Entscheidungsstichwort (Thema)
Austausch aller Kommanditisten bei einer GmbH & Co. KG
Leitsatz (NV)
1. Die Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden Personengesellschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Personenhandelsgesellschaft, insbesondere oHG und KG) kann gemäß § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 i.V.m. § 42 AO 1977 der Grunderwerbsteuer unterliegen (ständige Rechtsprechung).
2. Findet bei einer GmbH & Co. KG ein Gesellschafterwechsel nur hinsichtlich der Kommanditanteile statt, liegt auch dann kein Austausch sämtlicher Anteile an der Kommanditgesellschaft vor, wenn gleichzeitig mit dem Wechsel der Kommanditisten der einzige Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH auf einen der Neugesellschafter (Kommanditist) übertragen wird. Der Anteil der Komplementär-GmbH an der Kommanditgesellschaft kann nicht dem Inhaber des Geschäftsanteils an der GmbH zugerechnet werden, soweit nicht grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnungsregeln (z.B. § 1 Abs. 2, § 1 Abs. 3 Nrn.1 bzw. 3 GrEStG 1983) etwas anderes bestimmen.
3. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Komplementär-GmbH weder vor dem Gesellschafterwechsel noch nachher im Innenverhältnis am Vermögen der Gesellschaft (wertmäßig) beteiligt war.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 Nrn. 1, 3; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch Vertrag vom 23. Dezember 1983 erwarben A und B die beiden Kommanditanteile an der Klägerin, und zwar A von der X einen Anteil von nominell 9000 DM für 13950000DM und B von der Y einen Anteil von nominell 1000 DM für 1550000 DM. Das einzige nennenswerte Vermögen der Klägerin war bei Abschluß der Verträge das Teileigentum an einem Immobilienobjekts, bestehend aus den Räumen für ein Hotel und ein Restaurant. Hotel und Restaurant waren und sind vermietet. Das Teileigentum sollte mit Ausnahme einer Grundschuld, die zum 31. Dezember 1983 in Höhe von . . . DM valutierte, lastenfrei gestellt werden.
Ebenfalls am 23. Dezember 1983 erwarb A durch notariell beurkundeten Vertrag von der X den einzigen Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH der Klägerin zum Nominalbetrag von 20000 DM. Am Vermögen der Klägerin war diese GmbH nicht beteiligt.
Das Finanzamt (FA) erfuhr 1986 durch eine Fahndungsprüfung von diesen Vorgängen. Es sah in dem Gesellschafteraustausch einen nach § 1 Abs. 1 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 i.V.m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) steuerpflichtigen Vorgang und setzte gegen die Klägerin nach einer Gegenleistung von . . . DM Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM fest. Diese Gegenleistung setzte sich zusammen aus den Kaufpreisen für die beiden Kommanditanteile sowie den in Höhe von . . . DM valutierten dinglichen Belastungen des Teileigentums.
Nach erfolglosem Einspruch hat das Finanzgericht (FG) Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben. Der Gesellschafterwechsel unterliege nicht der Grunderwerbsteuer. Es handele sich nicht um eine Umgehungsgestaltung. Denn das FG sei davon überzeugt, daß gewichtige und anzuerkennende, nicht steuerliche Gründe die gewählte Gestaltung geboten hätten. Den neuen Gesellschaftern sei es geradezu aus finanzierungs- und haftungstechnischen Gründen darauf angekommen, nicht das Teileigentum, sondern die Anteile an der Klägerin zu erwerben, weil die der Klägerin gewährte Finanzierung die persönliche Haftung der Erwerber ausschließe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht das FA Verfahrensmängel sowie rechtsfehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 i.V.m. § 42 AO 1977 geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für einen gemäß § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 i.V.m. § 42 AO 1977 steuerpflichtigen Austausch von Gesellschaftern einer Personengesellschaft verneint und deshalb zu Recht den angefochtenen Grunderwerbsteuer-Bescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteile vom 31. Juli 1991 II R 17/88, BFHE 165, 297, BStBl II 1991, 891; vom 13. November 1991 II R 7/88, BFHE 166, 180, BStBl II 1992, 202, und vom 4. Dezember 1991 II R 18/89, BFH/NV 1992, 338, jeweils m.w.N.) kann die Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden Personengesellschaft gemäß § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 i.V.m. § 42 AO 1977 der Grunderwerbsteuer unterliegen, weil durch den vollständigen Wechsel im Personenstand einer Personengesellschaft, der als solcher nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Oktober 1979 II R 70/75, BFHE 129, 88, BStBl II 1980, 28), dasselbe Ergebnis erreicht wird wie durch den Abschluß eines auf die Übereignung des Grundstücks gerichteten Kaufvertrages zwischen Alt- und Neugesellschaftern in ihrer jeweiligen gesamthänderischen Verbundenheit, der den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 erfüllen würde. Maßgebend ist danach, daß sich die Rechtszuständigkeit in Gestalt des Gesamthandseigentums der Gesellschafter an dem Grundstück ändert. Diese Folge tritt aber nur ein, wenn sämtliche Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft übertragen werden. Verbleibt jedoch ein Gesellschafter in der Gesellschaft, so kommt es nicht zu einer dem Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG vergleichbaren, auf die Übertragung des gesamten Grundstücks gerichteten Gestaltung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 165, 297, BStBl II 1991, 891, und BFH-Beschluß vom 29. Juli 1987 II B 57/87, BFHE 150, 366, BStBl II 1987, 722).
Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Gesellschafteraustausch bei einer nur Grundbesitz haltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern ebenso auch für alle Personen(handels-)gesellschaften, soweit diese keine über die eigentliche Grundstücksverwaltung hinausgehenden Aktivitäten entfalten (vgl. Senatsbeschluß vom 31. Juli 1991 II B 157/90, BFH/NV 92, 134 sowie Senatsurteil in BFHE 166, 180, BStBl II 1992, 202 zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft eine lediglich Grundbesitz haltende ist).
Im Streitfall waren vor dem Gesellschafterwechsel die Kommanditisten X und Y sowie als persönlich haftende Gesellschafterin die Komplementär-GmbH Gesellschafter der Klägerin. Der Gesellschafterwechsel fand nur hinsichtlich der Kommanditanteile statt, während die Komplementär-GmbH weiterhin an der Klägerin beteiligt blieb. Somit liegt kein vollständiger Austausch aller Gesellschafter vor.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß die Komplementär-GmbH weder vor dem Gesellschafterwechsel noch nachher im Innenverhältnis am Vermögen der Gesellschaft (wertmäßig) beteiligt war. Denn der entscheidende Gesichtspunkt - vollständige Änderung der Zuordnung der Gesamthandsberechtigung - ist auch unter diesen Voraussetzungen nicht erfüllt, weil auch dem am Gesellschaftsvermögen, d.h. wertmäßig nicht beteiligten Gesellschafter in seiner Verbundenheit mit den anderen Gesellschaftern (sachenrechtlich, §§ 903, 718 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) die Eigentumsrechte an dem den Gesellschaftern zur gesamten Hand gehörenden Grundstück zustehen (vgl. Senatsurteil in BFHE 165, 297, BStBl II 1991, 891).
Etwas anderes könnte nur gelten, wenn hinsichtlich der Vereinbarungen über die Stellung der Komplementär-GmbH ein Scheingeschäft vorgelegen hätte oder wenn die gesamthänderische Beteiligung der persönlich haftenden Gesellschafterin einem der übrigen Gesellschafter zugerechnet werden könnte. Denn unter diesen Voraussetzungen müßte ungeachtet der formellen Beteiligung der Komplementär-GmbH von einem nach § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 i.V.m. § 42 AO 1977 steuerpflichtigen vollständigen Austausch aller Gesellschafter ausgegangen werden.
Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft sind jedoch nicht ersichtlich. Sachverhaltsrügen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) hat das FA insoweit nicht erhoben.
Auch kann der Anteil der Komplementär-GmbH nicht einem der übrigen Gesellschafter, etwa dem A zugerechnet werden. Denn nach zivilrechtlichen Grundsätzen, an die das Grunderwerbsteuerrecht anknüpft, stehen dieser der GmbH als juristischer Person zu, die auch grunderwerbsteuerrechtlich als eigenständiger Rechtsträger angesehen wird, und nicht deren Gesellschaftern. Dies schließt den Durchgriff durch die Gesellschaft auf die Gesellschafter aus, soweit nicht grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnungsregeln etwas anderes bestimmen. Als Zurechnungsregel käme hier § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 in Betracht, nämlich dann, wenn die Komplementär-GmbH - etwa aufgrund eines Auftrags- oder Treuhandverhältnisses - ihre Beteiligung an der Klägerin für A bzw. B hielte. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich im Streitfall jedoch nicht.
Auch nach § 1 Abs. 3 Nrn.1 bzw. 3 GrEStG 1983 kommt Steuerpflicht im Streitfall nicht in Betracht. Die Voraussetzungen einer (teils unmittelbaren, teils mittelbaren) Anteilsvereinigung (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1988 II R 76/87, BFHE 153, 63, BStBl II 1988, 550) in der Person des A liegen wegen der - gleichzeitig erworbenen - gesamthänderischen Mitberechtigung der B nicht vor. Anhaltspunkte dafür, daß B ihre Beteiligung an der Klägerin treuhänderisch für A hielt, sind nach den Feststellungen des FG nicht erkennbar.
Da bereits aus diesen Gründen der Austausch der Kommanditisten nicht Grunderwerbsteuer auslöste, kommt es nicht mehr darauf an, ob das FG - wie das FA meint - fehlerhaft, unter falscher Würdigung der Umstände angenommen hat, die Übernahme der Finanzierung und der Ausschluß jeglicher persönlicher Haftung seitens der Neugesellschafter A und B seien beachtliche außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung gewesen.
Den vom FA gerügten Verfahrensfehler (Verletzung der Aufklärungspflicht) hält der Senat nicht für durchgreifend. Auf eine Begründung wird insoweit gemäß Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs verzichtet.
Fundstellen
Haufe-Index 418710 |
BFH/NV 1993, 326 |