Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendungsbereich der Übergangsregelung zu § 15 a EStG für "Altbetriebe"
Leitsatz (NV)
Die Übergangsregelung zu § 15 a EStG für Altbetriebe (§ 52 Abs. 21 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 Nr. 1 EStG 1983) kann von einer Gesellschaft, die am Stichtag 10. Oktober 1979 noch nicht als Gesellschaft mit beschränkt haftenden Gesellschaftern bestand, nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Gründung der Gesellschaft am Stichtag bereits in Gang gesetzt war (Anschluß an BFH-Urteile vom 18. August 1992 VIII R 32/91, DB 1993, 617; vom 8. Dezember 1992 VIII R 16/91, BFHE 169, 446). Die Einbringung eines bestehenden Einzelunternehmens in eine nach dem Stichtag gegründete Gesellschaft ist nach dem Zweck der Übergangsregelung nicht ausreichend.
Normenkette
EStG 1983 §§ 15a, 52 Abs. 21 S. 2 Nr. 1, S. 3 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war von Januar 1979 bis zum 31. Dezember 1980 als Einzelunternehmerin gewerblich tätig.
Die Klägerin -- als alleinige Kommanditistin -- und die X-GmbH (GmbH) -- als Komplementärin --, die von der Klägerin und einem weiteren Gesellschafter mit Vertrag vom 11. Dezember 1980 errichtet worden war, gründeten mit Vertrag vom selben Tage zum 31. Dezember 1980 die Beigeladene, eine GmbH & Co. KG (KG). Am Gesellschaftskapital der KG war die Klägerin mit einer Einlage von 30 000 DM allein beteiligt; sie brachte ihren Betrieb zum 1. Januar 1981 in die KG ein.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) behandelte im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der KG für das Streitjahr 1984 den auf die Klägerin entfallenden Verlustanteil von 20 907 DM als nicht ausgleichsfähig und stellte den gemäß § 15 a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lediglich verrechenbaren Verlust -- ausgehend von dem für 1983 bestandskräftig festgestellten verrechenbaren Verlust von 2 659 DM -- auf 23 566 DM fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat unter Hinweis auf den Beschluß des erkennenden Senats vom 2. März 1988 IV B 95/87 (BFHE 152, 522, BStBl II 1988, 617) die Ansicht, die Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 Nr. 1 EStG 1983 sei nach ihrem Zweck auch auf einen am 10. Oktober 1979 in der Rechtsform eines Einzelunternehmens bestehenden Altbetrieb anwendbar; dies gelte jedenfalls hinsichtlich des Verlustanteils eines Kommanditisten, der sein Einzelunternehmen zu Buchwerten in eine nach dem Stichtag gegründete KG eingebracht habe.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§§ 15 a, 52 Abs. 21 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 Nr. 1 EStG 1983).
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Die Klägerin ist gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO neben der beigeladenen KG klagebefugt; sie ist durch die Entscheidung des FA in dem angefochtenen Bescheid, daß ihr Verlustanteil nur verrechenbar sei, persönlich betroffen (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 1. Juni 1989 IV R 19/88, BFHE 157, 181, BStBl II 1989, 1018).
2. Die Voraussetzungen des § 15 a EStG sind im Streitfall erfüllt. Der der Klägerin zuzurechnende Anteil am Verlust der KG ist nach § 15 a Abs. 1 EStG weder ausgleichs- noch abzugsfähig, da er zu einer Erhöhung des negativen Kapitalkontos führte.
3. § 15 a EStG ist auf den im Streitjahr 1984 entstandenen Verlust auch anwendbar. Die Übergangsregelung greift entgegen der Ansicht des FG nicht ein.
a) Gemäß § 52 Abs. 21 Satz 1 EStG 1983 ist § 15 a EStG grundsätzlich erstmals auf Verluste anzuwenden, die in dem nach dem 31. Dezember 1979 beginnenden Wirtschaftsjahr entstehen. Dies gilt nach der Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 Nr. 1 EStG 1983 nicht für Verluste, die in einem vor dem 10. Oktober 1979 eröffneten Betrieb entstehen; für einen solchen Betrieb (sog. Altbetrieb) ist § 15 a EStG erstmals auf Verluste anwendbar, die in nach dem 31. Dezember 1984 beginnenden Wirtschaftsjahren entstehen.
b) Der Begriff "eröffneter Betrieb" ist in der Übergangsregelung nicht näher geregelt. Er ist, wie der BFH wiederholt entschieden hat, selbständig nach dem Zweck der Übergangsregelung auszulegen (Beschluß in BFHE 152, 522, BStBl II 1988, 617; Urteile vom 18. August 1992 VIII R 32/91, Der Betrieb -- DB -- 1993, 617; vom 8. Dezember 1992 VIII R 16/91, BFHE 169, 446). Zweck dieser Regelung ist es, das Vertrauen der (Mit-)Unternehmer bereits eröffneter Betriebe in die bisherige Rechtslage dadurch zu schützen, daß "übergangslose Eingriffe in die Dispositionen dieser Unternehmen" vermieden werden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 8/3648, S. 25). Die bisher gegebenen Finanzierungsmöglichkeiten sollten für Altbetriebe während einer Übergangszeit erhalten bleiben; dazu gehörte -- auch bei erst noch zu gründenden oder umzuwandelnden Gesellschaften -- vor allem die durch § 15 a EStG ausgeschlossene Möglichkeit, anlagesuchenden Geldgebern einen zusätzlichen Vorteil durch einen Verlustausgleich oder -abzug über den Betrag der Kapitalanlage hinaus zu bieten (BFH in BFHE 152, 522, BStBl II 1988, 617; in DB 1993, 617; in BFHE 169, 446).
c) Der erkennende Senat hat in seinen Beschlüssen in BFHE 152, 522, BStBl II 1988, 617, und vom 14. Februar 1989 IV B 33/88 (BFHE 156, 167, BStBl II 1989, 516), die in Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ergangen sind, über Sachverhalte entschieden, in denen von den vor dem Stichtag bestehenden "Betrieben" eine werbende Tätigkeit noch nicht entfaltet worden war. Der Senat hat -- ausgehend von der Zielsetzung der Übergangsregelung -- ausgeführt, für die "Betriebseröffnung" sei bei der gebotenen überschlägigen Prüfung entscheidend, daß vor dem Stichtag nicht nur unerhebliche und mit Aufwendungen verbundene Aktivitäten entfaltet worden seien, die erkennbar auf die alsbaldige Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit gerichtet seien. Es sei nicht erheblich, welche Rechtsform der Betrieb vor dem Stichtag gehabt habe. Der bloße Abschluß eines Gesellschaftsvertrages und die Eintragung einer KG im Handelsregister reiche für die Betriebseröffnung vor dem Stichtag nicht aus. Unter die Übergangsregelung könne dagegen z. B. auch ein bisher in der Rechtsform des Einzelunternehmens oder der Kapitalgesellschaft geführter Betrieb fallen, an dem sich nach dem Stichtag Kapitalgeber als Kommanditisten oder stille Gesellschafter und Mitunternehmer im Sinne des Steuerrechts beteiligten.
d) Nach diesen Grundsätzen kann die Übergangsregelung auch anwendbar sein, wenn der vor dem 10. Oktober 1979 eröffnete Betrieb eines Einzelunternehmens nach dem Stichtag zu Buchwerten gemäß § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) 1977 in eine KG eingebracht wird.
aa) Der Wechsel der Rechtsform nach dem Stichtag ist entgegen der von der Finanzverwaltung vertretenen Ansicht (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 21. Mai 1987 IV B 2 -- S 2241 a -- 8/87, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1987, 406) nicht stets schädlich. Denn der Betrieb muß, wie auch der VIII. Senat in seinen Urteilen in DB 1993, 617, und BFHE 169, 446 angenommen hat, nicht durch eine KG oder eine ihr nach § 15 a Abs. 5 EStG gleichgestellte Mitunternehmerschaft vor dem 10. Oktober 1979 eröffnet worden sein.
bb) Andererseits ist aber auch die bloße Betriebseröffnung durch ein Einzelunternehmen nach dem Zweck der Übergangsregelung nicht ausreichend.
Der Zweck der Übergangsregelung ist nur erfüllt, wenn die Übertragung des Betriebs auf die KG am Stichtag bereits in Gang gesetzt war (BFH in DB 1993, 617 unter 3. d m. w. N.; ebenso in BFHE 169, 446 zur Umwandlung einer Erbengemeinschaft, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts -- GbR -- oder einer OHG in eine KG). Hierfür spricht, daß mit der Eröffnung eines Betriebs in der Rechtsform des Einzelunternehmens noch keine Dispositionen verbunden sind, die auf die Gewinnung anlagesuchender Geldgeber -- oder etwa die Inanspruchnahme der durch § 15 a EStG ausgeschlossenen Möglichkeit des Verlustausgleichs oder -abzugs durch den Einzelunternehmer selbst -- abzielen und deshalb Vertrauensschutz verdienen; die bloße Möglichkeit, einen Betrieb nach dem Stichtag in eine KG einzubringen, ist ohne darauf abzielende Dispositionen nach dem Zweck der Übergangsregelung nicht schutzwürdig. Danach kann im Streitfall die Betriebs eröffnung durch das Einzelunternehmen der KG auch nicht mit der Erwägung "zugerechnet" werden, daß die Buchwerte in vollem Umfang fortgeführt wurden und der Betrieb der KG mit dem des Einzelunternehmens objektiv wirtschaftlich identisch ist (a. A. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 15 a Anm. 15).
e) Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; seine Entscheidung ist deshalb aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Nach den Feststellungen des FG ist die KG -- ebenso wie die GmbH -- erst mit Vertrag vom 11. Dezember 1980 gegründet und der Betrieb zum 1. Januar 1981 in die KG eingebracht worden. Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Gründung der KG und die Einbringung des Betriebs bereits am Stichtag in Gang gesetzt gewesen sein könnten, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Klage war danach abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 419747 |
BFH/NV 1995, 12 |