Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Berufsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Zeit der Tätigkeit eines ehemaligen Beamten oder Angestellten der Finanzverwaltung bei dieser ist auf die Zeit der Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG nicht anrechnungsfähig.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12/1; StBerG § 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 9/1/2
Tatbestand
Streitig ist, ob durch eine Tätigkeit in der Finanzverwaltung, die nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) erfüllt, die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG erfüllt werden können.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Bewerber) ist seit 1958 Diplom-Kaufmann. Er war von Januar 1959 bis Juni 1960 als freier Mitarbeiter bei einem Steuerberater tätig. Im August 1960 trat er als Angestellter in die Landesfinanzverwaltung ein; seit Februar 1962 bis zu seinem Ausscheiden aus der Finanzverwaltung am 15. Juni 1963 war er als Amtsbetriebsprüfer tätig. Von Juli 1963 bis März 1964 arbeitete er in der Praxis zweier Steuerberater als Revisionsassistent, seit April 1964 ist er in der Praxis einiger Rechtsanwälte auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig. Im Mai 1964 beantragte er die Zulassung zur Steuerberaterprüfung. Der Zulassungsausschuß für Steuerberater bei dem Finanzminister lehnte den Antrag mit Beschluß ab, da zumindest die Zeit der Tätigkeit des Bewerbers in der Finanzverwaltung nicht auf die Zeit der praktischen Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG angerechnet werden könne.
Auf die Berufung des Bewerbers hob das Finanzgericht (FG) den Beschluß des Zulassungsausschusses auf und erklärte ihn für verpflichtet, den Bewerber zur Steuerberaterprüfung zuzulassen. Das FG führte insbesondere aus: Die Entscheidung hänge ausschließlich davon ab, ob die Tätigkeit des Bewerbers in der Finanzverwaltung als solche im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG angesehen werden könne; sei diese Frage zu verneinen, so könne der Bewerber mit seiner Berufung nicht durchdringen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 StBerG, § 107 a Abs. 2 Nr. 1 AO) erfülle der Bewerber die Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung. Zu dem gleichen Ergebnis führe auch die Berücksichtigung des Sinnes des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG in Verbindung mit dem Sinn des § 5 Abs. 2, des § 8 Abs. 1 Nr. 2 und des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG.
Der Finanzminister hat Rb. eingelegt, die jetzt als Revision zu behandeln ist. Der Finanzminister rügt unrichtige Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. Nach seiner Auffassung sind die Begriffe "Person" und "Gesellschaft" in § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG im Sinne von "Einzelperson" (natürlicher Person) und "Personenverband" zu verstehen; der Personenverband könne sich aus natürlichen oder juristischen Personen zusammensetzen. Deshalb seien auch genossenschaftliche Prüfungsverbände hierunter zu verstehen. Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts fielen dagegen nicht unter die bezeichneten Begriffe des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. Außerdem leisteten die Finanzämter (Fä) keine "Hilfe in Steuersachen" in dem Sinne, wie ihn § 107 a AO meine; die Fä fielen daher auch nicht unter die Vorschrift des § 107 a Abs. 2 Nr. 1 AO. Der Finanzminister beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, den Beschluß des Zulassungsausschusses für Steuerberater wiederherzustellen und dem Bewerber die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Bewerber führt aus, die Meinung des Finanzministers, Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts fielen nicht unter § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG mit § 107 a Abs. 2 Nr. 1 AO, finde weder im Gesetz eine Stütze, das von Personen schlechthin spreche, noch sei sie in sich logisch, denn auch Körperschaften des öffentlichen Rechts hätten die Merkmale eines Personenverbandes. Die Fä fielen auch unter § 107 a Abs. 2 Nr. 1 AO; der Wortlaut dieser Gesetzesvorschrift stelle eindeutig klar, daß sich die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und geschäftsmäßiges Handeln nicht ausschlössen. Der Bewerber beantragt, die Revision des Finanzministers als unbegründet kostenpflichtig zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis begründet. Das FG ist der Ansicht, daß die Tätigkeit des Bewerbers in der Finanzverwaltung als eine hauptberufliche praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens bei einer Person oder Gesellschaft, die nach § 107 a AO zur Hilfeleistung befugt ist, im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG anzusehen ist. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Allerdings braucht im Streitfall nicht untersucht zu werden, ob das FA unter die nach § 107 a Abs. 2 Nr. 1 AO zur Hilfeleistung Befugten auch im Sinne der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG fällt. Denn das FA ist eine Behörde und zählt schon deshalb nicht zu den Personen oder Gesellschaften im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. Demgemäß trifft auch § 5 Abs. 2 StBerG für ehemalige Beamte und Angestellte der Finanzverwaltung eine Sonderregelung dahin, daß die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 (sowohl der Nr. 1 wie der Nr. 2) zur Vorbildung für die Prüfung als Steuerberater entfallen, wenn diese ehemaligen Beamten oder Angestellten der Finanzverwaltung während der letzten zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst mindestens fünf Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachgebietsleiter oder in mindestens gleichwertiger Stellung tätig gewesen sind. Die Tätigkeit eines ehemaligen Beamten oder Angestellten in der Finanzverwaltung ist somit zeitlich auf die Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG nicht anzurechnen. Ein ehemaliger Beamter oder Angestellter der Finanzverwaltung, der sich um die Zulassung zur Prüfung als Steuerberater bewirbt, kann aber nach Abschluß des Hochschulstudiums und nach Ausscheiden aus der Finanzverwaltung die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG auf ihn dadurch erreichen, daß er drei Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens etwa bei einem Steuerberater oder einem Steuerbevollmächtigten oder nach Bestellung als Steuerbevollmächtigter (§ 6 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes) hauptberuflich praktisch tätig ist; dann erfüllt er wie jeder andere Bewerber, der nicht bereits bei der Finanzverwaltung tätig war, die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. Erfüllt der Bewerber um die Zulassung zur Prüfung als Steuerberater die Voraussetzungen der Sondervorschrift des § 5 Abs. 2 StBerG, so kann er die Zulassung zur Prüfung nach dieser Vorschrift beantragen; erforderlich ist hiernach nicht ein abgeschlossenes rechts- oder wirtschaftswissenschaftliches Hochschulstudium, wohl aber eine mindestens fünfjährige Tätigkeit während der letzten zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus der Verwaltung auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachgebietsleiter oder in mindestens gleichwertiger Stellung.
Erfüllt der Bewerber um die Bestellung als Steuerberater die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StBerG, war er also auch ehemaliger Finanzrichter, Beamter oder Angestellter des höheren Dienstes der Finanzverwaltung, so kann er nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StBerG die Befreiung von der Prüfung als Steuerberater in Anspruch nehmen. Diese Regelung des Gesetzes führt entgegen der Auffassung des FG nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen. Es besteht deshalb auch keine Veranlassung, etwa die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 oder diejenige des § 5 Abs. 2 StBerG gegen ihren Wortlaut auszulegen. Auch die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG, die an die Vorbildung für die Prüfung als Steuerbevollmächtigter derzeit geringere Anforderungen als die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG für Steuerberater stellt, kann nicht als sinnwidrig bezeichnet werden.
Desgleichen verstoßen die Regelungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 und des § 5 Abs. 2 StBerG nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Insbesondere stehen sie mit Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) im Einklang. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, daß die subjektiven Voraussetzungen für den Beruf zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen (vgl. das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 1 BvR 596/56, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 7 S. 377, 378, 6 b, c), ist gewahrt. Insbesondere kann keine Rede davon sein, daß für ehemalige Beamte oder Angestellte der Finanzverwaltung die Möglichkeit des normalen Weges des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG bei Erfüllung von dessen Voraussetzungen ausgeschlossen wird, wie oben bereits dargelegt worden ist. Der Bewerber um die Zulassung zur Steuerberaterprüfung kann nur nicht die Anrechnung der Zeit der Tätigkeit bei der Finanzverwaltung auf die Zeit der Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG verlangen. Die weder dem Art. 12 Abs. 1 noch dem Art. 3 Abs. 1 GG widersprechende Sonderregelung des § 5 Abs. 2 StBerG schützt besonders wichtige Gemeinschaftsgüter. Sie trägt dem Erfordernis einer ausreichenden Vorbildung für die Zulassung zur Prüfung als Steuerberater Rechnung und berücksichtigt, ohne willkürlich zu sein, den Umstand, daß Tätigkeit und Sammlung von Kenntnissen und Erfahrungen in der Finanzverwaltung und im steuerberatenden Beruf sich nicht ganz decken, daß andererseits aber eine langjährige, qualifizierte Tätigkeit in der Finanzverwaltung als der letzteren Tätigkeit gleichwertig im Hinblick auf die Zulassung zur Prüfung als Steuerberater erachtet werden kann.
Da der Kläger weder die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 StBerG noch - ohne Anrechnung der Zeit der Tätigkeit bei der Finanzverwaltung - die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG erfüllt, war somit die Vorentscheidung aufzuheben. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 10. Juli 1964 bleibt bestehen.
Fundstellen
Haufe-Index 412146 |
BStBl III 1966, 442 |
BFHE 1966, 294 |
BFHE 86, 294 |