Entscheidungsstichwort (Thema)
Nacherhebung der Steuer, wenn der Grundstückserwerber den steuerbegünstigten Zweck nicht erfüllt hat
Leitsatz (NV)
1. Wer ein Grundstück in der Hoffnung erwirbt, auch ohne bestehenden rechtsverbindlichen Bebauungsplan eine Baugenehmigung für die beabsichtigte Bebauung zu erhalten, trägt das grunderwerbsteuerrechtliche Risiko des Scheiterns seiner Bebauungspläne.
2. Ein Grundstückserwerb dient nicht der Erhaltung eines Kulturdenkmales, wenn es weiterverkauft wird, nachdem die Verwaltungsbehörden den Denkmalcharakter des aufstehenden Gebäudes festgestellt haben.
Normenkette
GrESWG Niedersachsen § 5; NDSchG § 33
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 18. September 1978 erwarb die Klägerin ein Grundstück nebst aufstehendem Gebäude.
Die Klägerin beantragte Befreiung von der Grunderwerbsteuer, ,,da auf dem erworbenen Grundbesitz Wohnhäuser nach den Richtlinien des sozialen Wohnungsbaus errichtet werden, deren Weiterveräußerung vorgesehen ist". Das beklagte Finanzamt (FA) erhob daher zunächst keine Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Nr. 1 Buchst. a des Niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer i.d.F. vom 17. Februar 1966 (GrESWG).
Durch Verträge vom 18. Februar und 9. Oktober 1980 veräußerte die Klägerin das Grundstück mit Ausnahme eines für Straßenbauzwecke verwendeten Teiles weiter. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) geschah dieser Verkauf, nachdem die Stadt D und das Niedersächsische Landesverwaltungsamt - Institut für Denkmalpflege - den Denkmalcharakter des aufstehenden Gebäudes festgestellt hatten. Daraufhin erhob das FA die Steuer gemäß § 5 GrESWG nach. Den Erwerb der für Straßenbauzwecke abgegebenen . . . qm ließ es unversteuert.
Die Klägerin legte Einspruch ein. Das erworbene Grundstück stehe unter Denkmalschutz. Sie beantragte daher Steuerbefreiung nach § 33 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes (NDSchG) vom 30. Mai 1978 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt - NiedersGVBl - 1978, 517).
Das FA wies den Einspruch zurück.
Die Steuer sei gemäß § 5 GrESWG nachzuerheben, weil die Klägerin das Grundstück weiterverkauft habe, ohne die geplanten Wohnhäuser gebaut zu haben. Steuerbefreiung nach § 33 NDSchG komme nicht in Betracht, weil sie erst am 1. April 1979 in Kraft getreten sei.
Die Klage wies das FG ab.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Grunderwerbsteuer mußte gemäß § 5 GrESWG nacherhoben werden. Denn die Klägerin hat das Grundstück weiterverkauft, ohne es mit steuerbegünstigten Gebäuden bebaut zu haben. Welche Gründe sie zu diesem Verhalten veranlaßt haben, ist unerheblich. Maßgebend ist nur der Umstand, daß die steuerbegünstigten Gebäude nicht errichtet wurden (vgl. dazu das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1973 II R 131/72, BFHE 110, 140, BStBl II 1973, 802). Daß die Voraussetzungen des § 4 des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 29. Oktober 1962 (GrEStBBauG) vorliegen, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Die Klägerin sieht das Besondere des vorliegenden Falles darin, ,,daß die nachträgliche Erhebung der Grunderwerbsteuer beim Wegfall eines Befreiungstatbestandes bei gleichzeitiger Überlagerung durch einen anderen Befreiungstatbestand nicht gerechtfertigt (ist)".
Dieser Einwand ist unbegründet.
Wäre die Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG nur durch diejenige des § 33 NDSchG ,,überlagert" worden, d. h. wäre die Errichtung der Wohnhäuser nur wegen des nachträglich (nach dem Grundstückserwerb am 18. September 1978) angeordneten Denkmalschutzes unmöglich geworden, dann läge möglicherweise ein Fall des § 4 GrEStBBauG vor. Die Klägerin hat aber nicht vorgetragen, daß dessen Voraussetzungen vorliegen. Sie hat nicht behauptet, bei Abschluß des Kaufvertrages am 18. September 1978 habe ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan bestanden, der ihr die Errichtung der geplanten Wohnhäuser gestattete und dieser Bebauungsplan sei später geändert worden, weil das aufstehende Haus unter Denkmalschutz gestellt wurde und daher nicht beseitigt werden durfte. Wer jedoch ein Grundstück in der bloßen Hoffnung erwirbt, auch ohne bestehenden rechtsverbindlichen Bebauungsplan eine Baugenehmigung für die beabsichtigte Bebauung zu erhalten, trägt das grunderwerbsteuerrechtliche Risiko des Scheiterns seiner Bebauungspläne (vgl. die BFH-Urteile vom 14. Juli 1976 II R 51/73, BFHE 119, 320, BStBl II 1976, 652, und vom 3. Dezember 1980 II R 162/78, BFHE 132, 337, BStBl II 1981, 326).
Es fehlt aber nicht nur an der Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG, welche hätte ,,überlagert" werden können; auch eine ,,überlagernde" Steuerbefreiung nach § 33 NDSchG ist nicht ersichtlich. Deren Voraussetzungen sind selbst dann nicht erfüllt, wenn man davon absieht, daß die Vorschrift erst am 1. April 1979 in Kraft getreten ist. Sie befreit ,,insoweit von der Grunderwerbsteuer . . ., wie der Erwerb nach einer Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde der Erhaltung des Kulturdenkmals dient". Es ist nicht ersichtlich, daß der Grundstückserwerb der Klägerin dieser ,,Erhaltung" diente. Nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin das Grundstück weiterverkauft, nachdem die Verwaltungsbehörden den Denkmalcharakter des aufstehenden Gebäudes festgestellt hatten. Sie hatte demnach das Interesse an dem Grundstück verloren, als das aufstehende Gebäude Baudenkmal wurde. Der Kauf diente daher nicht einmal nachträglich der Erhaltung des Baudenkmals durch die Klägerin.
Die Klägerin hat demnach ein Grundstück mit nicht gesichertem Baurecht erworben und dieses weiterverkauft, nachdem sie ihre Baupläne nicht verwirklichen konnte und wegen des Denkmalschutzes an dem Grundstück kein Interesse mehr hatte. Dieser Vorgang ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn der beiden genannten Steuerbefreiungsvorschriften begünstigt.
Fundstellen
Haufe-Index 414788 |
BFH/NV 1988, 523 |