Entscheidungsstichwort (Thema)
Lehrgang zum Erwerb der Fachhochschulreife im Bereich Verwaltung als Ausbildungskosten
Leitsatz (NV)
1. Aufwendungen für den Besuch von Allgemeinbildung vermittelnden Schulen sind Berufsausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Das gilt auch für Kosten des Besuchs eines Lehrgangs einer Volkshochschule zur Erlangung der Fachhochschulreife im Bereich Verwaltung.
2. Berufsausbildungskosten liegen ebenfalls dann vor, wenn ein solcher Lehrgang von einer Beamtin des mittleren Dienstes mit dem Ziel besucht wird, mit der Fachhochschulreife eine zwingende Voraussetzung für den Aufstieg in den gehobenen Dienst zu erfüllen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist seit dem Jahr 1978 als Beamtin im mittleren Dienst beim Finanzamt (FA) beschäftigt. Seit dem 9. September 1985 besuchte sie an der Volkshochschule einen Lehrgang zur Erlangung der Fachhochschulreife im Bereich Verwaltung. Im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1986 beantragte sie den Abzug von Werbungskosten in Höhe von . . . DM, die ihr im Zusammenhang mit diesem Lehrgang entstanden waren. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) ließ die Aufwendungen nur als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes 1986 (EStG) mit dem Höchstbetrag von 900 DM zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt. Es führte u. a. aus:
Entständen Aufwendungen für die Teilnahme an einem Lehrgang anläßlich einer beruflichen Veränderung des Steuerpflichtigen, so sei mit dem Bundesfinanzhof (BFH) davon auszugehen, daß es im öffentlichen Interesse liege, das Streben nach Verbesserung der beruflichen Leistungen steuerlich zu fördern und den Begriff der Fortbildungskosten nicht zu eng auszulegen. Dementsprechend seien Aufwendungen für Fortbildungsmaßnahmen zum Zweck des Aufstiegs eines Steuerpflichtigen in dem von ihm ausgeübten Beruf grundsätzlich den als Werbungskosten abziehbaren Berufsfortbildungskosten zuzurechnen. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt.
Die Teilnahme der Klägerin an dem Lehrgang habe in einem engen sachlichen Zusammenhang mit ihrer beim FA ausgeübten Tätigkeit als Beamtin des mittleren Dienstes gestanden. Die von ihr angestrebte sogenannte Fachhochschulreife sei zwingende Voraussetzung für die Zulassung zum Aufstieg in den gehobenen Dienst. Der von ihr erstrebte Laufbahnwechsel stelle keinen Berufswechsel dar. Hierdurch werde kein neues Berufsbild vermittelt und die Klägerin erlange im beruflichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben keine herausgehobenere Stellung als bisher. Sie erstrebe lediglich eine höhere Qualifikation in dem von ihr bereits ausgeübten Beruf.
Die Verwaltungsfachoberschule sei zwar keine Lehreinrichtung, die spezielle, für die Berufsausbildung eines Finanzbeamten des mittleren Dienstes notwendige berufliche Kenntnisse vermittle. Demgegenüber sei jedoch zu berücksichtigen, daß die Klägerin ihre Berufsausbildung bereits abgeschlossen habe. Der Besuch der Verwaltungsfachoberschule sei geeignet, ihre Kenntnisse zu erweitern und ihr Fortkommen in dem von ihr ausgeübten Beruf zu verbessern, und zwar unabhängig davon, daß sie beabsichtige, die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst abzulegen.
Gegen dieses Urteil legte das FA Revision ein. Es rügt die Verletzung des § 9 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Aufwendungen für den Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen wie Grund- und Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats keine als Werbungskosten abziehbare Berufsfortbildungskosten, sondern im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigende Berufsausbildungskosten. Das gilt auch dann, wenn der Schulbesuch für einen bereits im Beruf stehenden Arbeitnehmer dazu dient, die Voraussetzungen für die Zulassung zu einer berufsbezogenen Prüfung zu schaffen (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 26. Mai 1971 VI R 63/69, BFHE 103, 50, BStBl II 1971, 762, und vom 10. Dezember 1971 VI R 255/70, BFHE 104, 220, BStBl II 1972, 242). Dieser Ansicht hat sich der IX. Senat des BFH im Urteil vom 21. August 1990 IX R 83/85 (BFH/NV 1991, 95) angeschlossen.
Von diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall auszugehen. Nach den Feststellungen des FG ist der von der Volkshochschule durchgeführte Lehrgang zur Erlangung der Fachhochschulreife im Bereich Verwaltung keine Lehrveranstaltung, die spezielle für die Berufsausbildung eines Finanzbeamten notwendige berufliche Kenntnisse vermittelt. Wie das FA in der Einspruchsentscheidung zu Recht betont, wäre eine entsprechende Fachoberschule den allgemeinbildenden Schulen zuzurechnen. Das ergibt sich insbesondere aus der Prüfungsverordnung des Landes Berlin vom 10. Mai 1983 (Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - 1983, 780). Hiernach berechtigt die an diesen Schulen bestandene Prüfung zum Studium an den in der Anlage zur Prüfungsverordnung aufgeführten Fachhochschulen in den dort genannten Bereichen. Die Prüfung erstreckt sich auf die allgemeinbildenden Fächer Deutsch, Mathematik oder Englisch bzw. Französisch. Gegenstand der Prüfung ist außerdem ein vom Kandidaten zu benennendes berufsbezogenes Schwerpunktgebiet, das einen wesentlichen Teil des Berufsbildes des Prüflings abdecken soll. In der mündlichen Prüfung kommt das allgemeinbildende Fach Sozialkunde hinzu. Im Streitfall steht danach die Teilnahme an dem Lehrgang der Volkshochschule zur Erlangung der Fachhochschulreife im Bereich Verwaltung dem Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen gleich. Das gilt entsprechend der vorstehenden Rechtsprechung auch dann, wenn ein solcher Lehrgang für einen im Beruf stehenden Beamten dazu dient, die Voraussetzungen für die Zulassung zu einer berufsbezogenen Prüfung zwecks Aufstiegs in eine höhere Beamtenlaufbahn zu schaffen.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Da das FA die Aufwendungen für den von der Klägerin besuchten Lehrgang an der Volkshochschule zu Recht nicht als Werbungskosten, sondern nur als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit dem Höchstbetrag von 900 DM zum Abzug zugelassen hat, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 418167 |
BFH/NV 1992, 586 |