Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Beurteilung von sog. Baupatenschaften im Wohnungsbauprämienrecht.
§ 16 Abs. 2 Ziff. 2 WoPDV enthält eine rechtlich einwandfreie Auslegung des § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG.
Normenkette
GG Art. 80; WoPG § 2 Abs. 1 Ziff. 3; WoPG § 2 Abs. 1 Ziff. 4; WoPDV § 16 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Im Baupatenverfahren werden Kaufeigenheime im Vorratsbau errichtet. Bei den Bauvorhaben treten rechtlich als Bauherren sogenannte Baupaten auf. Ihre wirtschaftliche Hauptaufgabe besteht in der Beschaffung der Baumittel. Die Baupaten bedienen sich als Bauherren für alle mit der Herstellung und Veräußerung der Häuser entstehenden Arbeiten eines Wohnungsbauunternehmens (Betreuungsunternehmen), das bei den erwähnten Arbeiten im Namen und für Rechnung der Baupaten handelt. Dem Kaufanwärter wird durch einen sogenannten Bauherr-Bewerber-Vertrag zunächst ein Anwartschaftsrecht auf das Kaufeigentum eingeräumt. Er bezieht sein Haus alsbald nach der Fertigstellung und nutzt es bis zur übertragung des Eigentums als Mieter. Zur Teilfinanzierung des Hauskaufs schließt der Kaufanwärter mit dem Betreuungsunternehmen einen Sparvertrag, der nach den Vorstellungen der Beteiligten gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 4 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPG) prämienbegünstigt sein soll. Der angesparte Betrag wird bei der Eigentumsübertragung auf die Kaufpreisschuld angerechnet. Die Baupaten nehmen die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 b EStG für das Jahr der Herstellung und die folgenden Jahre bis zum Eigentumsübergang an den Kaufanwärter in Anspruch. Der Kaufanwärter als Ersterwerber kann die erhöhten AfA nur noch für die Restjahre der Sonderabschreibungsperiode in Anspruch nehmen.
Im Streitfall hat der Revisionskläger (Antragsteller) zur Teilfinanzierung des gekauften Kaufeigenheims mit einem Wohnungsbauunternehmen (GmbH) einen Sparvertrag geschlossen, der nach der Auffassung der Beteiligten gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG prämienbegünstigt ist. Gleichzeitig schloß er mit dem Bauherrn X (Baupaten), der dabei durch die GmbH vertreten war, einen Bauherrn-Bewerber-Vertrag, in dem sich der Bauherr (Baupate) verpflichtet, ein Wohnhaus erstellen zu lassen. Er räumte dem Antragsteller das Anwartschaftsrecht auf übertragung des Eigentums an diesem Haus ein. Der Kaufpreis betrug etwa 40.000 DM; er konnte bis zu 5 v. H. höher werden, wenn besondere Mehrkosten entstanden (§ 7). Nach § 6 war das Eigentum an dem Haus spätestens vier Jahre nach der Bezugsfertigkeit auf den Antragsteller zu übertragen. Die Beteiligten vereinbarten ferner, daß der Antragsteller in der Zeit zwischen der Bezugsfertigkeit des Hauses und dem Eigentumsübergang gegen eine monatliche Nutzungsentschädigung von 125 DM, die an den Bauherrn zu zahlen war, das Haus nutzen durfte. Am 23. März 1962 wurden der Kauf- und übereignungsvertrag zwischen dem Bauherrn, der dabei wiederum durch die GmbH vertreten war, und dem Antragsteller geschlossen und die Auffassung erklärt.
Das Finanzamt (FA) gewährte dem Antragsteller seinem Antrag entsprechend für die Jahre 1958 und 1959 Wohnungsbauprämien. Die beantragte Wohnungsbauprämie für das Streitjahr 1960 versagte es und forderte gleichzeitig die für die Jahre 1958 und 1959 gewährten Wohnungsbauprämien zurück, weil der Antragsteller das Haus nicht, wie § 16 Abs. 2 Ziff. 2 der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPDV) es voraussetze, von der GmbH als Wohnungsunternehmen selbst, sondern von dem Bauherrn X (Baupaten) erworben habe.
Das FG wies die Berufung als unbegründet zurück; sein Urteil ist in EFG 1964 S. 257 veröffentlicht. Es führte aus, Sparverträge im Sinne vom § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG seien nur prämienbegünstigt, wenn der Sparer das Kaufeigenheim von dem Wohnungs- und Siedlungsunternehmen oder dem Organ der staatlichen Wohnungspolitik, bei dem der Anwärter gespart habe, selbst erwerbe. § 16 Abs. 2 Ziff. 2 WoPDV, der das anordne, lege den § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG damit zutreffend aus. Hier habe der Antragsteller das Haus nicht von der GmbH, sondern von dem Bauherrn X erworben.
Mit der Revision rügt der Antragsteller unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG. Er hält § 16 Abs. 2 Ziff. 2 WoPDV für rechtsungültig, weil der Vorschrift keine dem Art. 80 Abs. 1 GG genügende gesetzliche Ermächtigung zugrunde liege. In § 9 WoPG sei zwar die Bundesregierung zum Erlaß von Vorschriften zur Durchführung des § 2 Abs. 1 WoPG ermächtigt worden. § 16 Abs. 2 Ziff. 2 WoPDV überschreite aber die Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG, weil die Bundesregierung als Verordnungsgeber dort mehr Anforderungen an die Gewährung der Wohnungsbauprämie stelle, als das WoPG es vorsehe. Allerdings könne man die Bestimmung verfassungskonform dahin auslegen, daß die Bundesregierung in § 16 WoPDV nicht alle Fälle habe regeln wollen, in denen Sparbeiträge und Wohnungsbauprämien zu eigentümlichen Geschäften von Wohnungsbauunternehmen verwendet würden. Das bedeute, daß man es im Streitfall genügen lassen müsse, daß die GmbH nicht den Antragsteller, sondern den Baupaten X bei der Errichtung des Kaufeigenheims betreut habe. Für diese Auslegung spreche auch § 2 Abs. 1 Ziff. 3 WoPG; denn nach dieser Vorschrift komme es nicht darauf an, von wem der Prämienberechtigte das Haus erwerbe. Die Ziff. 3 und 4 des § 2 Abs. 1 WoPG müsse man im Zusammenhang würdigen. Die Betrachtungsweise des FA und FG sei zu formal und werde den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht gerecht.
Der BdF, der dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten ist, billigt in übereinstimmung mit dem Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau die Entscheidung des FG. Er führt aus, § 16 Abs. 2 WoPDV entspreche, auch soweit sich die Vorschrift mit der Verwendung des Sparguthabens befasse, dem WoPG. Der Senat habe für das Baupatenverfahren bereits im Urteil VI 62/62 U vom 27. November 1962 (BFH 76, 323, BStBl III 1963, 118) ausgesprochen, daß der Baupate Bauherr sei und ihm deshalb die erhöhten AfA nach § 7 b EStG zuständen, solange er nicht dem Käufer das Eigentum am Grundstück übertragen habe. Die von den Beteiligten frei gewählte bürgerlich-rechtliche Form ihrer Rechtsbeziehungen zueinander müsse auch im Streitfall ausschlaggebend sein.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die vom Antragsteller gegen den 2. Halbsatz des § 16 Abs. 2 Ziff. 2 WoPDV erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Nach dieser Vorschrift soll die Verwendung zu dem in § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG bezeichneten Zweck nur angenommen werden, wenn der Sparer den angesammelten Betrag und die gewährten Wohnungsbauprämien zum Erwerb eines Kaufeigenheims usw. verwendet. Er muß das Haus von dem Wohnungsunternehmen, bei dem er gespart hat, erwerben. Der BFH hat schon mehrfach, z. B. in den Urteilen I 39/57 U vom 14. August 1958 (BFH 67, 354, BStBl III 1958, 409), VI 51/61 S vom 7. Juli 1961 (BFH 73, 456, BStBl III 1961, 433) und VI 187/60 vom 15. März 1963 (HFR 1963 S. 303) ausgesprochen, daß die Bundesregierung zum Erlaß einer Durchführungsvorschrift einer Ermächtigung im Sinne von Art. 80 Abs. 1 GG nicht bedarf, wenn die Vorschrift nur wiedergibt, was bei verständiger Auslegung aus dem Gesetz selbst hergeleitet werden kann; denn in diesen Fällen schafft der Verordnungsgeber keine Norm neben dem Gesetz oder über das Gesetz hinaus. Er legt dann vielmehr nur das Gesetz aus. Dazu ist die Bundesregierung als oberste Verwaltungsbehörde nach Art. 20 Abs. 3 GG berechtigt und verpflichtet. Die Steuergerichte sind in solchen Fällen allerdings nicht an die Rechtsauslegung der Bundesregierung gebunden, sondern müssen selbst das Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG auslegen (Hartz in "Steuerberater-Jahrbuch" 1965/66 S. 101 ff., S. 106 ff.).
§ 16 Abs. 2 Ziff. 2 WoPDV ist eine Vorschrift, in der die Bundesregierung den § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG ausgelegt hat. Die Auslegung der Bundesregierung ist nach der Auffassung des Senats auch rechtlich einwandfrei.
Das FG weist auf den Unterschied zwischen den Sparverträgen im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 2 bis Ziff. 4 WoPG hin. Der Antragsteller betont demgegenüber, daß bei Sparverträgen im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 3 WoPG der Sparer ein Haus von jedem Veräußerer erwerben könne und daß für Sparverträge im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG nichts anderes gelten könne.
Dem ist aber nicht zuzustimmen. Zunächst ist zu beachten, daß es bei der Gewährung von Wohnungsbauprämien um den Bereich der sog. darreichenden Verwaltung geht, bei dem der Gesetzgeber grundsätzlich die Bedingungen, unter denen er eine Vergünstigung gewähren will, frei bestimmen kann (Entscheidung des BVerfG vom 12. Februar 1964 - 1 BvL 12/62, BVerfGE Bd. 17 S. 210, BStBl I 1964, 46). Im WoPG hat der Gesetzgeber zur Förderung des Wohnungsbaus das Sparen in verschiedener Form begünstigt:
Das Bausparen im kollektiven Sparsystem hat er in § 2 Abs. 1 Ziff. 1 WoPG begünstigt. Dieses Verfahren dient der Ansammlung sonst nicht ohne weiteres erlangbarer nachstelliger Finanzierungsmittel für private Bauvorhaben. Bei diesem System hat es nur subsidiäre Bedeutung, ob der Sparer die Sparmittel tatsächlich zum Hausbau verwendet. Nur wenn er das Baudarlehen vor dem Ablauf der Sperrfrist abruft, wird verlangt, daß er die Mittel zweckgebunden verwendet.
Die Begünstigung des Ersterwerbs von Anteilen an Baugenossenschaften im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 2 WoPG ist auf die Erlangung von Eigenkapital zum genossenschaftlichen Wohnungsbau gerichtet, gleichgültig, welcher Art die genossenschaftlichen Bauvorhaben sind und wie lange der Sparer den Genossenschaftsanteil hält. Bindungsfristen sind wegen der genossenschaftsrechtlichen Bindung entbehrlich.
Sparverträge im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 3 WoPG begünstigen das Sparen bei Kreditinstituten. Es wird verlangt, daß der Sparer die Sparmittel zum Bau oder Erwerb eines Hauses usw. benutzt. In dieser Form kann nur bei den Kreditinstituten gespart werden, die aber selbst an der Wohnungsbeschaffung nicht beteiligt sind.
Die in § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG genannten Wohnungsunternehmen haben die Schaffung von Wohnungen als ihnen eigentümliche Aufgabe.
Die Vertragsformen des § 2 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 WoPG sind gewiß in dem Spareffekt ähnlich. Es besteht aber doch zwischen ihnen ein wesentlicher Unterschied. Einlagengeschäfte wie zwischen Sparer und Kreditinstitut sind zwischen Sparer und Wohnungsunternehmen schon deshalb nicht möglich, weil Einlagengeschäfte dieser Art allein den vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen beaufsichtigten Kreditinstituten vorbehalten sind (§ 32 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Ziff. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen). Wohnungsunternehmen sind aber keine Kreditinstitute. In Ziff. 3 und 4 des § 2 Abs. 1 WoPG werden denn auch beide Arten von Verträgen klar gegeneinander abgehoben: Während Ziff. 3 von Sparverträgen spricht, die "als allgemeine Sparverträge oder als Sparverträge mit festgelegten Raten" abgeschlossen werden können, behandelt Ziff. 4 nur Verträge, die "nach Art von Sparverträgen mit festgelegten Sparraten" abgeschlossen werden.
Weil der Gesetzgeber demnach das Sparen bei Wohnungs- und Siedlungsunternehmen im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG nur in engen Grenzen und offensichtlich nur wegen der besonderen Aufgaben dieser Unternehmen im Rahmen der staatlichen Wohnungspolitik zuläßt, und weil er offenbar die Funktionen reiner Kreditinstitute von den Funktionen der Wohnungs- und Siedlungsunternehmen klar abgegrenzt wissen will, ist es sinnvoll, mit dem BdF und dem FG den § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG so auszulegen, daß Sparverträge mit Wohnungs- und Siedlungsunternehmen nur begünstigt sind, wenn der Sparer ein Haus von dem Wohnungs- oder Siedlungsunternehmen erwirbt. Es genügt dabei nicht, daß das Wohnungsunternehmen in irgendeiner Form an der Herstellung oder Veräußerung des Hauses, etwa wie ein Makler, mitgewirkt hat. Das Wohnungs- und Siedlungsunternehmen muß vielmehr als Bauherr aufgetreten sein und das von ihm erstellte Haus an den Sparer übereignet haben. Jede andere Auslegung würde die klare Grenze gegenüber Kreditinstituten verwischen.
Der Antragsteller meint, die GmbH habe auf jeden Fall doch ein ihr eigentümliches Geschäft dadurch ausgeführt, daß sie ihn betreut habe; wirtschaftlich sei er selbst und nicht der Baupate X Bauherr seines Hauses gewesen. Diese Konstruktion ist mit den bürgerlich-rechtlichen Verträgen, wie der Antragsteller sie geschlossen hat, nicht zu vereinbaren. Nach diesen Verträgen war eindeutig und ausschließlich der Baupate X Bauherr. Diese Konstruktion war auch unabdingbar erforderlich, wenn der Baupate in den Genuß der Sonderabschreibungen nach § 7 b EStG kommen sollte, wie die Beteiligten es wollten. Die Finanzverwaltungsbehörden haben bei der rechtlichen Würdigung von Sachverhalten an einwandfreie bürgerlich-rechtliche Vereinbarungen der Beteiligten anzuknüpfen, wie der Senat z. B. in den Urteilen VI 55/61 U vom 11. Mai 1962 (BFH 75, 112, BStBl III 1962, 310) und VI 72/60 U vom 9. August 1963 (BFH 77, 366, BStBl III 1963, 454) ausgeführt hat. Zutreffend weist der BdF darauf hin, daß gerade auf Grund dieser Betrachtung der Senat in dem Urteil VI 62/62 U (a. a. O.) die Baupaten und nicht die Kaufanwärter als Bauherren anerkannt hat, so daß die Baupaten in den Genuß der erhöhten Abschreibungen aus § 7 b EStG kommen, solange sie Eigentümer der Häuser sind. Diese Beurteilung kann aber nicht etwa nur eingreifen, wenn es um die Anwendung des § 7 b EStG zugunsten der Baupaten geht, sondern sie muß auch bei der Anwendung des § 2 Abs. 1 Ziff. 4 WoPG beachtet werden.
Da die angefochtene Entscheidung des FG diesen Rechtsgrundsätzen entspricht, war die Revision des Antragstellers als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412519 |
BStBl III 1967, 353 |
BFHE 1967, 225 |
BFHE 88, 225 |