Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
überläßt ein Betriebsinhaber bei der Aufnahme eines (typischen) stillen Gesellschafters in seinen Betrieb diesem unentgeltlich einen Teil seines Kapitalkontos, so ist die Umbuchung des überlassenen Betrags als Einlage des stillen Gesellschafters eine Entnahme des Betriebsinhabers im Sinne von § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949. Die Grundsätze des Urteils IV 233/51 U vom 24. Oktober 1951, Slg. Bd. 56 S. 10, BStBl. 1952 III S. 5, sind auf diesen Fall nicht anwendbar.
Zur Auslegung von Gesellschaftsverträgen zwischen Familienangehörigen.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3, §§ 10a, 20 Abs. 1 Ziff. 2
Tatbestand
Die Ehefrau des Beschwerdeführers (Bf.) ist Inhaberin eines seit 1935 bestehenden Großhandelsunternehmens im Damenputzartikeln. Der Bf. ist dessen kaufmännischer Leiter. Durch einen Vertrag, der Anfang 1949 mit der damals kurz vor der Volljährigkeit stehenden Tochter abgeschlossen wurde, wurde diese mit einem ihr unentgeltlich überlassenen, vom Kapitalkonto der Betriebsinhaberin umgebuchten Kapitalbetrag von 10.000 DM als stille Gesellschafterin in den Betrieb der Mutter aufgenommen. Die stille Gesellschaft ist nach dem Vertrag zum Zwecke der Mitbeteiligung und allmählichen überleitung der Geschäftsführungsbefugnisse an die Tochter gegründet. Entsprechend der Höhe der Beteiligungsquote am Gesamtkapital ist die Tochter am Gesamtgewinn des Unternehmens beteiligt, die Höchstgrenze ist jedoch auf 25 v. H. des verteilungsfähigen Gewinnes begrenzt. Der Geschäftsinhaberin gebühren für ihre leitende Tätigkeit vorerst 6.000 DM je Jahr vorweg. Bei der Berechnung des Gesamtkapitals sind vermögensteuerlich offene oder stille Reserven dem Kapital der Geschäftsinhaberin zuzurechnen. Im übrigen ist die steuerlich anerkannte Handelsbilanz maßgebend, wobei steuerliche Berichtigungen und Bilanzänderungen zu beachten sind. Am Bilanzverlust ist die stille Gesellschafterin nicht beteiligt. Im Falle eines Verlustes fallen der Geschäftsinhaberin von späteren Gewinnen die zur vollen Tilgung des Verlustvortrages erforderlichen Beträge vorweg zu. Eine Abtretung der Anteile der stillen Gesellschafterin an familienfremde Personen ist vertraglich untersagt. An andere Familienmitglieder dürfen sie nur mit Zustimmung der Geschäftsinhaberin abgetreten werden. Bei Tod der stillen Gesellschafterin ohne Hinterlassung von Kindern soll die stille Gesellschaft erlöschen. Bei Hinterlassung von Kindern kann der Geschäftsinhaber über die Fortsetzung der stillen Gesellschaft mit den Tochtererben frei entscheiden. Für den Fall der Umwandlung des Unternehmens in eine OHG, KG oder GmbH soll die stille Gesellschafterin grundsätzlich entweder als offene oder als stille Gesellschafterin beteiligt werden. Soweit die stille Gesellschafterin im Geschäft tätig ist, steht ihr ein unbeschränktes Kontrollrecht über alle geschäftlichen Vorgänge, soweit sie in der Buchführung ihren Niederschlag finden, zu. über die Beteiligung an der Geschäftsführung trifft die Geschäftsinhaberin die erforderlichen Anordnungen. Die Tochter erhält im Vertrage vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung die Vollmacht, die Mutter im Falle einer persönlichen Verhinderung in allen geschäftlichen Angelegenheiten zu vertreten und entsprechende Geschäftsführungsbefugnisse auszuüben. Die stille Gesellschafterin darf den gutgeschriebenen Gewinn in voller Höhe entnehmen, jedoch nur im Gutschriftsjahr. Andernfalls wächst der nicht entnommene Gewinn ihrem Kapitalkonto zu und ist in Zukunft gewinnbeteiligt. Derartiger dem Kapitalkonto zugeführter Gewinn darf später nur noch mit Zustimmung der Geschäftsinhaberin entnommen werden. Der Vertrag sieht schließlich für beide Teile eine dreimonatige Kündigungsfrist jeweils zum Jahresschlusse vor. Nach Kündigung ist der stillen Gesellschafterin ihr Anteil in Höhe ihres Guthabens auszubezahlen, jedoch soll bei Kündigung der stillen Gesellschafterin durch die Auszahlung die Liquidität des Unternehmens nicht gefährdet werden. Im Falle einer solchen Gefährdung ist das Guthaben als einfache Darlehnsforderung zu stunden und in üblicher Weise zu verzinsen. Dasselbe soll auch bei Auflösung der stillen Gesellschaft infolge Todes der Tochter gelten. Der Vertrag betont noch ausdrücklich, daß die stille Gesellschafterin am Anlagevermögen und am Firmenwert nicht beteiligt ist.
Die Tochter besuchte im Jahre 1949 zunächst noch die Schule und arbeitete nach Ablegung des Abiturs Ostern 1949 im Betrieb mit, bildete sich gleichzeitig aber durch Einsichtnahme in die Verhältnisse befreundeter Firmen weiter aus.
Von dem im Jahre 1949 erzielten Gewinn von 66.055,95 DM wurde in der Bilanz zum 31. Dezember 1949 der auf die Tochter entfallende Gewinnanteil in Höhe von 13.514 DM zurückgestellt. Ursprünglich sah das Finanzamt den Vertrag als steuerlich nicht beachtlich an und zog deshalb den Bf. mit dem gesamten Gewinn der Ehefrau zur Einkommensteuer für 1949 heran.
Das Finanzgericht erkannte dagegen den Vertrag als steuerlich beachtlich an und erachtete - im Gegensatz zur Einspruchsentscheidung - auch den auf die Tochter entfallenden Gewinnanteil für 1949 als allenfalls noch angemessen. Es dürften dabei die Mitarbeit im Betriebe sowie die Tatsache des außergewöhnlich guten Geschäftsjahrsergebnisses, das der Mutter eine Verzinsung ihres Restkapitals sogar von mehr als 275 v. H. erbracht habe, nicht außer Betracht bleiben; ein Fall des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) sei nicht gegeben.
Die schenkweise überlassung des Kapitalanteils von 10.000 DM an die Tochter behandelte das Finanzgericht entgegen der Auffassung des Bf. (vgl. Berufungsbegründung) als eine Entnahme in 1949, um die sich der nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 begünstigte nicht entnommene Gewinn vermindere. Der Kapitalanteil der stillen Gesellschafterin sei für den Betrieb kein Eigen-, sondern Fremdkapital. Eine spätere Zahlung an Gläubiger würde auf keinen Fall eine Entnahme seitens der Betriebsinhaberin mehr darstellen. Der Fall könne also nicht mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 233/51 U vom 24. Oktober 1951, Slg. Bd. 56 S. 10, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 III S. 5, behandelten Falle einer unentgeltlichen übertragung eines Teilbetriebes an ein Kind gleichgestellt werden.
Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich der Bf. gegen die Behandlung der Kapitalgutschrift als Entnahme. Es handele sich um eine nichttypische stille Gesellschaft; die Tochter sei als Mitunternehmerin anzusehen. Dann aber griffen die Grundsätze der vom Finanzgericht angeführten Rechtsprechung durch. Das Finanzamt behandele Fälle von Verträgen der fraglichen Art seit Jahrzehnten als Mitunternehmerschaften und habe auch im strittigen Falle schließlich die Anteile der Tochter als deren Gewinn aus Gewerbebetrieb angesehen. Eine andere Behandlung verstoße gegen Treu und Glauben.
Das Finanzamt hat in seiner Stellungnahme zur Rechtsbeschwerde den Darlegungen des Bf. zur Frage des Vorliegens einer nichttypischen stillen Gesellschaft zugestimmt und vorgeschlagen, die übertragenen 10.000 DM entsprechend Abschnitt 245 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951 nicht als Entnahme anzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Für die Frage, ob in der Umbuchung des Kapitalbetrags von 10.000 DM auf Grund des Vertrages vom 3. Januar 1949 eine Entnahme im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949 zu sehen ist, kommt es entscheidend darauf an, ob die Tochter unentgeltlich als Mitunternehmerin in den Betrieb der Mutter aufgenommen ist oder ob sie als echte stille Gesellschafterin, d. h. einkommensteuerlich als Kapitalgläubigerin (§ 20 Abs. 1 Ziff. 2 EStG) anzusehen ist. Im ersteren Fall ist nach der vom Finanzgericht angeführten Rechtsprechung der Personenwechsel in der Inhaberschaft des Unternehmens unbeachtet zu lassen, so daß die Aufspaltung des bisher einheitlichen Kapitalkontos auf mehrere Personen keine Entnahme darstellt. Bei Vorliegen einer stillen Gesellschaft dagegen ist die Tochter fremde, dritte Person gegenüber der alleinige Betriebsinhaberin bleibenden Mutter. Der Betrag, der der Tochter schenkungsweise zur Verfügung gestellt ist, ist vom Standpunkt des Betriebsinhabers aus eine Entnahme zu Schenkungszwecken. Daß der Betrag vereinbarungsgemäß als Schuldbetrag dem Betrieb zur Verfügung gestellt bleibt, kann an der wirtschaftlichen Strukturverschiebung nichts ändern. Der stille Gesellschafter ist ebenso wie der bloße Darlehensgeber einkommensteuerlich Gläubiger, nicht Mitinhaber des Betriebs. Vgl. auch Herrmann-Heuer, Anm. 12 zu § 10 a EStG 1950, bezüglich des ähnlichen Falles der Abzweigung von Darlehnskonten zugunsten von Kindern, die bis zum Eintritt der Kinder in den Betrieb als Mitunternehmer unkündbar bleiben.
Aus den Darlegungen des Finanzgerichts ist nicht zu entnehmen, daß es eine Mitunternehmerschaft annehmen wollte. Es hat im Gegenteil klar ausgeführt, daß es auf Grund des Sachverhalts eine typische stille Gesellschaft als gegeben zugrunde lege. In dieser Sachwürdigung ist ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen. Zunächst kommt es auf die Stellungnahme oder die Behandlungsweise des Finanzamts im einzelnen Falle oder in einer Reihe gleichgelagerter Fälle nicht entscheidend an. Aus solcher Behandlungsweise kann jedenfalls nicht gefolgert werden, daß durch sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die freie rechtliche Würdigung eines Streitfalles durch die Steuergerichte eingeengt sei. Im übrigen sind von keiner Seite im Verfahren vor dem Finanzgericht besondere Behauptungen in der Richtung einer nichttypischen stillen Gesellschaft, also einer Mitunternehmerschaft vorgebracht worden.
Es mag sein, daß den Beteiligten das Endziel einer Mitunternehmerschaft vorgeschwebt hat. Die tatsächliche Gestaltung des Vertrages ist jedoch derart, daß eine hinreichende Klarstellung eines derartigen Willens nicht zum Ausdruck gelangt ist. Im Gegenteil läßt der Vertrag eher eine Auslegung im Sinne der typischen stillen Gesellschaft zu. Der Vertrag läßt vor allem das grundsätzlich wesentliche Merkmal einer Mitunternehmerschaft, nämlich die Beteiligung am Betrieb auf Gedeih und Verderb, vermissen. Diesem Gedanken widerspricht schon der Ausschluß einer Beteiligung an einem Verlust. Weiter spricht die Abstellung auf rein betragsmäßige Kapitalbeteiligung dagegen und der Ausschluß der Teilnahme an den stillen Rücklagen des Unternehmens. Dieser Ausschluß ist sowohl bei der Gründung der Gesellschaft als auch für den Fall der Beendigung der Gesellschaft unmißverständlich zum Ausdruck gelangt. Die Beteiligten waren sich des Unterschieds der stillen Gesellschaft und einer Mitunternehmerschaft auch durchaus bewußt, wie die Abrede über die Regelung des weiteren Beteiligungsverhältnisses für den Fall der Umwandlung des Betriebs in eine Personen- oder Kapitalgesellschaft beweist. Der Vertreter des Bf. trägt auch noch ausdrücklich vor, daß eine übernahme der stillen Reserven im Hinblick auf die Schenkungsteuer bewußt unterlassen worden ist. Es geht aber nicht an, die Dinge verschieden anzusehen, je nachdem, wie sie für die einzelne Steuerart am günstigsten sich auswirken können.
Es trifft auch nicht zu, daß im allgemeinen Verträge zwischen Eltern und Kindern über die Beteiligung der Kinder am Betrieb eines Elternteiles im Sinne einer Mitunternehmerschaft auszulegen wären. Es ist vielmehr, wie auch sonst, den Beteiligten in der rechtlichen Gestaltung ihrer Beziehungen volle Entscheidungsfreiheit eingeräumt. Andererseits muß, wie ständig in der Rechtsprechung betont, gerade im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern verlangt werden, daß klare Verhältnisse geschaffen werden. Der Vertreter des Bf. verweist in der Berufungsbegründung übrigens selbst darauf, daß Beteiligungsverhältnisse von Kindern so auszulegen seien, wie sie rechtlich einwandfrei vereinbart sind; er spricht demgemäß stets von der stillen Gesellschafterin, von ihrer Kapitalbeteiligung. In der Einspruchsbegründung hat er sogar ausdrücklich den Gewinnanteil der Tochter als solchen aus "echter stiller Beteiligung" gekennzeichnet, der ihr, auch steuerrechtlich, erst nach Ziehung der Bilanz für das (erste) Geschäftsjahr zufließe und dann erst zu versteuern sei. Der Bf. kann sich deshalb nicht beklagen, wenn das Finanzgericht, dem wesentlichen Inhalt des Vertrages folgend, von dem Vorliegen einer typischen stillen Gesellschaft ausgegangen ist und die Gutschrift zugunsten der Tochter als eine Entnahme der Mutter für betriebsfremde Zwecke im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949 angesehen hat. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß die Tochter den Betrag ihrerseits als gewerbliche Einkunft bezeichnet und dementsprechend versteuert hat. Zu diesem Punkt sei im übrigen auf das eben erwähnte Vorbringen im Einspruchsverfahren verwiesen sowie auf die dortige Bemerkung, daß diese Versteuerungsart lediglich eine entgegenkommende Geste gegenüber den fiskalischen Ansprüchen sei. Ferner liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß etwa die Beteiligten sich tatsächlich und auf die Dauer im Innenverhältnis nicht an die im schriftlichen Vertrage niedergelegten Grundsätze halten. Solange aber keine überzeugenden und klaren Tatbestandsmerkmale dafür gegeben sind, daß und inwieweit vom Vertrage abweichende Grundsätze wirtschaftlich maßgebend sind, muß die Steuerbehörde davon ausgehen, daß das schriftlich Vereinbarte gilt, und den Vertragsinhalt der steuerlichen Beurteilung zugrunde legen. Bei Verträgen zwischen Familienangehörigen werden besonders strenge Anforderungen an den Nachweis über ein Abweichen von Vertragsinhalt zu stellen sein, um der hier besonders leicht möglichen willkürlichen Gestaltung der Steuerlast vorzubeugen. Im vorliegenden Fall sind die rechtlichen Beziehungen durch den Vertrag eingehend und eindeutig im Sinn einer stillen Beteiligung der Tochter geregelt. Das ist auch steuerlich maßgebend.
Fundstellen
Haufe-Index 408019 |
BStBl III 1954, 317 |
BFHE 1955, 275 |
BFHE 59, 275 |