Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Berechnung des Mischsteuersatzes nach § 19a Abs. 3 KStG 1968
Leitsatz (NV)
Nach § 19a Abs. 3 KStG 1968 kommt die Anrechnung ausländischer Steuern nur in Höhe des sog. Mischsteuersatzes in Betracht, der sich aus dem Thesaurierungssatz (51 v. H) einerseits und aus dem Ausschüttungssteuersatz (15 v. H) andererseits ergibt.
Normenkette
KStG 1968 § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 19a; EStG § 34c
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische AG, die in den Streitjahren 1972 und 1973 an acht Tochtergesellschaften wesentlich beteiligt war, die jeweils Sitz und Geschäftsleitung in Entwicklungsländern i. S. des EntwHStG hatten und als Vertriebs- und Produktionsgesellschaften sog. aktiven Tätigkeiten i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Außensteuergesetzes (AStG) nachgingen. Die genannten Tochtergesellschaften schütteten an die Klägerin Dividenden aus, und zwar im Wirtschaftsjahr 1972 solche in Höhe von insgesamt . . . DM und im Wirtschaftsjahr 1973 solche in Höhe von insgesamt . . . DM. Die Klägerin erfaßte die Dividenden bei der Ermittlung ihrer zu versteuernden Einkommen 1972 und 1973. Sie beantragte jedoch die Anrechnung ausländischer Steuer gemäß § 19a Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 in der für die Streitjahre geltenden Fassung bis zur Höhe einer deutschen Körperschaftsteuer von 51 v.H. der genannten Beträge. Demgegenüber vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die Anrechnung ausländischer Steuern nur in Höhe des sog. Mischsteuersatzes in Betracht komme, der sich aus dem Thesaurierungssatz (51 v.H.) einerseits und aus dem Ausschüttungssteuersatz (15 v.H.) andererseits ergebe.
Das FA setzte durch Körperschaftsteuerbescheide 1972 und 1973 jeweils vom 15. Februar 1979 die anrechenbaren ausländischen Steuern nach dem sog. Mischsteuersatz an.
Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit ihren vom FG zugelassenen Revisionen rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 9 und 19a KStG 1968 in der für die Streitjahre geltenden Fassung.
Sie beantragt, die angefochtenen Urteile des FG aufzuheben und bei den Körperschaftsteuer-Festsetzungen für 1972 und 1973 in den Bescheiden vom 15. Februar 1979 die Steueranrechnung bei aus dem Ausland erhaltenen Gewinnanteilen in Höhe von . . . DM (1972) bzw. . . . DM (1973) nach einem Steuersatz von 51 v.H. vorzunehmen.
Das FA hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind unbegründet. Sie waren deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Das FG hat zutreffend die Voraussetzungen für eine Steueranrechnung nach § 19a Abs. 3 KStG 1968 in der für die Streitjahre geltenden Fassung bejaht.
a) Nach § 19a Abs. 2 KStG 1968 kann eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, die unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 KStG 1968 am Nennkapital einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung außerhalb der Bundesrepublik (Tochtergesellschaft) beteiligt ist, auf die deutsche Körperschaftsteuer von den Gewinnanteilen, die die Tochtergesellschaft an sie ausschüttet, auch eine vom Gewinn erhobene Steuer der Tochtergesellschaft anrechnen, wenn die Tochtergesellschaft in dem nach § 19a Abs. 2 Satz 2 KStG 1968 maßgebenden Wirtschaftsjahr ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten und aus unter § 8 Abs. 2 AStG fallenden Beteiligungen erzielt. Nach § 19a Abs. 3 KStG 1968 ist dann, wenn die Tochtergesellschaft in einem Entwicklungsland im Sinne des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes ansässig ist, bei der Anwendung des § 19a Abs. 2 KStG 1968 davon auszugehen, daß der anrechenbare Betrag dem Steuerbetrag entspricht, der nach den Vorschriften dieses Gesetzes auf die bezogenen Anteile entfällt.
b) Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin in den Streitjahren an acht Tochtergesellschaften wesentlich beteiligt war, deren Sitze und Geschäftsleitungen in Entwicklungsländern im Sinne des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes gelegen waren. Die Tochtergesellschaften erzielten ihre Bruttoerträge in den nach § 19a Abs. 2 Satz 2 KStG 1968 maßgebenden Wirtschaftsjahren ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten i. S. des § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG. Die Tochtergesellschaften schütteten Gewinnanteile an die Klägerin aus. Diese tatsächlichen Feststellungen binden den erkennenden Senat (§ 118 Abs. 2 FGO). Aus ihnen ergibt sich, daß die o. g. Tatbestandsvoraussetzungen für eine Steueranrechnung gemäß § 19a Abs. 3 KStG 1968 in der Person der Klägerin für die Streitjahre erfüllt waren.
2. Das FG hat jedoch ebenso zutreffend entschieden, daß der nach § 19a Abs. 3 KStG 1968 anrechenbare Betrag dem Steuerbetrag entspricht, der unter anteiliger Berücksichtigung des Thesaurierungssatzes von 51 v.H. und des Ausschüttungssatzes von 15 v.H. auf die bezogenen Gewinnanteile entfällt.
a) Seinem Wortlaut nach stellt § 19a Abs. 3 KStG 1968 auf den Steuerbetrag ab, der nach den Vorschriften des KStG 1968 auf die bezogenen Gewinnanteile entfällt. Nach den Vorschriften des KStG 1968 werden jedoch die bezogenen Gewinnanteile nicht separat besteuert. Sie gehen in das Einkommen ein und bilden nur als unselbständiger Teil desselben die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer. Die in § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1968 näher umschriebenen Steuersätze finden auf die Bemessungsgrundlage einheitlich Anwendung. Damit erlaubt das KStG 1968 es nicht, die deutsche Körperschaftsteuer, die auf die in dem Einkommen enthaltenen Gewinnanteile entfällt, getrennt von dem übrigen Einkommen zu ermitteln. Sie ist vielmehr aus der vom Einkommen insgesamt erhobenen Körperschaftsteuer herauszurechnen, wobei als Berechnungsmaßstab das Verhältnis der bezogenen Gewinnanteile zum Gesamtbetrag der Einkünfte heranzuziehen ist (§ 19a Abs. 3, Abs. 2 Satz 6, Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 i.V.m.§ 34c Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
b) Aus dem nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1968 gespaltenen Körperschaftsteuersatz ergibt sich nichts anderes. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1968 beträgt die Körperschaftsteuer 51 v.H. des Einkommens. Sie ermäßigt sich für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen i. S. des § 19 Abs. 3 KStG 1968 auf 15 v.H. derselben. Daraus folgt, daß die von der Klägerin bezogenen Gewinnanteile selbständige Bemessungsgrundlage weder für den Thesaurierungssatz noch für den Ausschüttungssatz bilden. Bemessungsgrundlage ist nur das Einkommen als solches bzw. die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen. In das Einkommen gehen einerseits alle steuerpflichtigen Einkünfte und andererseits auch z. B. die sog. nichtabziehbaren Aufwendungen ein. Auch insoweit widerspricht die Vorstellung, die bezogenen Gewinnanteile würden isoliert mit Körperschaftsteuer belastet, dem systematischen Gesetzesaufbau. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 14. Juli 1976 I R 86/74, BFHE 119, 521, BStBl II 1977, 97, entschieden, daß die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen gesellschaftsrechtlich zu bestimmen seien. Der Begriff bezieht sich auf den Handelsbilanzgewinn und nicht auf das steuerrechtliche Einkommen. Es liegt in der Konsequenz dieser Entscheidung, daß die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen nichts darüber aussagen, welcher Teil des steuerpflichtigen Einkommens ausgeschüttet wird. Handelsrechtlich kann nur über die Verwendung des Bilanzgewinns, nicht aber über die Verwendung bestimmter Einkommensteile beschlossen werden (§ 174 des Aktiengesetzes - AktG -). Damit verbietet sich die Vorstellung, die bezogenen Gewinnanteile seien in den berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen nicht enthalten, sondern vorrangig thesauriert worden.
c) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 28. Oktober 1987 I R 85/84 (BFHE 151, 169, BStBl II 1988, 78) für die direkte Anrechnung ausländischer Steuern gemäß § 19a Abs. 1 KStG 1968 entschieden, daß der Höchstbetrag der anrechenbaren Steuer auf die deutsche Körperschaftsteuer zu beschränken sei, die sich auf der Grundlage des Mischsteuersatzes ergebe. Zwar betrifft der Streitfall die indirekte Steueranrechnung. Jedoch ist § 19a Abs. 3 KStG 1968 als ein Anwendungsfall des § 19a Abs. 2 KStG 1968 zu behandeln. In § 19a Abs. 2 Satz 6 KStG 1968 ist die entsprechende Anwendung des § 19a Abs. 1 KStG 1968 angeordnet. Deshalb müssen die Grundsätze des Urteils in BFHE 151, 169, BStBl II 1988, 78 auch für die indirekte Steueranrechnung gelten. Dies belegt auch die Verweisung des § 19a Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 auf § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG. Letztere Vorschrift geht von einem einheitlich zu besteuernden Einkommensbetrag aus. Es wird lediglich die Einkommensteuer, die das gesamte Einkommen belastet, nach dem Verhältnis der ausländischen Einkünfte zu den übrigen Einkünften aufgeteilt. Die entsprechende Anwendung dieses Grundsatzes auf den Streitfall führt zwingend zur Berücksichtigung des Mischsteuersatzes.
d) Die Klägerin kann sich für ihre Auffassung nicht mit Erfolg auf einen unterschiedlichen Einkommensbegriff im Einkommensteuerrecht einerseits und im Körperschaftsteuerrecht andererseits berufen. Entscheidend ist allein, daß das Einkommen sowohl im Einkommensteuerrecht als auch im Körperschaftsteuerrecht als die Zusammenfassung aller Besteuerungsgrundlagen aufgefaßt wird. Das Einkommen bildet jeweils die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Letztere beziehen sich auf das Einkommen insgesamt. Da auf diesem Prinzip sowohl die §§ 19 und 19a KStG 1968 als auch § 34c EStG aufbauen, kann letztere Vorschrift auf Grund der Verweisung des § 19a Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 im Körperschaftsteuerrecht ihrem Wortlaut entsprechend angewendet werden.
e) Die Klägerin kann sich ebenso wenig mit Erfolg auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. März 1982 I R 254/78 (BFHE 136, 359, BStBl II 1983, 14) berufen. Dazu verweist der Senat auf seine Ausführungen unter 4. des zitierten Urteils.
f) Aus der Regierungsbegründung zum Außensteuerreformgesetz (BTDrucks VI/2883 Tz. 42 und 141) ergibt sich kein Gesichtspunkt, der gegen die vom erkennenden Senat vertretene Auffassung sprechen würde. Das Ziel, von Dividenden aus Entwicklungsländern keine deutsche Körperschaftsteuer zu erheben, ist auch dann erreicht, wenn der anrechenbare Betrag auf die deutsche Körperschaftsteuer beschränkt wird, die sich auf der Grundlage des Mischsteuersatzes ergibt. Der erkennende Senat geht auch in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß die von der Klägerin bezogenen Gewinnanteile mit einer deutschen Körperschaftsteuer nur in dieser Höhe belastet sind.
g) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Rdnr. 2.5.7 des Schreibens des BMF vom 20. Februar 1975 IV C 6 - S 2811 - 2/75 (BStBl I 1975, 262, 268) berufen. Dazu kann dahinstehen, ob dieses Schreiben die Rechtslage zutreffend wiedergibt. Es betrifft nur die Erhöhung der Bemessungsgrundlage um den sog. Aufstockungsbetrag. Selbst wenn die Finanzverwaltung (möglicherweise aus Billigkeitsgründen) auf die an sich gesetzlich vorgeschriebene Erhöhung der Bemessungsgrundlage verzichtet, zwingt dies nicht dazu, bei der Anwendung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1968 entsprechend zu verfahren.
h) Der Klägerin ist einzuräumen, daß im Schrifttum die Rechtsfolge des § 19a Abs. 3 KStG 1968 häufig mit der Gewährung eines Schachtelprivilegs gleichgestellt worden ist (vgl. Debatin, Deutsche Steuer-Zeitung / Ausgabe A - DStZ/A - 1972, 265 ff., 277, und Der Betrieb - DB - 1975, 1767; L. Müller, DStZ/A 1973, 253 ff.; Flick / Wassermeyer, Finanz-Rundschau - FR - 1975, 319; Müller-Dott in Flick / Wassermeyer / Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 26 KStG Rdnr. 285; Krabbe in Lademann, Körperschaftsteuergesetz, § 26 Rdnr. 135). Jedoch findet sich in keiner Äußerung eine Stellungnahme unmittelbar zu der Rechtsfrage, über die im Streitfall zu entscheiden ist. Die zitierten Äußerungen beruhen deshalb auf einer ,,verkürzenden Betrachtungsweise". Die FG sind ihrerseits an das Gesetz gebunden. Nach § 19a Abs. 3 KStG 1968 wird aber für den Bezug von Gewinnanteilen aus Entwicklungsländern kein Schachtelprivileg, sondern ,,nur" die Anrechnung einer fiktiven ausländischen Steuer gewährt. Auch wenn damit die Rechtsfolge des § 19a Abs. 3 KStG 1968 der eines Schachtelprivilegs stark angenähert ist, so ist sie doch mit derselben nicht in jeder Beziehung identisch. Ein Unterschied ergibt sich durch die Anwendung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1968 auf nicht steuerbefreite Gewinnanteile aus Entwicklungsländern.
Fundstellen
Haufe-Index 416748 |
BFH/NV 1990, 599 |