Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht, Abgabenordnung, Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgabe einer Steuererklärung ist jeder verpflichtet, bei dem die Möglichkeit einer Steuerpflicht gegeben ist.
Das Finanzamt überschreitet nicht die Grenzen des billigen Ermessens, wenn es zum Zwecke der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen berichtigte Steuererklärungen fordert.
Wird auf Grund des § 202 AO die Abgabe von Steuererklärungen verlangt, so kann in diesem Verfahren grundsätzlich nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen der objektiven Steuerpflicht entschieden werden.
Die Reichsabgabenordnung kennt, abgesehen von den §§ 214, 215, 235 AO, kein Verfahren zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Die Vorschriften der Verordnung Nr. 165 der britischen Militärregierung, nach denen u. a. auch eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines öffentlichen Rechtsverhältnisses zulässig ist, gelten nicht für das Besteuerungsverfahren.
AO §§ 202, 167 Absatz 2, 166 Absatz 1, 103, 104, 213 Absatz 1, 214, 215, 235; UStG § 13 Absatz 2;
Normenkette
AO §§ 202, 167 Abs. 2, § 166 Abs. 1 S. 1, §§ 103-104, 213 Abs. 1, §§ 214-215, 235, 229; UStG § 13 Abs. 2; UStDB § 65
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Konkursverwalter der ... GmbH. Die bezüglich der Monate April bis August 1950 an die Gemeinschuldnerin allein, bezüglich des Monats September 1950 an diese zu Händen des Konkursverwalters gerichtete Aufforderung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für die bezeichneten Monate beantwortete der Bf. am 5. Oktober und 6. November 1950 mit der Mitteilung, daß der Betrieb mit dem Tage der Konkurseröffnung stillgelegt sei, und steuerpflichtige Umsätze nicht mehr getätigt seien. Mit Verfügung vom 20. Dezember 1950 erbat das Finanzamt vom Bf. eine Erklärung, daß für die Monate April bis November 1950 steuerpflichtige Umsätze nicht getätigt worden seien, da es möglich sei, daß Gegenstände des Betriebsvermögens veräußert sein könnten. In seinem Antwortschreiben vom 2. Januar 1951 bestätigt der Bf. zwar seine Verpflichtung zur Abgabe der Erklärungen, soweit sie die Zeit nach der Konkurseröffnung beträfen; jedoch seien die durch die Versilberung der Konkursmasse erzielten Entgelte ebensowenig umsatzsteuerpflichtig wie die Umsätze einer Versteigerung im Wege der Vollstreckung. Mit Verfügung vom 8. Januar 1951 lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 400/22 vom 7. November 1922, Slg. Bd. 10 S. 348, Mrozeks Kartei, Umsatzsteuergesetz (UStG) 1919 § 1 Nr. 1 Satz 1 Rechtsspr. 49, 50, und die Verfügung vom 20. Dezember 1950 die Auffassung des Bf. ab und forderte ihn unter Androhung einer Geldstrafe von 20 DM nach § 202 der Reichsabgabenordnung (AO) auf, Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate April bis November 1950 einzureichen.
Mit der Beschwerde beantragte der Bf.
Aufhebung der Androhung der Erzwingungsstrafe, und
festzustellen, daß er als Konkursverwalter nicht verpflichtet sei, für die im Rahmen der Konkursmasse vorgenommenen Verkäufe Umsatzsteuer abzuführen.
Der Antrag zu 1. wurde vom Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen, der zu 2. als unzulässig verworfen.
Entscheidungsgründe
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt der Bf. seine Anträge und behauptet zunächst wesentliche Verfahrensmängel.
I. ............ II. In sachlicher Hinsicht stützt der Beschwerdeführer (Bf.) seine Weigerung auf Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung darauf, daß er diese für die Monate April bis November 1950 bereits eingereicht habe, wenn auch Umsätze darin nicht angegeben worden seien. Er beruft sich dabei auf die Verfügung des Finanzamts vom 20. Dezember 1950, in der von abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen gesprochen wird. Hierzu ist zu bemerken: Nach der angezogenen Verfügung des Finanzamts sollen Voranmeldungen ohne Angabe von Umsatzziffern abgegeben sein. In den Akten sind sie nicht enthalten. Eine Nachprüfung in dieser Beziehung ist dem Senat deshalb nicht möglich. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß das Finanzamt mit den Voranmeldungen in seiner Verfügung nicht die Abgabe auf den üblichen Formularen gemeint hat, sondern die Schreiben des Bf. vom 5. Oktober und 6. November, mit denen der Bf. mitgeteilt hatte, der Betrieb sei eingestellt und umsatzsteuerpflichtige Umsätze seien nicht getätigt. Hierfür sprechen die Tatsachen, daß auf diesen Schreiben die Kasse die Sollvermerke gemacht hat, und auch der Bf. nicht behauptet hat, formularmäßige Voranmeldungen abgegeben zu haben. Diese Schreiben sind aber keine Steuererklärungen im Sinne des Gesetzes, weil die nach § 166 der Reichsabgabenordnung (AO) erforderliche Versicherung fehlt, daß die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht sind. Aber selbst wenn man sie als gültige Voranmeldungen und danach nach § 13 Absatz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als Steuererklärungen ansieht, kann der Bf. der Verfügung vom 8. Januar 1951 mit seinen Darlegungen die Rechtsbeständigkeit nicht nehmen. Diese Verfügung bringt unter Bezugnahme auf den vorhergegangenen Schriftwechsel klar zum Ausdruck, daß das Finanzamt nicht allein die formale Abgabe von Voranmeldungen begehrt, sondern vor allem die Angabe der nach dem Schreiben des Bf. vom 2. Januar 1951 offenbar getätigten Umsätze. Wenn es diese Angabe auf den üblichen Umsatzsteuervoranmeldungs- Formularen erbat, so liegt darin lediglich das berechtigte Verlangen des Finanzamts um weitere Auskunft. Ob es diese in der Form einer schriftlichen äußerung oder in der Form der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen erbat, so betrifft das nur die Art der zu erteilenden Auskunft. Eine Verletzung des billigen Ermessens liegt nicht vor. Wenn der Bf. die geforderte Auskunft in einem mit der nach § 166 AO erforderlichen Versicherung versehenen Schreiben erteilt hätte, würde er dem Verlangen des Finanzamts ebenso ausreichend entsprochen haben. Es kann keinem Zweifel unterliegen - der Bf. gibt das auch zu -, daß er sich bewußt war, was das Finanzamt verlangte, er glaubt aber, sich mit formellen Bedenken seiner Verpflichtung entziehen zu können. Wenn wirklich bereits formularmäßige Voranmeldungen abgegeben sein sollten, so läßt die Verfügung vom 8. Januar 1951 eindeutig erkennen, daß mit den hier geforderten Voranmeldungen berichtigte Voranmeldungen gefordert werden, in denen die in den in Betracht kommenden Monaten getätigten Umsätze aus der Konkursmasse angegeben werden sollten. Der Bf. kann sich deshalb nicht darauf berufen, er habe bereits Voranmeldungen abgegeben. Es ist deshalb auch unzutreffend, wenn der Bf. meint, er habe seiner Verpflichtung bereits genügt. Ebenso unrichtig ist auch seine Auffassung, die angedrohte Erzwingungsstrafe beziehe sich nur auf die Abgabe der Voranmeldungen, nicht auch auf die Angabe der Umsätze. Der Inhalt der Verfügung vom 8. Januar 1950 beweist das Gegenteil. Mit ihr will das Finanzamt vom Bf. gerade die bisher aus der Verwertung der Konkursmasse getätigten Umsätze erfahren. Die Voranmeldung ist nur das Mittel, um diesen Zweck zu erreichen. Beide Forderungen sind untrennbar. Die Androhung umfaßt deshalb sowohl die Abgabe der Voranmeldung wie die Angabe der Verkäufe.
Dieser Angabe glaubt der Bf. aber solange enthoben zu sein, als nicht feststehe, ob überhaupt ein Steueranspruch besteht, d. h. ob die bei der Versilberung der Konkursmasse getätigten Umsätze steuerpflichtig sind. Mit dieser Begründung kann er jedoch eine Freistellung von seiner Erklärungspflicht nicht erreichen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 167 Absatz 2 AO) ist die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen grundsätzlich nur von der Aufforderung des Finanzamts, nicht von dem Bestehen einer Steuerpflicht abhängig. Die Anforderung von Steuererklärungen würde nur dann die Grenze von Recht und Billigkeit überschreiten, wenn einwandfrei und klar feststeht, daß eine Steuerpflicht nicht gegeben ist. Dagegen stellt die Anforderung von Steuererklärungen keinen Ermessensmißbrauch dar, wenn die Möglichkeit der Steuerpflicht besteht, wie es in der früheren Fassung der entsprechenden Vorschrift der Reichsabgabenordnung hieß. Der hierin zum Ausdruck kommende Gedanke wird auch heute noch als Richtlinie dienen können. Ist hiernach die Vorfrage, ob eine Steuerpflicht besteht, so weit geklärt, daß ihre Möglichkeit zu bejahen ist, so besteht die Forderung auf Einreichung der Steuererklärung zu Recht. Diese Forderung ist auch dann berechtigt, wenn Meinungsverschiedenheiten über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Steuerpflicht zwischen Steuerpflichtigem (Stpfl.) und Finanzamt bestehen. In dem hier in Betracht kommenden Verfahren kommt es nicht darauf an, festzustellen, ob die Voraussetzungen der Steuerpflicht objektiv gegeben sind, vielmehr nur darauf, ob das Verlangen des Finanzamts Recht und Billigkeit, d. h. vernünftigem Ermessen entspricht. Bei Meinungsverschiedenheiten muß zunächst die Abgabepflicht bejaht werden. Das folgt aus dem öffentlichen Interesse an einer zutreffenden Besteuerung und den §§ 168, 169 AO. Danach ist bei der Frage, was für die Feststellung des Steueranspruchs von Bedeutung ist, nicht von den Anschauungen des Stpfl., sondern von der Auffassung des den Sachverhalt nach vernünftigem Ermessen beurteilenden Finanzamts auszugehen. § 168 AO schreibt außerdem vor, daß die Prüfung, was steuerpflichtig ist oder nicht, dem Finanzamt und nicht dem Stpfl. zusteht. Die Klärung der Zweifel über das Bestehen der Steuerpflicht kann endgültig nur im Veranlagungs- und gegebenenfalls Rechtsmittelverfahren herbeigeführt werden. Das Finanzamt hält mit Recht unter Heranziehung der früheren Rechtsprechung (Slg. Bd. 10 S. 348) die Möglichkeit einer Steuerpflicht für die bei der Verwertung der Konkursmasse getätigten Umsätze für gegeben, während der Bf. das bestreitet, obwohl er Verkäufe aus der Konkursmasse zugibt. Aus den dargelegten Grundsätzen ergibt sich, daß sich die Forderung des Finanzamts im Rahmen des billigen Ermessens hält. Glaubt der Pflichtige (Pfl.) der Auffassung des Finanzamts nicht folgen zu können, so muß er diese im Veranlagungs- und nötigenfalls Rechtsmittelverfahren nachprüfen lassen.
Unzutreffend ist auch die Auffassung des Bf., die Angabe der Umsätze sei, solange die Frage der Steuerpflicht nicht geklärt sei, eine leere Formalität. Die Entscheidung über das Bestehen der Steuerpflicht kann erst nach dem Inhalte der abgegebenen Erklärung getroffen werden. Würde man daher dem Inanspruchgenommenen das Recht einräumen, jede Erklärung oder Auskunft zu verweigern, bis die Tatsache der Steuerpflicht feststeht, so müßte die Steuerbehörde auf seine Mitwirkung bei der Entscheidung über diese Frage ganz verzichten. Ebenso kann der Bf. daraus, daß umsatzsteuerfreie Beträge in den Steuererklärungen abgesetzt werden können, nichts für seine Auffassung herleiten. Die Absetzung durch den Pfl. besagt noch nicht, daß sie zu Recht erfolgt ist. Die Angabe ermöglicht aber dem Finanzamt die Nachprüfung. Die Folgerung, daß die Berechtigung zur Angabe umsatzsteuerfreier Beträge auch die Befugnis enthalte, die Beträge überhaupt nicht anzugeben, ist unrichtig. Das verbietet § 168 AO, der vorschreibt, daß die Prüfung, was steuerpflichtig ist oder nicht, nicht dem Stpfl., sondern dem Finanzamt zusteht. Gibt der Stpfl. aber angeblich umsatzsteuerfreie Beträge nicht an, so entscheidet er, und nicht das Finanzamt über die Steuerpflicht.
Die Vorentscheidung hat auch mit zutreffenden Gründen den Feststellungsantrag als unzulässig verworfen. Wie bereits dargelegt, muß die Frage der objektiven Umsatzsteuerpflicht der Konkursmassenverkäufe in dem dafür vorgesehenen Veranlagungs- und gegebenenfalls Rechtsmittelverfahren geklärt werden, wozu die geforderten Voranmeldungen die Grundlage abgeben. Eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist nach der Reichsabgabenordnung grundsätzlich nicht möglich (§ 213 Absatz 1 AO); nur in den besonders geregelten Fällen der §§ 214, 215, 235 AO ist das vorgesehen; ferner können im finanzgerichtlichen Berufungs- (nicht Beschwerde-) Verfahren Teil-, Vor- und Zwischenentscheidungen ergehen (§ 284 Absatz 2 AO). Die Meinung des Bf., die nach der Verordnung Nr. 165 zulässige Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines öffentlichen Rechtsverhältnisses, sei auch im steuerlichen Verfahren gegeben, ist irrig. Diese Verordnung regelt nur das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Für die steuerrechtlichen Rechtsstreitigkeiten gelten ausschließlich die Vorschriften der Reichsabgabenordnung, für die britische Zone in der durch die Verordnung Nr. 175 geänderten Fassung. Eine unmittelbare oder mittelbare Anwendung der Verordnung Nr. 165 kann auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 81/50 vom 23. Februar 1951 (Bundessteuerblatt 1951 Teil III S. 77) entnommen werden. Aus § 22 der Verordnung Nr. 165 sind nur allgemeine Rechtsgedanken abgeleitet worden; daraus kann aber nicht auf die Anwendung dieser Verordnung für das Steuerrechtsverfahren geschlossen werden.
Hiernach ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 407289 |
BStBl III 1951, 209 |
BFHE 1952, 513 |
BFHE 55, 513 |