Leitsatz (amtlich)
Überträgt der Ehemann unter Vorbehalt des lebenslängllchen Nießbrauchs für sich und seine Ehefrau ein ihm allein gehörendes Grundstück auf seinen Sohn, so stehen ihm entsprechend dem ihm nur zur Hälfte zuzurechnenden Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung im eigenen Haus auch nur die AfA zur Hälfte zu.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2 Alt. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Eigentümer zweier Grundstücke, die jeweils mit einem Mehrfamilienhaus bebaut waren. Die Wohnungen waren bis auf eine, die der Kläger mit seiner Ehefrau selbst nutzte, vermietet.
1973 übereignete der Kläger im Wege der vorweggenommenen Erbfolge jeweils ein Grundstück auf seine Söhne. Er behielt sich und seiner Ehefrau als Gesamtgläubiger den lebenslänglichen Nießbrauch vor, der in das Grundbuch eingetragen wurde. Besitz, Nutzungen, öffentliche Lasten und Abgaben sowie Rechte und Gefahren sollten auf die Erwerber übergehen.
In seinen Einkommensteuererklärungen für 1974 und 1975 (Streitjahre) erklärte der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Mieteinnahmen aus der Vermietung der Wohnungen als eigene Einnahmen. Gleichermaßen setzte er den Nutzungswert der von ihm und seiner Ehefrau selbstgenutzten Wohnung als eigene Einkünfte an und machte dementsprechend Absetzungen für Abnutzung (AfA) als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ die AfA nicht zum Abzug zu, weil der Kläger nach Übertragung der Grundstücke unter Nießbrauchsvorbehalt nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke geblieben sei. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Der Kläger sei zur Geltendmachung der AfA als Werbungskosten berechtigt, weil er in den Streitjahren wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke gewesen sei.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der § 21, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 und § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie des § 39 der Abgabenordnung (AO 1977). Es macht geltend, daß nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dem Vorbehaltsnießbraucher AfA zustünden. Insoweit halte es seinen früheren Rechtsstandpunkt nicht mehr aufrecht. Da der Kläger aber wegen des seiner Ehefrau ebenfalls eingeräumten Nießbrauchsrechts nur zur Hälfte berechtigt sei, stünden ihm die AfA ebenfalls nur zur Hälfte zu (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 27. Juli 1982 VIII R 176/80, BFHE 136, 466, BStBl II 1983, 6).
Das FA beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG aufzuheben und die Einkommensteuer mit der Maßgabe festzusetzen, daß dem Kläger nur die halbe AfA gewährt wird.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und anderweitigen Festsetzung der Einkommensteuer für 1974 und 1975 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79 (BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380) entschieden, daß der Vorbehaltsnießbraucher grundsätzlich auch dann zur Vornahme der AfA berechtigt ist, wenn er nicht wirtschaftlicher Eigentümer des genutzten Grundstücks geblieben ist. Denn unabhängig vom wirtschaftlichen Eigentum ist der Vorbehaltsnießbraucher deshalb zur Vornahme der AfA berechtigt, weil er für die Gebäude Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet hat und sie zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nutzte.
Das Recht zur Vornahme der AfA steht dem Kläger allerdings nur zur Hälfte zu. Denn das Nießbrauchsrecht ist dem Kläger und seiner Ehefrau in den notariellen Übergabeverträgen gemeinschaftlich nach § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestellt worden. Als gemeinschaftlich Nießbrauchsberechtigte sind der Kläger und seine Ehefrau Miteigentümern vergleichbar. Diese können, wie der Senat in seinem Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73 (BFHE 125, 532, BStBl II 1978, 674) entschieden hat, AfA nur auf die ihrem Anteil entsprechenden Anschaffungs- und Herstellungskosten geltend machen.
Hieran ändert sich auch nichts dadurch, daß der Kläger nach den Feststellungen des FG alleiniger Vermieter des Grundstücks war und ihm die gesamten Mieterträge als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zugeflossen sind. Seine Berechtigung zur Nutzung leitet sich zum Teil aus dem Recht seiner Ehefrau her. Daher kann er insoweit keine AfA geltend machen. Die AfA steht ihm aber nur zu, soweit er das Grundstück als Vorbehaltsnießbraucher aufgrund eigenen Rechts nutzt.
Die gleichen Grundsätze gelten auch hinsichtlich der vom Kläger und seiner Ehefrau selbst genutzten Wohnung in einem der beiden Häuser. Soweit der Kläger diese aufgrund seiner Rechtsstellung als Vorbehaltsnießbraucher nutzt, ist ihm der Nutzungswert der Wohnung wie einem Eigentümer nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG zuzurechnen (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). In diesem Rahmen ist er auch berechtigt, die AfA nach den obigen Grundsätzen zur Hälfte geltend zu machen. Der aus der Rechtsstellung der Ehefrau des Klägers als Zuwendungsnießbraucherin abgeleitete Nutzungswert der Wohnung kann dem Kläger nicht zugerechnet werden. Die Ehefrau ist zwar im Verhältnis zum Kläger unterhaltsberechtigt. Sie nutzt die Wohnung jedoch aufgrund eines eigenen dinglichen Rechtes. Deshalb ist der Nutzungswert ihr nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zuzurechnen. Damit entfällt die Berechtigung des Klägers zur Geltendmachung der AfA in vollem Umfang.
Ob etwas anderes gilt, wenn im Hinblick auf die Unterhaltspflicht des Ehemannes Vereinbarungen getroffen werden, nach denen der Vorbehaltsnießbrauch den Zuwendungsnießbrauch verdrängt, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Der Sachverhalt bietet für eine solche Annahme keinen Anhalt.
Fundstellen
Haufe-Index 74908 |
BStBl II 1984, 266 |
BFHE 1984, 175 |