Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Vorsorgepauschale

 

Leitsatz (NV)

Unter dem Begriff ,,Höchstbeträge" im Sinn des § 10 c Abs. 8 Satz 2 EStG 1983 ist nicht nur der absolute, sondern auch der variable (relative) Höchstbetrag im Sinn des § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG 1983 zu verstehen.

 

Normenkette

EStG 1983 § 10 Abs. 3 Nr. 3, § 10c Abs. 8

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Berechnung der Vorsorgepauschale umstritten. Im Streitjahr 1983 erzielte der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten zu 1 (Klägerin), der in gesetzlicher Erbfolge von seiner Ehefrau sowie den gemeinsamen Kindern S und A, den Klägern und Revisionsbeklagten zu 2 und 3 (Kläger) beerbt wurde, als Beamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von brutto 75 675 DM, die Klägerin zu 1 aus einem der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Arbeitsverhältnis Lohneinkünfte in Höhe von brutto 22 583 DM.

In der Einkommensteuererklärung 1983 machten die Klägerin zu 1 und ihr verstorbener Ehemann Vorsorgeaufwendungen im Betrag von 8 891 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ jedoch lediglich Vorsorgeaufwendungen von 7 386 DM zum Abzug zu. Diesen Betrag ermittelte er gemäß § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1983 wie folgt:

Grundhöchst betrag (2 Kinder) 5 880 DM

zuzüglich:

Gesamt aufwendungen 8 891 DM

./. Grundhöchst betrag 5 880 DM

verbleiben 3 011 DM

davon 1/2 1 506 DM

7 386 DM

Im Einspruchsverfahren machten die Kläger geltend, die Vorsorgepauschale betrage laut nachfolgender Berechnung 7 722 DM:

1. 18 v. H. von 21 983 DM 3 957 DM

2. a) 9 v. H. von 60 000 DM, höchstens 2 200 DM

b) 9 v. H. von 60 000 DM, höchstens 1 600 DM

Ausgangswert 7 757 DM

abgerundet auf einen durch 54 teilbaren Betrag

(§ 10 c Abs. 3 Satz 4 EStG) 7 722 DM.

Da dieser Betrag unter dem Höchstbetrag gemäß § 10 c Abs. 8 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 3 EStG in Höhe von 8 820 DM (5 880 DM + 2 940 DM) liege, sei er in voller Höhe zum Abzug zuzulassen.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA war der Ansicht, die Vorsorgepauschale betrage lediglich 6 804 DM. Diesen Betrag errechnete es wie folgt:

Grundhöchst betrag 5 880 DM

zuzüglich:

Ausgangswert (s. o.) 7 757 DM

./. Grundhöchst betrag 5 880 DM

verbleiben 1 877 DM

davon 1/2 939 DM

6 819 DM

abgerundet 6 804 DM

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es war der Ansicht, die Verweisung in § 10 c Abs. 8 Satz 2 EStG auf § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG könne sich nur auf den dort genannten Höchstbetrag von ,,50 v. H. des Höchstbetrages nach Nummer 1" beziehen; denn diese Vorschrift enthalte nur diesen einen Höchstbetrag. Dies folge bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift sowie aus dem Begriff ,,Höchstbetrag".

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 c Abs. 8 i. V. m. § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 3 EStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Beziehen im Fall der Zusammenveranlagung beide Ehegatten Arbeitslohn und gehört nur ein Ehegatte dem in § 10 c Abs. 7 des im Streitfall maßgeblichen EStG 1983 genannten Personenkreis, z. B. als Beamter, an, so beträgt gemäß § 10 c Abs. 8 EStG die Vorsorgepauschale

1. 18 v. H. des bereinigten Arbeitslohns des rentenversicherungspflichtigen Ehegatten,

2. vom bereinigten Arbeitslohn des beamteten Ehegatten

a) 9 v. H., höchstens 1 000 DM, zuzüglich 600 DM Kinderzuschlag,

b) 9 v. H., höchstens 1 000 DM, zuzüglich 300 DM Kinderzuschlag.

Dabei dürfen gemäß § 10 c Abs. 8 Satz 2 EStG 1983 ,,die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 3 nicht überschritten werden".

2. Der Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 EStG beträgt für zusammen veranlagte Ehegatten mit zwei Kindern stets 5 880 DM. Der Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG hängt von der Höhe der tatsächlichen Vorsorgeaufwendungen ab. Soweit diese die nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG abziehbaren Beträge übersteigen, sind sie zusätzlich zur Hälfte abziehbar, höchstens bis zu 50 v. H. des Höchstbetrages nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 EStG, bei zusammenveranlagten Ehegatten mit zwei Kindern höchstens bis zu 2 940 DM.

3. Umstritten ist, ob sich die Verweisung in § 10 c Abs. 8 Satz 2 EStG auf den Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG auf den festen Höchstbetrag - im Streitfall 2 940 DM - bezieht (so z. B. Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 10 c EStG Anm. 96 m. w. N.), oder ob der Höchstbetrag entsprechend der Berechnungsmethode des § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG individuell zu ermitteln ist. Als zusätzlicher Höchstbetrag wäre dann abziehbar die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen Vorsorgepauschale nach § 10 c Abs. 8 Satz 1 EstG und Grundhöchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG (so z. B. Abschn. 114 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien; Stephan in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 10 c Anm. 38). Im Streitfall würde der zusätzliche Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG dann nur 939 DM (7 757 DM - 5 880 DM : 2) betragen.

4. Nach Auffassung des Senats verweist § 10 c Abs. 8 Satz 2 EStG nicht nur auf den absoluten Höchstbetrag - von im Streitfall 2 940 DM -, sondern auf den individuell entsprechend der Systematik der Höchstbetragsberechnung von Vorsorgeaufwendungen ermittelten Betrag. Für diese Auslegung sprechen Systemzusammenhang und Zweck der Vorschrift.

§ 10 c Abs. 8 EStG wurde in Zusammenhang mit der Einführung einer begrenzten Vorsorgepauschale für nicht rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972) geschaffen. Mit dieser begrenzten Vorsorgepauschale wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, daß die betroffenen Steuerpflichtigen im Regelfall keine privaten Vorsorgeaufwendungen in Höhe der Versorgungspauschale erbringen (vgl. hierzu im einzelnen Herrmann / Heuer / Raupach, a.a.O., § 10 c EStG Rdnr. 3 f.). Dies verdeutlicht das Bestreben des Gesetzgebers, die Höhe der Vorsorgepauschale unter Beachtung des Wesens einer solchen Pauschalierung möglichst den tatsächlichen Verhältnissen anzunähern. Die Neuregelung erforderte andererseits eine Sondervorschrift für die Ermittlung der begrenzten Vorsorgepauschale bei Arbeitnehmer-Ehegatten, von denen einer nicht rentenversicherungspflichtig ist (vgl. dazu Herrmann / Heuer / Raupach, a.a.O., § 10 c EStG Rdnr. 93; Kieschke, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1983, 4, 11; Bals, Betriebs-Berater - BB - 1983, 302, 304).

Die Sonderregelung soll gewährleisten, daß die Vorsorgepauschale für diese Ehegatten nicht niedriger ist, als sie es wäre, wenn der rentenversicherungspflichtige Ehegatte allein Arbeitslohn bezogen hätte. Die Art der Berechnung kann bei entsprechendem Arbeitslohn eines Ehegatten zu gleich hohen oder sogar höheren Beträgen führen als bei der Vorsorgepauschale für zwei rentenversicherungspflichtige Ehegatten (vgl. Laux, BB 1984, Beilage 7, S. 28). Deshalb hat der Gesetzgeber die nach § 10 c Abs. 8 Satz 1 EStG ermittelte Vorsorgepauschale auf ,,die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 3" begrenzt. Der Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG steht jedoch nicht von vornherein zahlenmäßig fest, sondern hängt von der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen ab. Da bei der Berechnung einer Pauschale tatsächliche Aufwendungen nicht berücksichtigt werden und auch nicht bekannt sind, kann die Verweisung auf den Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG nur bedeuten, daß bei der Berechnung des Höchstbetrags anstelle der tatsächlichen Aufwendungen die nach § 10 c Abs. 8 Satz 1 EStG ermittelte Pauschale zu setzen ist. Auf diese Weise wird die Systematik der Höchstbetragsberechnung für Vorsorgeaufwendungen (Grundhöchstbetrag zuzüglich hälftiger Abzug) auch in die Berechnung der begrenzten Vorsorgepauschale nach § 10 c Abs. 8 EStG einbezogen. Eine Verweisung auf den absoluten Höchstbetrag des § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG - wie die Kläger meinen - widerspräche dem mit der Gesetzesänderung verfolgten Zweck, eine mit der allgemeinen Vorsorgepauschale verbundene Freibetragsregelung für nicht rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer zu beseitigen; denn eine solche Auslegung würde bei bestimmten Einkommensverhältnissen eine gleich hohe oder sogar höhere Vorsorgepauschale ergeben als die allgemeine Vorsorgepauschale für rentenversicherungspflichtige Ehegatten mit gleichem Einkommen (vgl. das Beispiel bei Herrmann / Heuer / Raupach, a.a.O., § 10 c EStG Anm. 96). Diese Begünstigung von Arbeitnehmer-Ehepaaren mit nur einem rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer vermeidet die vom Senat vertretene Auslegung. Sie führt im Regelfall dazu, daß Vorsorgeaufwendungen - im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG - nur berücksichtigt werden, soweit sie dem Steuerpflichtigen tatsächlich erwachsen sind. Der Umstand, daß § 10 c Abs. 8 EStG eine Pauschalregelung darstellt, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Die vom Gesetzgeber angestrebte Gleichbehandlung hat insoweit Vorrang. Zudem sieht das EStG auch an anderer Stelle (vgl. § 10 Abs. 3, § 10 c Abs. 3) die Möglichkeit einer individuellen Berechnung vor. Damit ist auch der Einwand der Kläger unbegründet, der Charakter des § 10 c Abs. 8 Satz 2 EStG als einer Vereinfachungsregelung gebiete es, die Vorschrift in ihrem Sinn auszulegen. Dies würde überdies voraussetzen, daß ein möglicher Wille des Gesetzgebers, der Vereinfachung den Vorrang vor der gleichmäßigen Behandlung beider Personengruppen hinsichtlich der streitigen Höchstbeträge zu geben, im Gesetz selbst seinen Niederschlag gefunden hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.

5. Das FG ist von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Klage war abzuweisen, da die Vorsorgepauschale nach den aufgezeigten Grundsätzen lediglich 6 804 DM beträgt und damit niedriger ist als der vom FA bereits zum Abzug zugelassene Betrag von 7 386 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416483

BFH/NV 1990, 420

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