Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zurechnung und Ermittlung des Nutzungswerts beim Verkauf eines Einfamilienhauses unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnrechts
Leitsatz (NV)
1. Behält sich der Verkäufer eines Einfamilienhauses ein dingliches Wohnrecht unter Anrechnung auf den Kaufpreis vor, so ist ihm der Nutzungswert gemäß § 21 Abs. 2 1. Alt. EStG zuzurechnen.
2. Der Nutzungswert dieses Einfamilienhauses ist gemäß § 21 a EStG zu ermitteln (Anschluß an BFH-Urteil vom 7. 12. 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627).
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2, § 21a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Eigentümerin eines Einfamilienhauses, das sie durch notariellen Grundstückskaufvertrag vom Dezember 1972 mit Wirkung vom 1. Januar 1973 an ein Ehepaar verkaufte. Als Kaufpreis war die Zahlung einer lebenslänglichen Rente vereinbart; ferner war der Verkäuferin ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht an dem gesamten Hausgrundstück eingeräumt. Der Wert dieses Wohnrechts wurde im Vertrag mit 1 800 DM beziffert. Die Käufer bewilligten und beantragten die Eintragung der Leibrente und des Wohnrechts im Grundbuch. Leibrente und Wohnrecht wurden auch im Grundbuch eingetragen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) rechnete bei den Einkommensteuerveranlagungen der Streitjahre 1973 bis 1977 den Wert des Wohnrechts der Klägerin als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu.
Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe das Wohnrecht entgeltlich gegen Übertragung ihres Grundstücks erworben. Das Wohnrecht sei nicht ihr, sondern den Käufern zuzurechnen.
Das Finanzgericht (FG) ließ bezüglich der allein hier noch streitigen Frage offen, ob der Ansatz des Nutzungswerts der Wohnung gemäß § 21 Abs. 2 erste Alternative des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerechtfertigt sei, jedenfalls habe die Klägerin den Nutzungswert gemäß § 21 Abs. 2 zweite Alternative EStG zu versteuern. Die Vereinbarungen stellten sich als Grundstücksveräußerung unter Vorbehalt des dinglichen Wohnrechts dar.
Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, das kapitalisierte Wohnrecht müsse als Teil der Entgeltlichkeit des Grundstücksverkaufsvertrages beurteilt werden. Wirtschaftlich bezahle der Käufer die Differenz am Kaufpreis in Höhe des kapitalisierten Wohnrechts und erhalte den gleichen Wert für das Wohnrecht zurück. Sei das Wohnrecht von der Klägerin zurückbehalten worden, dann könne keine Überlassung der Wohnung durch den Käufer vorliegen. Diese Überlassung sei aber erforderlich, um eine Steuerpflicht gemäß § 21 Abs. 2 zweite Alternative EStG auszulösen. Rechne das FA der Klägerin das Wohnrecht steuerlich zu, müsse es auch eine Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Wohnrecht ansetzen. Der Wert hierfür wäre der Jahresbetrag des Wohnrechts multipliziert mit der Anzahl der Nutzungsjahre nach der Lebenserwartung. Da dieser Nutzungszeitraum auch gleichzeitig Verteilungszeitraum für die AfA wäre, würden sich Mieteinnahmen und Werbungskosten ausgleichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO-).
1. Das FG hat den Nutzungswert des Einfamilienhauses im Ergebnis zu Recht der Klägerin zugerechnet, obwohl sie nicht Eigentümerin des Einfamilienhauses war. Denn sie nutzt das Gebäude einem Eigentümer vergleichbar aufgrund ihres bei der Eigentumsübertragung vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts. Bewohnt jemand, der sein Einfamilienhaus unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs veräußert hat, dieses Einfamilienhaus aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs selbst, ist ihm der Nutzungswert der Wohnung gemäß § 21 Abs. 2 erste Alternative EStG zuzurechnen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). Wie der VIII. Senat in diesem Urteil ausgeführt hat, ist es gerechtfertigt, beim Vorbehaltsnießbraucher ,,von einem Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus (§ 21 Abs. 2 EStG) zu sprechen". Durch den dinglichen Vorbehalt des Nutzungsrechts bleibt hinsichtlich der Nutzung zwischen Verkäuferin und Käufern alles beim alten. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung sind auch im Fall des vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts anwendbar; denn auch bei dieser Sachverhaltsgestaltung bleibt hinsichtlich der Nutzung zwischen Verkäuferin und Käufern alles beim alten.
2. Da es sich bei dem von der Klägerin genutzten Haus um ein Einfamilienhaus handelt, war der Nutzungswert gemäß § 21 a EStG zu ermitteln. Der Senat verweist hinsichtlich der Einzelheiten auf das Urteil in BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627.
Die Vorentscheidung hat keine Feststellungen zur Höhe des Nutzungswerts des Einfamilienhauses und damit des Grundbetrages (§ 2 Abs. 1 der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus - EinfHausV - bzw. § 21 a Abs. 1 EStG) getroffen, sondern statt dessen den im Verkaufsvertrag bezifferten Wert des Wohnrechts von 1 800 DM angesetzt. Der Senat vermag daher nicht in der Sache selbst zu entscheiden.
Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, damit die unterbliebenen Feststellungen getroffen und der Nutzungswert nach § 2 Abs. 1 EinfHausV bzw. § 21 a Abs. 1 EStG angesetzt wird.
Fundstellen
Haufe-Index 414094 |
BFH/NV 1987, 232 |