Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeverpflichtung gehört nicht zu den Anschaffungskosten

 

Leitsatz (NV)

Bei vorweggenommener Erbfolge rechnet zu den Versorgungsleistungen, die kein Entgelt für die Übertragung des Grundstücks darstellen, auch die Pflegeverpflichtung (Anschluß an Urteil des BFH vom 24. April 1991 XI R 9/84 BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794).

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 2, §§ 21a, 7b

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1980 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Sie erwarben mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 19. Dezember 1980 von den Eltern des Klägers ein Zweifamilienhausgrundstück. Die Kläger verpflichteten sich, für die Übertragung . . . DM an die Übergeber zu zahlen, die diese unter Abtretung der Forderung den beiden Brüdern des Klägers zu gleichen Teilen schenkten. Die Kläger übernahmen die Grundschulden mit den zugrunde liegenden Schulden. Außerdem gewährten sie den Übergebern ein Altenteilsrecht, bestehend aus dem lebenslangen ausschließlichen und dinglich gesicherten Wohnungsrecht an den Räumen im ersten Stock des übertragenen Hauses, der Verpflichtung zur Essensgewährung und Pflege im Falle der Krankheit und Gebrechlichkeit sowie der Zahlung einer monatlichen Rente von . . . DM ab 1. April 1981. Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr gingen am Tag des Vertragsschlusses auf die Kläger über.

In Ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger ausgehend von Anschaffungskosten des Grundstücks von . . . DM erhöhte Absetzungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte ihnen lediglich die den Rechtsvorgängern zustehende Absetzung für Abnutzung (AfA), da sie das Grundstück unentgeltlich erworben hätten. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.

Der Klage, mit der die Kläger u. a. erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 5 % der Gebäudebemessungsgrundlage von . . . DM begehrten, hat das Finanzgericht (FG) teilweise stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, bei der Übertragung des Grundstücks handle es sich um ein teilweise entgeltliches, teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft. Die Anschaffungskosten setzten sich aus der Übernahme der valutierten Darlehensverbindlichkeiten, den Gleichstellungsgeldern an die Geschwister des Klägers, dem Kapitalwert der Rente, den Gebühren des Amtsgerichts und den Notarkosten zusammen. Von diesen Anschaffungskosten des Grundstücks entfielen 88,28 % = . . . DM auf das Gebäude; der Verkehrswert des Grundstücks betrage lt. Gutachten . . . DM, der des Gebäudes . . . DM. Die AfA nach § 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sei mit . . . DM anzusetzen, denn die Kläger hätten das Grundstück zu 55,26 % unentgeltlich erworben.

Mit der Revision hat sich das FA zunächst gegen die Anerkennung der Übertragung des Grundstücks als Anschaffungsgeschäft gewendet. Mit Schriftsatz vom 10. April 1991 hat es im Hinblick auf den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) sein Begehren dahingehend eingeschränkt, daß die vom FG angenommenen Anschaffungskosten des Grundstücks um den Kapitalwert der Versorgungsrente gemindert und dementsprechend die erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG und die AfA nach § 11 d EStDV angesetzt würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Festsetzung der Einkommensteuer (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zu Recht hat das FG zwar den Erwerb des Grundstück durch die Kläger als teilentgeltliches Rechtsgeschäft beurteilt. Es hat jedoch rechtsfehlerhaft den Kapitalwert der Versorgungsrente den Anschaffungskosten zugeordnet. Nach der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 führen bei der Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Zahlung von Gleichstellungsgeldern und die Übernahme von Verbindlichkeiten, nicht jedoch Versorgungsleistungen an den Übergeber und die Einräumung eines Nutzungsrechts am Grundstück zu Anschaffungskosten für das Grundstück. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Großen Senats unter Abschn. C II 1 bis 3. Zu den Versorgungsleistungen, die kein Entgelt für die Übertragung des Grundstücks darstellen, rechnet auch die Pflegeverpflichtung (Senatsurteil vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794).

Den Klägern sind danach Anschaffungskosten in Höhe der übernommenen Verbindlichkeiten, der Gleichstellungsgelder und der Anschaffungsnebenkosten entstanden.

Die Sache ist spruchreif. Die Anschaffungskosten des Grundstücks betragen . . . DM (Darlehensverbindlichkeiten, Gleichstellungsgelder an die Geschwister, Gebühren des Amtsgerichts und Notarkosten), davon entfallen unstreitig 88,28 % = . . . DM auf das Gebäude. Die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG hierauf betragen . . . DM. Für die Gewährung von AfA nach § 11 d EStDV ist das Rechtsgeschäft entsprechend den Grundsätzen des Urteils des Senats vom 24. April 1991 XI R 5/83 (BFHE 164, 352, BStBl II 1991, 793) in den entgeltlichen und unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Von dem Grundstückswert lt. Gutachten von . . . DM ist der - von den Beteiligten übereinstimmend veranschlagte - Wert des Wohnungsrechts abzusetzen. Die Gegenüberstellung dieses Werts und der Anschaffungskosten ergibt, daß die Kläger das Grundstück zu 69,45 % unentgeltlich und zu 30,55 % entgeltlich erworben haben. Das ergibt eine Jahres-AfA nach § 11 d EStDV von . . . DM (69,45 % von . . . DM). Sie steht den Klägern allerdings im Hinblick auf die Anschaffung des Grundstücks im Dezember 1980 - im Gegensatz zu den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG - nur zeitanteilig zu. Da der Senat nach §§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO gehindert ist, die Einkommensteuer höher festzusetzen, verbleibt es bei der vom FA mit der Revision beantragten Einkommensteuer von . . . DM. Wegen des Verbots der Verböserung erübrigt es sich auch, auf die Frage einzugehen, ob die Kläger 1980 zum Abzug der vollen Werbungskosten berechtigt waren, obgleich die Eltern des Klägers eine Wohnung in dem übertragenen Zweifamilienhaus aufgrund des vorbehaltenen dinglichen Wohnungsrechts nutzten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418054

BFH/NV 1992, 237

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