der Anlage 1 zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik - BGBl II 1990, 537-- wird bei Neueröffnung eines Handwerks-, Handels- oder Gewerbebetriebes dem Inhaber eine einmalige Steuerbefreiung für zwei Jahre höchstens bis 10 000 DM gewährt. Die einmalige Steuerbefreiung wird auch bei Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit gewährt --§ 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR)--.
2. a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 DBStÄndG (DDR) setzt die Gewährung des Steuerabzugsbetrages die Neueröffnung eines Handwerks-, Handels- oder Gewerbebetriebes voraus, ohne ausdrücklich zu bestimmen, ob diese Betriebe haupt- oder nebenberuflich geführt werden müssen. Demgegenüber stellt die Vorschrift in Satz 3 für die Gewährung der einmaligen Steuerbefreiung für die Aufnahme einer selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit nach ihrem Wortlaut auf die Aufnahme einer solchen hauptberuflichen Tätigkeit ab. Das läßt einerseits offen, ob die Hauptberuflichkeit wie in Satz 3 auch für die Eröffnung der in Satz 1 genannten Handwerks-, Handels- und Gewerbebetriebe verlangt werden muß, und andererseits, ob als aufgenommene Tätigkeit im Sinne von Satz 1 eine erstmalig ausgeübte Tätigkeit verstanden werden muß. Diese Fragen brauchen indes im vorliegenden Fall nicht weiter vertieft zu werden. Das trifft auch für die Frage zu, ob die von der Klägerin aufgenommene Tätigkeit als vereidigte Sachverständige eine selbständige Tätigkeit i.S. von § 18 des Einkommensteuergesetzes der DDR (EStG DDR) oder eine gewerbliche Betätigung war. Denn jedenfalls handelt es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um eine nach § 3 i.V.m. § 1 des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) vom 6. März 1990 (GBl DDR I Nr. 17 S.136) begünstigte Tätigkeit i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR). Dessen Wortlaut schließt durch die Verwendung des Begriffes "hauptberuflich" den Übergang von einer nebenberuflichen zu einer hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Betätigung von der einmaligen Steuerbefreiung nicht aus. Die zusätzliche Verwendung des Wortes "auch" für die Ausdehnung der Steuerbefreiung auf die "Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit" zeigt, daß der Gesetzgeber diesen Tatbestand besonders, und zwar abweichend von der Neueröffnung der in Satz 1 genannten Handwerks-, Handels- und Gewerbebetriebe hatte regeln wollen. § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR) knüpft damit folgerichtig an § 1 Abs. 1 StÄndG an, der für die Einkommensteuer bzw. den Gewinn ausdrücklich zwischen (1.) Handwerks-, Handels- und Gewerbebetrieben einerseits und sonstiger selbständiger Tätigkeit andererseits sowie (2.) freiberuflicher Arbeit unterscheidet. Da die Verordnung auf die Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit abstellt, ist es danach auch unerheblich, ob der Steuerpflichtige mit der eigentlichen Tätigkeit erstmalig beginnt (zum Begriff der Aufnahme vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 20. April 1995 IV R 89/94, nicht veröffentlicht, und IV R 101/94, BFHE 178, 25, BStBl II 1995, 710) oder sie vorher bereits nebenberuflich ausgeübt hat.
b) Als Steuerrechtsnorm der ehemaligen DDR kann § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) nicht ohne weiteres anhand bundesdeutschen Begriffsverständnisses interpretiert werden, da sie noch anhand einer andersartigen Gesetzesentwicklung und -teleologie entwickelt wurde (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. März 1994 I R 146/93, BFHE 175, 22, BStBl II 1994, 941, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1995, 23; vom 9. November 1994 I R 67/94, BFHE 176, 244, BStBl II 1995, 305, und vom 14. Dezember 1994 XI R 39/94, BFHE 176, 406, BStBl II 1995, 320). Zu berücksichtigen ist daher auch, daß die frühere DDR in Gestalt der Anordnung über die steuerliche Vergünstigung für Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit vom 7. Februar 1980 (GBl DDR Teil I Nr. 8 S.69, abgedruckt bei Datev, Steuerrechtssammlung 1990, Bd.II unter Nr. 68) bereits Steuervergünstigungen für die unter Nr. 4 der Anlage 1 zu dieser Verordnung genannten Sachverständige, Gutachter und Wertermittler im Grundstücksverkehr, für Vermögens- und Schadensfeststellungen kannte. Voraussetzung war allerdings, daß bei der Ausübung der nebenberuflichen Tätigkeit keine fremden Arbeitskräfte beschäftigt wurden. Sofern der Steuerpflichtige weiterhin nebenberuflich tätig blieb, erhielt er nach § 12 Abs. 2 StÄndG einen Freibetrag in Höhe von 3 000 Mark bzw. blieben weiterbestehende Vergünstigungen bestehen (§ 12 Abs. 3 StÄndG). Das spricht dafür, daß der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR) auch den Übergang von einer nebenberuflichen zu einer hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit hat begünstigen wollen.
c) Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 DBStÄndG (DDR) war, die Gründung neuer Betriebe und damit das Angebot an neuen Arbeitsplätzen steuerlich zu fördern (Stuhrmann in Hartmann/ Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 58 Rz. 11), um so den Überbestand an Arbeitnehmern zu vermindern, die fast ausschließlich in den stark existenzgefährdeten Großbetrieben beschäftigt waren (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 20. April 1995 in BFHE 178, 25, BStBl II 1995, 710 und IV R 89/94). Wird eine selbständige oder freiberufliche Tätigkeit nur nebenberuflich betrieben, so werden erfahrungsgemäß weniger neue Arbeitsplätze als bei der Aufnahme einer hauptberuflichen Tätigkeit geschaffen. Demgemäß ist die Aufnahme einer nebenberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit nicht begünstigt (Stuhrmann, a.a.O.; Kanzler, a.a.O., § 58 EStG Anm. 4). Die aufgenommene Tätigkeit muß vielmehr hauptberuflich ausgeübt werden. Davon geht auch die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. Juli 1991 (BStBl I 1991, 737 unter 1) aus und nimmt eine hauptberufliche Tätigkeit unter Bezug auf das BFH-Urteil vom 30. März 1990 VI R 188/87 (BFHE 160, 486, BStBl II 1990, 854) nur an, wenn der Steuerpflichtige seine Arbeitszeit zu mehr als 1/3 für diese Tätigkeit verwendet. Soweit das FA aus dem o.a. BMF-Schreiben folgert, Selbständige und Freiberufler müßten ihre Tätigkeit --entsprechend der Neueröffnung der gewerblichen Betriebe-- erstmalig aufgenommen haben und diese außerdem hauptberuflich ausüben, kann dem der erkennende Senat nicht folgen. Selbst das BMF-Schreiben geht nicht davon aus, daß die Aufnahme der hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit erstmalig zu erfolgen hat.
d) Dem steht nicht entgegen, daß im Jahr 1990 durch § 9 Abs. 1 DBStÄndG (DDR) im Anschluß an frühere Direktiven des DDR-Ministerrates zur besseren Versorgung der Bevölkerung durch neueröffnete Handwerks-, Handels- und Gewerbebetriebe (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 176, 406, BStBl II 1995, 320, und in BFHE 176, 244, BStBl II 1995, 305 sowie die Urteile des erkennenden Senats vom 20. April 1995 IV R 89/94 und IV R 101/94) eine besondere Fördermaßnahme für Existenzgründer geschaffen werden sollte. Der Sinn der Steuerbefreiung, zu Investitionen und zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen anzuregen, wird auch für bei einem Wechsel von einer nebenberuflichen zu einer hauptberuflich ausgeübten selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit erfüllt. Wie für die Tätigkeit der Klägerin bereits ausgeführt - war es außerdem schon zulässig gewesen, die Tätigkeit eines Selbständigen oder die eines Freiberuflers nebenberuflich auszuüben (vgl. Gesetz zur Besteuerung der steuerbegünstigten und freischaffenden Intelligenz vom 28. Mai 1958 --GBl DDR Teil I Nr. 37, S.453-- Datev, a.a.O., Bd.I unter Nr. 14; siehe dort auch Nr. 14 a). Es war daher durchaus sinnvoll, gerade diese Gruppe von Steuerpflichtigen zum Wechsel von einer neben- zu einer hauptberuflichen Tätigkeit anzuregen und somit auch die Aufnahme der hauptberuflichen Tätigkeit der Neueröffnung eines gewerblichen Betriebes gleichzustellen. Angesichts der bereits vorhandenen Regelungen hätte es daher erst recht nahegelegen, ausdrücklich klarzustellen, daß der Übergang von einer bereits nebenberuflich ausgeübten zu einer hauptberuflichen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit nicht begünstigt sei. Unter diesen Umständen ist es unerheblich, daß ein bislang nebenberuflich tätiger Selbständiger oder Freiberufler gewisse Anlaufschwierigkeiten, die mit der erstmaligen Begründung eines Betriebs zusammenhängen, möglicherweise nicht zu überwinden hat. Die vom FA genannten Vorteile bereits bestehender Geschäftsbeziehungen (z.B. der erworbene gute Ruf) dürften ohnehin nicht besonders ins Gewicht fallen.
3. Über die Streitfrage konnte auch im anhängigen Verfahren entschieden werden.
Die Gewährung des Abzugsbetrages führt allerdings nicht dazu, daß sich die Bemessungsgrundlagen für die Einkommensteuer 1990 ermäßigen und die Einkommensteuerschuld entsprechend geringer ausfällt. Vielmehr sollte der Abzugsbetrag die zusammengefaßte Steuerschuld aus sämtlichen Steuerarten mindern; dies ist bereits in BFHE 176, 244, BStBl II 1995, 305 ausgeführt worden. Die Entscheidung über die Steuerbefreiung stellt sich damit als selbständiger Verwaltungsakt hinsichtlich einer Steuervergünstigung dar, der gemäß § 348 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) mit dem Einspruch anfechtbar ist. So wollte das FA auch entscheiden. Das ergibt sich deutlich aus dem vom FA verwendeten Berechnungsbogen für das Jahr 1990. Danach wurden zunächst die Einkommensteuer, dann die Gewerbesteuer, die Umsatzsteuer/Beförderungssteuer, die Vermögensteuer und die Lohnsummensteuer berechnet. Von der zusammengefaßten Steuerschuld wurde sodann der gesondert berechnete Steuerabzugsbetrag für neueröffnete Betriebe abgezogen. Ein nach diesem Vorbild ergangener Bescheid stellt sich damit als zusammengefaßter Bescheid über verschiedene Steuerarten und die Gewährung einer besonderen Steuervergünstigung dar.
Der erkennende Senat folgt demnach nicht der Auffassung des VI.Senats (Urteil vom 6. März 1995 VI R 81/94, BFHE 177, 122, BStBl II 1995, 463), daß über die Gewährung des Abzugsbetrags erst im Abrechnungsverfahren entschieden werde. Dies entsprach nicht den Vorstellungen des FA. Ausweislich des Berechnungsbogens sollte über die Abrechnung vielmehr erst anschließend in einem gesonderten Abschnitt befunden werden. Die Entscheidung über den Abzugsbetrag gehört auch der Sache nach nicht in das Abrechnungsverfahren. Sie betrifft eine Frage des materiellen Steuerrechts und nicht lediglich der Verwirklichung gegebener Steueransprüche; über sie mußte ohne weiteres von Amts wegen und nicht nur, wie in § 218 Abs. 2 AO 1977 für den Erlaß eines Abrechnungsbescheids vorgesehen, beim Auftreten von Streitigkeiten befunden werden.
Der erkennende Senat beurteilt demnach das Verwaltungshandeln des FA anders als der VI.Senat, der zudem über einen für 1991 ergangenen Bescheid zu befinden hatte. Zur Anrufung des Großen Senats besteht demnach gemäß § 11 Abs. 2 FGO kein Anlaß.
4. Im Streitfall hat das FG daher zu Recht entschieden, daß der Wechsel von einer neben- zu einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit begünstigt ist.
Die Sache ist indes nicht spruchreif. Das FG hat nicht festgestellt, daß die Klägerin ihre Tätigkeit im Streitjahr (1990) tatsächlich auch hauptberuflich ausgeübt hat. Die erzielten Umsätze sagen nichts darüber aus, ob eine Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird. Vielmehr ist der zeitliche Umfang der Tätigkeit das maßgebliche Kriterium dafür, ob der Steuerpflichtige den Begriff "hauptberuflich" i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 DBStÄndG (DDR) erfüllt (vgl. Anordnung über steuerliche Vergünstigungen für die Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit vom 7. Februar 1980; siehe auch BFH-Urteil in BFHE 160, 486, BStBl II 1990, 854 zum Begriff der Nebenberuflichkeit in § 3 Nr. 26 EStG). Denn mit der Steuervergünstigung war bezweckt, zur Bildung neuer Arbeitsplätze für die in den Großbetrieben bislang nicht ausreichend Beschäftigten anzuregen. Dazu gehörte indes auch, daß die geförderten Selbständigen und Freiberufler ihre Arbeitsplätze freimachten, d.h. ihre volle Arbeitszeit in den aufgenommenen Tätigkeiten gebunden war.
Fundstellen
Haufe-Index 65761 |
BFH/NV 1995, 91 |
BFHE 178, 189 |
BFHE 1996, 189 |
BB 1995, 2258 (L) |
DB 1995, 2298 (L) |
DStR 1995, 1788-1789 (KT) |
DStZ 1996, 90 (K) |
HFR 1996, 79-80 (L) |
StE 1995, 686-687 (K) |