Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision wegen fehlender Entscheidungsgründe
Leitsatz (NV)
Der Verfahrensmangel, die Entscheidung sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), ist durch die Rüge einer bloß lückenhaften oder fehlerhaften Urteilsbegründung nicht schlüssig dargetan.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr 1989 als Erzieherin in einem Kindergarten angestellt. Sie machte Aufwendungen für eine Supervision der pädagogischen Tätigkeit und für die Vermittlung weiterführender Fähigkeiten auf dem Gebiet der humanistischen Psychologie in Höhe von insgesamt ... DM als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte die Aufwendungen nicht. In der Einspruchsentscheidung vertrat er die Auffassung, die Teilnahme an persönlichkeitsbildenden Veranstaltungen diene auch der Lebensführung, so daß es sich um einen gemischt veranlaßten Aufwand handele. § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stehe dem Abzug derartiger Aufwendungen entgegen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, daß sie aus nahezu ausschließlich beruflichen Gründen an den Supervisionen teilgenommen habe. Sie habe den Ablauf und den Inhalt der Veranstaltungen, insbesondere den ausschließlich beruflichen Bezug der Einzelsitzungen mit dem Supervisor nicht dargelegt. Eine außergewöhnliche berufliche Situation, die ausnahmsweise die Teilnahme an einem Supervisionskurs als nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt erscheinen lasse, habe im Falle der Klägerin nicht vorgelegen. Damit seien die beruflichen und persönlichen Momente der Veranstaltungen so gleichgewichtig und untrennbar miteinander verbunden, daß die Kosten hierfür typische gemischte Aufwendungen darstellten.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es folgte gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Begründung der Einspruchsentscheidung und führte ergänzend aus: Die Klägerin habe den Nachweis der konkreten beruflichen Veranlassung nicht erbracht. Sie habe nicht dargelegt, welche beruflichen Gründe für eine offenbar umfassende Therapie "im Sinne einer Lehranalyse" maßgebend gewesen sei. Daß eine Supervision regelmäßig die Aufarbeitung von beruflichen Fragestellungen zum Gegenstand habe, genüge nicht, um die Aufwendungen der Klägerin steuerlich anzuerkennen. Denn daß es sich bei der durchgeführten Therapie um eine Supervision in diesem Sinne gehandelt habe, sei von der Klägerin nicht dargelegt worden. Daß die Therapie auch eine Grundlage für das Verhalten am Arbeitsplatz dargestellt habe, rechtfertige unter den gegebenen Umständen nur die Annahme, daß es sich um sog. gemischte Aufwendungen gehandelt habe.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO). Dazu trägt sie vor: Sie habe in der Klageschrift unter Anführung fast der gesamten Fachliteratur, die sich mit der Supervision beschäftige, dargelegt, daß nach einhelliger Ansicht die Supervision gerade im Bereich von Erzieherinnen per se berufsbezogen sei. Ausführungen zu dieser in der Fachliteratur einhellig vertretenen Meinung fänden sich aber weder in der Einspruchsentscheidung noch im finanzgerichtlichen Urteil. Da das FG auf das in der Klagebegründung zur Qualifikation der Supervision vorgetragene wesentlich neue Vorbringen nicht eingegangen sei, sei die Entscheidung insoweit nicht mit Gründen versehen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
Es liegt kein Fall vor, in dem es einer Zulassung zur Einlegung der Revision nicht bedarf (§ 116 FGO). Die Klägerin hat ihre Rüge, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen, nicht schlüssig erhoben. Ein Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt vor, wenn Gründe ganz oder zu einem wesentlichen Teil fehlen oder wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. April 1986 VIII R 325/84, BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195; Beschluß vom 17. Januar 1994 VIII R 50/93, BFH/NV 1994, 646, 647). Die Rüge einer bloß lückenhaften oder einer fehlerhaften Begründung berechtigt dagegen nicht zu einer zulassungsfreien Revision. Denn die Verfahrensrüge nach § 116 Abs. 1 FGO darf nicht dazu dienen, lediglich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts zu verdecken (vgl. BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351; vom 13. Dezember 1988 IX R 90/88, BFH/NV 1989, 527; vom 17. Mai 1989 II R 154/88, BFH/NV 1990, 244; in BFH/NV 1994, 646, 647).
Letzteres ist hier der Fall. Das FG hat nicht die Richtigkeit des Vorbringens in der Klageschrift und der Auffassung der einschlägigen und von der Klägerin zitierten Fachliteratur in Frage gestellt, daß eine Supervision regelmäßig die Aufarbeitung von beruflichen Fragestellungen zum Gegenstand habe. Dementsprechend kann ein fehlendes Eingehen auf neues Vorbringen auch nicht darin gesehen werden, daß das FG sich mit dieser Frage nicht weiter auseinandergesetzt hat. In Wirklichkeit wendet sich die Klägerin gegen die Begründung des FG, sie habe im konkreten Fall nicht substantiiert solche Umstände dargelegt und nachgewiesen, die den Schluß zuließen, daß die bei ihr konkret durchgeführte Supervision nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen sei und private Gesichtspunkte eine nur untergeordnete Rolle gespielt hätten. Indem die Klägerin beanstandet, daß das FG die Bedeutung der Supervision im allgemeinen nicht habe ausreichen lassen, um eine nahezu ausschließlich berufliche Veranlassung im konkreten Einzelfall anzunehmen, rügt sie die Verletzung materiellen Rechts.
Fundstellen
Haufe-Index 420897 |
BFH/NV 1996, 160 |