Leitsatz (amtlich)

In Ausbildung befindliche Finanzassessoren waren im Sinne des StBerG a. F. grundsätzlich nicht auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachgebietsleiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung tätig.

 

Normenkette

StBerG a.F. § 8 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) trat am 1. Juli 1957 als Finanzassessor in den höheren Dienst der Finanzverwaltung. Mit Wirkung vom 1. Juli 1959 wurde er zum Regierungsrat ernannt und am 1. Dezember 1962 auf eigenen Wunsch aus dem Beamtenverhältnis entlassen.

Mit Schreiben vom 3. August 1970 beantragte er bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzministerium) die Befreiung von der Steuerberaterprüfung. Er erfülle die hierfür maßgebenden Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. Er sei während seiner Tätigkeit in der Finanzverwaltung mindestens fünf Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachgebietsleiter oder in einer gleichwertigen Stellung tätig gewesen. Auch seine Ausbildungszeit als Finanzassessor sei mit einer derartigen qualifizierten Tätigkeit ausgefüllt gewesen, weil gemäß § 6 der Geschäftsordnung für die Finanzämter - FAGO - (BStBl II 1954, 66, 82) die Beamten des höheren Dienstes ohne Ausnahme Sachgebietsleiter seien. Abgesehen davon würden den höheren Beamten in der Ausbildungszeit auch stets besonders schwierige Steuer-, Rechtsmittel- und Betriebsprüfungsfälle zur Erledigung übertragen, deren Bearbeitung sonst ohnehin dem Sachgebietsleiter obliege.

Der Zulassungsausschuß des Finanzministeriums lehnte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er sei nicht, wie es das Gesetz verlange, mindestens fünf Jahre lang als Sachgebietsleiter tätig gewesen. Finanzassessoren, die sich in Ausbildung befänden, könnten nicht ohne weiteres als Sachgebietsleiter oder als in mindestens gleichwertiger Stellung tätige Beamte im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StBerG gewertet werden.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Den Ausführungen des FG ist darin beizutreten, daß der Kläger die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StBerG in seiner vor dem Inkrafttreten des 2. StBerÄndG (BGBl I 1972, 1401) geltenden Fassung nicht erfüllt hat. Er ist während der letzten zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst der Finanzverwaltung nicht mindestens fünf Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachgebietsleiter oder in mindestens gleichwertiger Stellung tätig gewesen.

Mit dem Wort "Sachgebietsleiter" verwendet das Steuerberatungsgesetz bewußt einen Begriff aus der mehrere Jahre vor seinem Inkrafttreten durch Verwaltungsanordnung von den Finanzministern (Finanzsenatoren) der Länder gleichlautend erlassenen FAGO. In § 6 Abs. 1 Satz 1 FAGO ist zwar bestimmt, daß die Beamten des höheren Dienstes, weiterhin Steuerräte und Steueramtmänner, Sachgebietsleiter sind. Diese Vorschrift kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Zweck der FAGO ist nach deren § 1, den Geschäftsgang bei den FÄ im Anschluß an das Gesetz über die Finanzverwaltung in seiner damals geltenden Fassung zu regeln. Nach § 4 Abs. 1 FAGO werden die Geschäfte des FA in Sachgebiete, die Sachgebiete in Arbeitsgebiete eingeteilt. Zur näheren Abgrenzung ist in jedem Jahr vom Vorsteher des FA ein Geschäftsverteilungsplan aufzustellen (§ 4 Abs. 6 Satz 1 FAGO). Der Sachgebietsleiter leitet ein Sachgebiet, der Sachbearbeiter ein Arbeitsgebiet (§ 4 Abs. 2 FAGO). Der Sachgebietsleiter hat für die ordnungsmäßige und zweckentsprechende Geschäftsführung innerhalb seines Sachgebiets zu sorgen. Er erteilt den ihm unterstehenden Verwaltungsangehörigen die erforderlichen dienstlichen Weisungen. Er hat die Entwürfe seiner Sachbearbeiter zu prüfen und übernimmt durch ihre Zeichnung die Verantwortung (§ 6 Abs. 3 FAGO).

Ein Finanzassessor, der zum Zwecke seiner Ausbildung die verschiedenen Ausbildungsstationen bei der Finanzverwaltung durchläuft, wird nicht als Sachgebietsleiter in dem geschilderten Sinn verwendet, sondern auf diese Aufgabe erst vorbereitet. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StBerG stellt aber gerade auf die Tätigkeit als Sachgebietsleiter ab, von der weiterhin verlangt wird, daß sie eine bestimmte Mindestzeit ausgeübt sein muß. Schon der Wortlaut des Gesetzes läßt somit erkennen, daß es nicht allein auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Laufbahn- oder Besoldungsgruppe - hier dem höheren Dienst - allein ankommt, sondern der Betreffende muß darüber hinaus innerhalb der Finanzverwaltung bestimmte Aufgaben auf dem Gebiet des Steuerwesens längere Zeit über wahrgenommen haben. Die Forderung einer praktischen Bewährung innerhalb eines längeren Zeitraums hat - wie der BFH in dem Urteil vom 5. Mai 1964 VII 287/63 U (BFHE 79, 443, BStBl III 1964, 393) ausgeführt hat - den Sinn, daß der Bewerber sich ein bestimmtes Maß besonderer Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten angeeignet hat, das ihn zur Ausübung eines steuerberatenden Berufes befähigt.

Die Tätigkeit und die Stellung eines Finanzassessors während seiner Ausbildungszeit ist ferner nicht der eines Sachgebietsleiters gleichwertig. Auch wenn ihm von den für seine Ausbildung Verantwortlichen die Lösung schwieriger Steuerfälle oder die Bearbeitung von Rechtsmitteln aufgetragen wird, soll er an Hand dieser Fälle die praktische Anwendung des Steuerrechts erst lernen. Er trägt dafür nicht wie ein Sachgebietsleiter oder wie ein anderer in gleichwertiger Stellung stehender Bediensteter die Verantwortung. Das Gesetz fordert aber eine "mindestens gleichwertige" Stellung. Davon kann bei einem in Ausbildung befindlichen Finanzassessor keine Rede sein.

Die Vorinstanz ist somit zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger nicht, wie es das Gesetz fordert, fünf Jahre lang in einer bestimmten Dienststellung tätig gewesen ist. Er hat insgesamt nur fünf Jahre und fünf Monate der Finanzverwaltung angehört und war lediglich zwei Jahre als Sachgebietsleiter, und zwar als Leiter der Betriebsprüfungsstelle A tätig. Selbst wenn man eine gewisse Zeit seiner Sonderausbildung zum Großbetriebsprüfer und seine einmonatige Sachgebietsleitertätigkeit während seiner Finanzassessorenzeit hinzurechnet, ergibt sich in Übereinstimmung mit der Vorinstanz eine Zeitdauer, die weit unter der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestzeit von fünf Jahren liegt, in welcher der Bewerber auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachgebietsleiter oder in mindestens gleichwertiger Stellung tätig gewesen sein muß.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70501

BStBl II 1973, 645

BFHE 1973, 415

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