Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des typischen stillen Gesellschafters auf seinen Anteil am Gewinn ist bei der Einheitsbewertung und der Vermögensteuer nicht erst im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung, sondern schon am Ende des Geschäftsjahres des Unternehmens zu erfassen.
Normenkette
BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 67 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte ist als stiller Gesellschafter an zwei Personengesellschaften beteiligt. Nach seiner Vermögenserklärung vom 9. August 1962 betrug der Wert der beiden Beteiligungen am 1. Januar 1962 zusammen 53 400 DM. Für 1961 erhielt der Revisionsbeklagte nach den Kapitalertragsteuer-Anmeldungen der beiden Gesellschaften vom 24. April 1962 einen Gewinnanteil von insgesamt 69 940 DM. Das FA hat bei der Neuveranlagung der Vermögensteuer auf den 1. Januar 1962 nicht nur den Wert der stillen Beteiligungen angesetzt, sondern auch die Gewinnansprüche (69 940 DM), vermindert um 17 485 DM einzubehaltende Kapitalertragsteuer, erfaßt. Das Vermögen wurde dadurch gegenüber der Erklärung um 52 455 DM höher. Durch diese Erhöhung wurde auch die Mindestgrenze von 50 000 DM des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VStG für eine Neuveranlagung wegen Erhöhung des Vermögens erreicht.
Mit der Sprungberufung begehrte der Revisionsbeklagte, die Gewinnansprüche für 1961 aus den stillen Beteiligungen außer Betracht zu lassen. Das FG gab diesem Antrag statt und hob den Bescheid über die Neuveranlagung der Vermögensteuer auf den Beginn des Kalenderjahres 1962 ersatzlos auf. Es begründete seine Entscheidung damit, daß entsprechend dem bei der Vermögensteuer herrschenden Stichtagsprinzip nur Forderungen erfaßt werden könnten, die am maßgebenden Stichtag schon entstanden waren. Am Ende des Geschäftsjahres eines Unternehmens stehe jedoch noch nicht fest, ob das Jahresergebnis positiv oder negativ sei. Dieses Ergebnis hänge wesentlich von Entschließungen bei der Bilanzerstellung ab. Die erst nach Abschluß des Geschäftsjahres erfolgende Feststellung des Jahresergebnisses und Berechnung des Gewinnanspruchs beeinflusse daher nicht nur die Fälligkeit, sondern auch die Entstehung des Gewinnanspruchs.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wird unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt. Das FA (Revisionskläger) führt aus, das FG verkenne den Unterschied zwischen Entstehung und Fälligkeit einer Forderung. Eine Forderung sei bewertungsrechtlich als Vermögen zu erfassen, sobald sie entstanden ist. Der Anspruch eines stillen Gesellschafters auf den Gewinn entstehe mit dem Ablauf des Geschäftsjahres. Er sei demgemäß an dem auf das Ende des Geschäftsjahres folgenden 1. Januar als Forderung zu erfassen. Der Zeitpunkt der Fälligkeit sei ohne Bedeutung. Unbeachtlich sei auch, daß die Höhe des Gewinnanspruchs am Stichtag noch nicht feststehe; denn am Stichtag sei schon ein rechtlich gesicherter Anspruch entstanden gewesen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
I.
Nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung, der für diese Entscheidung maßgebend ist, kommen als sonstiges Vermögen u. a. Kapitalforderungen in Betracht, die nicht zum Betriebsvermögen gehören. Mangels einer gewerblichen Tätigkeit des Revisionsbeklagten sind seine stillen Beteiligungen sonstiges Vermögen; damit gehören auch die Gewinnansprüche aus diesen Beteiligungen, die auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet und somit Kapitalforderungen sind, zum sonstigen Vermögen.
Eine Kapitalforderung kann nur dann als Vermögen angesetzt werden, wenn sie am Stichtag schon entstanden und noch nicht erloschen war. Die Gewinnansprüche des Revisionsbeklagten für 1961 waren zu Beginn des Kalenderjahres 1962 entstanden, wenn das Geschäftsjahr 1961 der beiden Personengesellschaften, an denen der Revisionsbeklagte als stiller Gesellschafter beteiligt ist, spätestens am 31. Dezember 1961 geendet hat. Über das Ende des Geschäftsjahres dieser Gesellschaften enthält die Vorentscheidung keine Feststellungen, da es nach der vom FG vertretenen Auffassung hierauf nicht ankam.
Die in der Vorentscheidung vertretene Rechtsauffassung, der Gewinnanspruch des stillen Gesellschafters entstehe erst mit der nach Abschluß des Geschäftsjahres erfolgenden Berechnung auf Grund des Jahresergebnisses, ist rechtsirrtümlich. Zwar kann der stille Gesellschafter nach § 337 Abs. 1 HGB die Auszahlung des auf ihn entfallenden Gewinns erst nach Berechnung des Jahresergebnisses verlangen. Diese Vorschrift betrifft jedoch nur die Fälligkeit des Gewinnanspruchs, nicht ihre Entstehung (vgl. Staub-Pinner, Handelsgesetzbuch, 14. Aufl., § 337 Anm. 4; Weipert in Kommentar zum HGB - RGR-HGB -, 2. Aufl., § 337, Anm. 20; Schlegelberger-Geßler, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 337, Anm. 14). Das bürgerliche Recht enthält keine ausdrückliche Vorschrift darüber, wann der Anspruch des stillen Gesellschafters auf den Gewinnanteil entsteht. Diese Frage kann deshalb nur im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der rechtlichen Besonderheiten derartiger Rechtsverhältnisse entschieden werden.
Der RFH hat mit Urteil III A 352/31 vom 17. März 1932 (RStBl 1932, 968) einen Fall entschieden, in dem eine Sparkasse an einem anderen Kreditinstitut mit einem Geldbetrag beteiligt war. Damals war streitig, ob auf Grund des Gewinnanspruchs der Sparkasse schon mit Ablauf des Geschäftsjahres des anderen Kreditinstituts bei der Bewertung dessen Vermögens ein Schuldabzug zulässig sei. Der RFH ließ es dahingestellt, ob es sich bei der Beteiligung der Sparkasse um ein partiarisches Darlehen oder um eine stille Beteiligung handelte, denn, so führte er aus, "in jedem der beiden Fälle muß der Gewinnanteil für den Stichtag zum Abzug zugelassen werden". Hieraus ergibt sich, daß der RFH davon ausging, der Gewinnanspruch des stillen Gesellschafters entstehe mit dem Ende des Geschäftsjahres.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung an. Der Gewinn ist das Ergebnis der Tätigkeit eines bestimmten Zeitraums, der als Geschäftsjahr bezeichnet wird. Nach § 337 Abs. 1 HGB wird der Gewinn oder Verlust, an dem der stille Gesellschafter beteiligt ist, "am Schlusse" jedes Geschäftsjahres ermittelt. Staub-Pinner, a. a. O., Anm. 1 weisen zu Recht darauf hin, daß dieser Wortlaut ungenau sei, denn die Berechnung ist nicht am Schlusse, sondern "für den Schluß" des Geschäftsjahres aufzustellen (im Ergebnis ebenso Schlegelberger-Geßler, a. a. O., § 120, Anm. 2 für die OHG). Das bedeutet, daß durch die Bilanz die Verhältnisse festgestellt werden, wie sie sich am Ende des Geschäftsjahres darstellen. Die Feststellung des Jahresergebnisses begründet somit nicht erst den Gewinn oder Verlust, sondern sie hat nur die Bedeutung einer förmlichen Aussage darüber, ob im Laufe des Geschäftsjahres ein Gewinn oder Verlust erwirtschaftet wurde. Wenn aber demnach der Gewinn schon mit dem Ende des Geschäftsjahres und nicht erst mit der Aufstellung der Bilanz entsteht, so ist nicht einzusehen, weshalb der Anspruch des stillen Gesellschafters auf einen Anteil an diesem Gewinn erst später entstehen soll. Die Tatsache, daß das Ergebnis des Jahresabschlusses auch durch die bei der Bilanzerstellung zu fassenden Beschlüsse mitbeeinflußt wird, betrifft nicht die Entstehung des Gewinns, sondern allenfalls seine Höhe.
Da die Vorentscheidung diese Rechtslage verkannt hat, war sie aufzuheben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
II.
Bei der Bewertung des Gewinnanspruchs des Revisionsbeklagten hat das FG im Rahmen der Möglichkeiten des § 100 FGO zu beachten, daß der erkennende Senat in seinem Urteil III R 49/67 vom 15. Dezember 1968 (BFH 91, 427, BStBl II 1968, 340) entschieden hat, die Tatsache, daß bei Auszahlung einer Dividendenforderung Kapitalertragsteuer einzubehalten ist, sei kein besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG, der eine Bewertung der Forderung unter dem Nennwert rechtfertige. Das gilt auch für den Anspruch auf den Gewinnanteil eines stillen Gesellschafters.
Fundstellen
Haufe-Index 68384 |
BStBl II 1969, 123 |
BFHE 1969, 261 |