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BFH Urteil vom 08.11.1989 - II R 244/84 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Disagio bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens (Darlehnsgeber)

 

Leitsatz (NV)

Im Rahmen der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens für das darlehnsgewährende Kreditinstitut ist das bei der Darlehensauszahlung einbehaltene bzw. verrechnete Disagio insoweit als Schuld i.S. des § 103 Abs. 1 BewG zu berücksichtigen, als es laufzeitabhängigen Zins darstellt und nicht zu den laufzeitunabhängigen Nebenkosten gehört, die mit der Darlehensgewährung bereits endgültig dem Vermögen des Darlehensgebers zugeführt werden.

 

Normenkette

BewG § 103 Abs. 1, § 109 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klin., ein Kreditinstitut, zahlt die von ihr gewährten Darlehen in der Regel unter Einbehaltung eines Disagios aus. In ihren Bilanzen aktiviert sie die Darlehensforderung mit dem Nennbetrag und grenzt das Disagio passiv ab. Streitig ist, ob das passiv abgegrenzte Disagio auch bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens als Schuld zu berücksichtigen ist.

Das beklagte FA ließ den Abzug des Disagios in Höhe von . . . DM bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1976 nicht zu. Gegen den geänderten Feststellungsbescheid vom 6. Juni 1980 erhob die Klin. Sprungklage und beantragte eine Änderung dieses Bescheides dahingehend, daß das Betriebsvermögen um den Betrag des passivierten Disagios niedriger angesetzt wird.

Das FG hat die Klage abgewiesen (EFG 1985, 221). Daß das Disagio nicht abgezogen werden dürfe, ergebe sich aus dem Urteil des BFH vom 14. Februar 1964 III 142/61 U (BFHE 79,85, BStBl III 1964, 264). An diesem Ergebnis ändere der 1974 eingeführte § 109 Abs. 4 BewG nichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klin. führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der erkennende Senat ist im Gegensatz zu der früheren Rechtsprechung des III. Senats (vgl. vor allem sein Urteil vom 14. Februar 1964 III 142/61 U, BFHE 79, 85, BStBl III 1964, 264) der Auffassung, daß das bei der Darlehensauszahlung einbehaltene bzw. verrechnete Disagio bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens insoweit als Schuld i.S. des § 103 Abs. 1 BewG zu berücksichtigen ist, als es als laufzeitabhängiger Zins und nicht als einmalige mit der Darlehensgewährung dem Vermögen der Klin. zugeführte Darlehensnebenkosten zu beurteilen ist. Dabei ist davon auszugehen, daß die zugehörigen Darlehensforderungen gemäß § 109 Abs. 4 BewG nach den Grundsätzen über die steuerliche Gewinnermittlung mit ihren Nennwerten anzusetzen sind. Dies entspricht der Rechtsprechung zum Bilanzsteuerrecht (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 1975 I R 236/72, BFHE 116,16, BStBl II 1975, 875). Dieser Rechtsprechung liegt die Auffassung zugrunde, daß das einbehaltene Disagio vorausgezahltes Nutzungsentgelt ist (vgl. das BFH-Urteil vom 24. November 1971 I R 109/71, BFHE 104, 152, BStBl II 1972, 179; vgl. auch das Urteil des BGH vom 1. Juni 1989 III ZR 219/87, NJW-Rechtsprechung-Report, Zivilrecht - NJW-RR - 1989, 947).

Soweit das Disagio zivilrechtlich als laufzeitabhängiger Zins zu beurteilen ist, führt dies bewertungsrechtlich bei Annahme einer teilweisen Vorauszahlung des Nutzungsentgelts wegen der eindeutig herrschenden zivilrechtlichen Auffassung, daß das Darlehensverhältnis ein gegenseitiges Rechtsverhältnis ist, bei dem die eingeräumte Kapitalnutzung der Zinszahlung gegenübersteht (vgl. RGZ 161, 52, 59 f.; BGH-Urteile vom 9. Februar 1967 III ZR 226/64, WM 1967, 321,323, und vom 9. November 1978 III ZR 21/77, NJW 1979, 805, 806 unter III 1 a) zum Abzug einer der Zinsvorauszahlung entsprechenden Verpflichtung als Schuld gemäß § 103 Abs. 1 BewG. Es gilt hier nichts anderes als bei einer vereinnahmten Mietvorauszahlung, für die anerkannt ist, daß wegen des durch die Vorauszahlung eingetretenen zeitlichen Ungleichgewichtes hinsichtlich der gegenseitigen Verpflichtungen eine Schuld abzuziehen ist.

Es gibt keine überzeugenden Gründe, bei einer Zinsvorauszahlung anders zu verfahren. Insbesondere ist es für die übereinstimmende Beurteilung der jeweiligen Nutzungsverhältnisse ohne Bedeutung, daß bei der Miete nur der Besitz an der vermieteten Sache überlassen wird, während bei einer Darlehensgewährung, weil es sich um die Überlassung vertretbarer Sachen handelt, darüber hinaus auch das Eigentum an dem überlassenen Geld übergeht und deshalb nur Sachen gleicher Art, Güte und Menge bei Beendigung des Darlehensverhältnisses zurückzugewähren sind (vgl. § 607 Abs. 1 BGB). Die unterschiedlichen zivilrechtlichen Konstruktionen der Miete und des Darlehens haben keine Auswirkung auf die bewertungsrechtliche Beurteilung des jeweiligen Nutzungsverhältnisses.

Die abweichende frühere Rechtsprechung des III.Senats (vgl. BFHE 79, 85, BStBl III 1964, 264) kann nicht aufrechterhalten werden. Sie konnte nicht den späteren § 109 Abs. 4 BewG berücksichtigen, der seit dem 1. Januar 1974 den Rückgriff auf die Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung vorschreibt, und steht darüber hinaus noch auf dem Boden der früheren Realvertragstheorie für die rechtliche Beurteilung der Darlehensverträge und der Vernachlässigung bzw. Leugnung des Vorliegens eines entgeltlichen Nutzungsverhältnisses.

Ist ein Disagio als Schuld zu berücksichtigen, so mindert sich die abzugsfähige Schuld während der Laufzeit des Darlehens in dem Ausmaß, in dem das als Zinsvorauszahlung zu beurteilende Disagio durch die eingeräumte Kapitalnutzung ,,verbraucht" wird (vgl. hierzu BGH in NJW-RR 1989, 947, 948).

Ein Schuldabzug wegen des Disagios ist insoweit nicht zulässig, als das Disagio zu den laufzeitunabhängigen Nebenkosten gehört, die mit der Darlehensgewährung bereits endgültig dem Vermögen des Darlehensgebers zugeführt werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Disagio auch bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensverhältnisses nicht zurückgezahlt werden muß. Es stellt insoweit keine Zinsvorauszahlung dar.

Anders als im Bilanzsteuerrecht dürfen als Nebenkosten zu qualifizierende Disagiobeträge bewertungsrechtlich nicht als Schuld abgezogen werden (vgl. zum Bilanzsteuerrecht hinsichtlich der Behandlung des Darlehensnehmers das BFH-Urteil vom 9. Januar 1978 IV R 153/72, BFHE 124, 320, BStBl II 1978, 262). Der entscheidende Grund für diese unterschiedliche Behandlung des Disagios im Bewertungsrecht ist darin zu sehen, daß hinsichtlich bereits endgültig dem Vermögen des Darlehensgebers zugeführter Nebenkosten keinerlei schuldrechtliche Verpflichtungen gegenüber dem Darlehensnehmer mehr bestehen. Deshalb ist insoweit ein Schuldabzug nicht möglich. Der Gedanke einer periodengerechten Rechnungsabgrenzung, wie er das Bilanzsteuerrecht beherrscht, ist dem Bewertungsrecht fremd.

2. Nach Aufhebung des angefochtenen Urteils geht die Sache an das FG zurück, damit noch die erforderlichen Feststellungen über die jeweils mit der Vereinbarung eines Disagios zusammenhängenden vertraglichen Abreden getroffen werden. Das FG wird dabei zu prüfen haben, inwieweit es sich bei dem jeweils vereinbarten Disagio um laufzeitunabhängige Nebenkosten oder um laufzeitabhängige Zinsen handelt. Sind keine eindeutigen Vereinbarungen getroffen worden, können gegebenenfalls entsprechende Schlüsse aus anderen Umständen gezogen werden. Es kann z. B. von Bedeutung sein, ob Darlehen nach Wahl des Darlehensnehmers zu unterschiedlichen Zinssätzen ohne Abzug eines Disagios oder unter Abzug eines Disagios gewährt worden sind. Hieraus lassen sich gegebenenfalls Schlußfolgerungen hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des Disagios ziehen. Erhalten z. B. Darlehensnehmer Darlehen unter Abzug eines Disagios ohne besondere Berechnung einer Bearbeitungsgebühr, während Darlehensnehmer, die ein Darlehen ohne Abzug eines Disagios wünschen, eine besondere Bearbeitungsgebühr zu entrichten haben, so kann hieraus geschlossen werden, daß auch das Disagio eine entsprechende Bearbeitungsgebühr enthält.

Läßt sich die Art des Disagios nicht klären, so muß auf die Entscheidung in BGHZ 81, 124, 127 zurückgegriffen werden. Danach ist das Disagio nicht als Zinsvorauszahlung anzusehen, wenn in den Darlehensvereinbarungen trotz Berücksichtigung der Kündigungsmöglichkeit nicht vorgesehen ist, daß sich im Falle der Kündigung des Darlehens das Disagio zeitanteilig ermäßigt.

Auf welche Zeit ein als Zins zu beurteilendes Disagio zu verteilen ist, wird davon abhängen, auf welche Zeit das Darlehen nach den Darlehensbedingungen festgeschrieben ist (vgl. hierzu NJW-RR 1989, 907, 948 unter II b). Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Auflösung des Disagios nach der Zinsstaffelmethode zu erfolgen hat (vgl. das BFH-Urteil vom 17. Juli 1974 I R 195/72, BFHE 113, 115, BStBl II 1974, 684).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416747

BFH/NV 1990, 552

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